[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 11
51. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Den Konzerten Junger Künstler droht Einstellung
Kultusministerkonferenz streicht Zuschüsse für die
„Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler“
Als vor fast 53 Jahren die Reihe Konzerte Junger Künstler
gegründet wurde, konnte wohl noch niemand ahnen, dass damit
der Grundstein für eines der kontinuierlichsten und bis heute
überaus erfolgreichen Förderungsprojekte für den
musikalischen Nachwuchs in Deutschland gelegt war. In jährlich
fast 300 Konzerten werden junge deutsche Solisten und Kammermusikensembles
auf eine erfolgreiche Künstlerkarriere vorbereitet. Nahezu
alle deutschen Solisten und Kammermusikensembles, deren künstlerischer
Werdegang überregionale und internationale Bedeutung erlangte,
hatten entscheidende Förderung durch die „Bundesauswahl
Konzerte Junger Künstler“ erfahren.
Die Entscheidung der Kultusministerkonferenz, diese Einrichtung
nicht mehr im bisherigen Rahmen zu finanzieren, macht eine Weiterarbeit
des einzigartigen Förderkonzeptes unmöglich, teilt der
Deutsche Musikrat als Träger des Projektes mit. Sie zerstöre
einen Grundpfeiler der Förderung für den hochbegabten
Nachwuchs im Musikland Deutschland. Langjährige Aufbauarbeit,
die stets durch innovative Fortentwicklung geprägt war, würde
zunichte gemacht werden.
Thomas Rietschel, Generalsekretär des Deutschen Musikrates,
nahm zum Beschluss der KMK Stellung: „Der Entscheid der Länder
bedeutet schlicht und einfach das Ende eines der europaweit erfolgreichsten
Förderprojekte für die Elite unseres musikalisch-künstlerischen
Nachwuchses. Besonders verwunderlich erscheint das Verhalten der
Länder vor dem Hintergrund der sogenannten Entflechtungsdebatte.
In dieser Debatte bestreiten die Länder dem Bund in vielen
Bereichen das Recht, auf nationaler Ebene kulturell fördernd
tätig zu sein. So soll auch die Förderung der bundeszentralen
Verbände – und zu diesen gehört der Deutsche Musikrat
– wie auch die Spitzenförderung im Musikbereich nach
Willen der Länder nicht mehr in die Kompetenz des Bundes fallen.
Angesichts der vorliegenden Entscheidung scheinen doch erhebliche
Zweifel angebracht, ob die Länder – sollten sie sich
in der Entflechtungsdebatte durchsetzen – auch in der Lage
sein werden, ihre Verpflichtungen gegenüber diesen bundeszentralen
Verbänden und gegenüber den besten jungen Musikern in
Deutschland zu erfüllen. Zu befürchten ist vielmehr, dass
wie hier geschehen, jahrzehntelang erfolgreich gewachsene Strukturen
den kurzfristigen und von keiner Fachkompetenz getrübten Interessen
der Länderfinanzminister geopfert werden.“
Die neue musikzeitung bat prominente Künstler, oftmals selber
ehemalige Teilnehmer der Konzerte, um Stimmen zu den Kürzungen
der Kultusministerkonferenz vom 20. September.
„Wen soll man fördern, wenn nicht den Nachwuchs? Der
musikalische Nachwuchs ist unsere Zukunft und wir können in
Deutschland – ich sage bewusst momentan – noch sehr
zufrieden und stolz sein. Jeder Einschnitt, jede Reduzierung wird
sich ohne Zweifel in der Zukunft verhängnisvoll auswirken.
Ich kann davor nur eindringlichst warnen.“
Prof. Gerd Albrecht, Dirigent
„Wie ich erfahre, steht der BAKJK eine Mittelkürzung
bevor. Dieser Schritt wäre eine arge Bedrohung des deutschen
Musiklebens. Gerade die Förderung des Nachwuchses ist ein zentraler
Punkt, dem allergrößtes Gewicht beigemessen werden muss.
Ich fühle mich dem Deutschen Musikrat sehr verbunden, da ich
durch ihn selber entscheidend gefördert wurde. Ich weiß,
wie bedeutend die Initiative für junge Künstler sein kann
und möchte mich entschieden gegen einen negativen Beschluss
der Kultusminister-Konferenz aussprechen.“
Christoph Eschenbach, Dirigent
„Wollen unsere Kultusminister/-innen jetzt die Spaßgesellschaft
finanzieren?
Das Vorzeigeprojekt deutscher Nachwuchsförderung, das seit
1957/58 in langen Jahren von engagierten Veranstaltern vor Ort und
dem Deutschen Musikrat in vorbildlicher Koproduktion aufgebaut wurde,
soll nun mit einem unbedachten Handstrich zerstört werden.
Vielleicht gibt es ja zu denken, dass die Kultusminister-Konferenz
nur noch in der Lage ist, fette, unbewegliche staatliche Institutionen
zu gründen, die hoffnungsvollen Ansätze einer vernünftigen
Kooperation aus Privatengagement und öffentlicher Hand jedoch
nach 45 Jahren kaputt spart.
Die Liste der Künstler der KJK liest sich wie das „who
is who“ deutscher Spitzenmusiker. Heute berühmt und in
Amt und Würden – damals aber alle ausnahmslos junge Studenten,
für die diese Förderung einst existenziell war. Ihren
äußerst bescheidenen Beitrag sollte die Kultusminister-Konferenz
verdoppeln, wenn sie noch an die Zukunft dieses Landes denkt.“
Reinhold Friedrich
Trompeter
„Meine zweimalige Teilnahme an der BAKJK war ein ganz entscheidender
Schritt für meine künstlerische Karriere, für den
ich äußerst dankbar bin. Sowohl ich selbst als auch das
Cherubini-Quartett haben in diesen Spielzeiten wesentliche Erfahrungen
machen können, die Grundlage für spätere Entwicklungen
waren.“
Christoph Poppen
Dirigent, Solist, Kammermusiker und Pädagoge
„Im Konzerthaus Berlin finden seit einigen Jahren die Abschlusskonzerte
der Preisträger und Stipendiaten des Deutschen Musikwettbewerbs
statt. Die sich anschließende Förderung durch die BAKJK
kann ich auch als Veranstalter von Konzerten mit Nachwuchskünstlern
nur als ideal bezeichnen. Den jungen Talenten diese Chance zur Fortentwicklung
ihrer musikalischen Persönlichkeit zu entziehen, käme
einem Kahlschlag gleich. Dem Nachwuchs gebührt besondere Förderung,
die sich das Musikland Deutschland leisten muss.“