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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 11
51. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Adieu an einen musikalischen Botschafter
Richard Jakoby verlässt die internationale Verbindungsstelle
Selbst Paul Hindemith fand sich seiner Zeit nicht zu schaden, als
Berater für andere auf Reisen zu gehen, so mehrfach nach Ankara,
um für den Aufbau des türkischen Musiklebens Vorschläge
zu entwickeln. Da verbanden sich sicherlich ebenso musikalische
Anliegen wie außer- und kulturpolitische Interessen der Auftraggeber.
Nicht viel anders verstehen sich jene Touren, auf die sich Richard
Jakoby rund um den Globus schicken ließ. Wenn er, weiland
Präsident, jetzt Ehrenpräsident des Deutschen Musikrates
und derzeit (noch) Leiter dessen Verbindungsstelle für Internationale
Beziehungen, sich zum Beispiel in die Mongolei oder nach Vietnam
aufmachte, bei Konferenzen der Internationalen Gesellschaft für
Musikerziehung, des Internationalen Musikrates oder bei anderen
musikalischen Events als deutscher Repräsentant auftrat, dann
ging es um die Weitergabe ähnlicher Anregungen und Erfahrungen:
Strukturberatung, Einsatz für zeitgenössische Musik, künstlerischer
Austausch als Export wie Import, – solcher Art sind die Vokabeln
auf seinen Spielkarten bei all seinen Kontakten. Seine Präsenz
draußen wie am Schreibtisch versteht sich als Stück auswärtiger
Kulturpolitik, aber mit den eigenen Mitteln musikalischer Diplomatie.
Und mit einer Nachhaltigkeit, auf die das Musikland Deutschland
stolz sein könnte, wenn es dafür noch so liquide wäre
wie sein guter Ruf.
Seit 14 Jahren betreut und verantwortet Richard Jakoby für
den Deutschen Musikrat und zugleich im Auftrage des deutschen Auswärtigen
Amtes diese Mittler- und Gutachterstelle. Dieses Minibüro in
Bonn wirkt zwar nach Leitlinien und finanziert mit wenigen –
zunehmend wackeligen – Millionen aus Budgetmitteln des Bundes,
jedoch in eigener fachlicher Kompetenz. Und gerade die kann man
dem Spiritus Rector dieser Schaltstelle, Jakoby, nicht absprechen,
der alle Phasen musikalischer, pädagogischer, wissenschaftlicher,
publizistischer und kulturpolitischer Berufe, verbandlicher Gremien
und Instanzen einschließlich vieler Nuancen ärgerlicher
Verwaltungsbürokratie brillant erfahren und erfolgreich unter
Beweis gestellt hat.
Denn da galt es im Bonner Büro alljährlich einige hundert
Projekte zu beurteilen, aus seiner Allroundkenntnis abzuwägen
und zu ermöglichen: Auslandstouren von repräsentativen
Ensembles der Profi- wie Amateurszene, Entsendung und Empfang von
Musikern und Fachkräften, internationale Begegnungen im jugendkulturellen
Feld. Da waren bilaterale Regierungsverträge und Rahmenvereinbarungen
mit Partnerländern sinnvoll mit Inhalten zu füllen, aber
auch zu nutzen für freundschaftliche und musikfachliche Kontakte
gerade in jenen Zeiten, als sich die politische Diplomatie in ihrem
Transfer mit dem Jenseits des „Eisernen Vorhangs“ noch
nicht ganz leicht tat. Um all das abzustimmen und Anregungen entgegenzunehmen,
lud ihn die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes in ihren
Beratungsausschuss, das Goethe-Institut in seinen Musikbeirat. Das
war nicht nur Routine. Er kämpfte auch Jahr für Jahr erneut
um Erhalt und Erweiterung dieser allzu kostbaren kulturellen Verfügungsmasse.
Als sich aber mit Öffnung der Ostgrenzen auch der kulturelle
Fluss hin und her belebte, selbstverständlicher wurde, sich
hohe Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse vieler Partner
nicht nur zwischen St. Petersburg und Skopje einstellten und zu
befriedigen waren, da haben sich Jakobys Hoffnungen nicht im erforderlichen
Maße erfüllt, nämlich „dass der seit der Wiedervereinigung
anhaltende negative Trend der Etatentwicklung angehalten und wieder
mehr Geld für die auswärtige Kulturpolitik zur Verfügung
gestellt wird“ – so Jakoby noch vor vier Jahren im nmz-Interview.
Es mag mehrere Gründe geben, dass sich Jakoby mit Ende dieses
Jahres aus der ihm anvertrauten Leitung der Verbindungsstelle zurückzieht.
Das Alter dieses Jungsiebzigers ist es gewiss nicht. Eher eine gewisse
Resignation über diesen anhaltenden Abrutsch der Dispositionsmittel
für Projekte musikalischer Auslandsarbeit. Das muss Spaß,
Freude und sein jahrelang freiwilliges Engagement für die Sache
verleiden. Dazu das Diktum, dass just besagte Verbindungsstelle
für internationale (musikalische) Beziehungen, die sich fast
ein halbes Jahrhundert lang im Dienst der Bundesregierung und des
Deutschen Musikrates segensreich zu Gunsten unserer gesamten musikalischen
Landschaft einsetzte, in ihrer Selbstständigkeit begraben wird,
verschmolzen wird mit dem seit Jahresfrist bereits vereinigten Goethe
Institut Inter Nationes. Die Generalversammlung des Deutschen Musikrates
tut gut daran, Dienst-Ende und Abschied ihres musikalischen Botschafters
für Auswärtiges mit einem gehörigen Dankeschön
leichter zu machen.