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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 12
51. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Zur Zukunft der Musikschulen
Ein Leserbrief Interview mit Gerd Eicker, nmz 9/02, S. 45
Sehr geehrter Herr Eicker,
Da Sie anscheinend nicht sehr gut über die Situation und
Entwicklung von privaten Musikschulen in Deutschland informiert
sind, erlaube ich mir, Ihnen einige Informationen zu geben: Die
Situation der Musikschulen in Deutschland hat sich in den letzten
15 Jahren stetig verändert. Die Zuschüsse für kommunal
und städtisch geförderte Musikschulen wurden immer häufiger
gekürzt oder „eingefroren“, sodass immer weniger
Musikschulen in der Lage waren, die steigende Nachfrage an qualifiziertem
außerschulischen Musikunterricht zu befriedigen.
Gleichzeitig konnten viele junge Musiklehrer keine Anstellung finden,
da die Musikschulen aus oben genannten Gründen ihr Unterrichtsdeputat
nicht aufstocken konnten. Daraufhin gingen viele Lehrer in die Selbstständigkeit.
Die einen wurden als Privatmusiklehrer tätig, andere gründeten
eine Musikschule. Nachdem sich viele private Musikschulen über
viele Jahre alleine zurecht finden mussten, wurde 1997 in Erfurt
der „Bundesverband deutscher Privatmusikschulen e.V.“
(bdpm) gegründet. Der bdpm ist der einzige satzungsgemäß
legitimierte Verband zur Vertretung von freien und privaten Musikschulen.
Mittlerweile existieren 13 Landesverbände (bzw. sind im Aufbau),
bis Ende 2002 werden es voraussichtlich etwa 140 Mitgliedsschulen
mit bis zu 2.000 Schülern pro Schule sein. Im gesamten Bundesgebiet
existieren etwa 1.500 private Musikschulen.
Wenn Sie, Herr Eicker, der Meinung sind, dass eine private Musikschule
etwas „Verwerfliches“ ist, beleidigen Sie damit nicht
nur die vielen hochqualifizerten Lehrkräfte, die dort tätig
sind und ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern auch die vielen
tausend Schüler und deren Eltern, die sich dieser Musikschule
angeschlossen haben. Sie sagen, dass es nicht vom Portemonnaie der
Eltern abhängen darf, ob ein Kind musikalische Bildung erfährt
oder nicht. Private Musikschulen stehen in der Regel in Konkurrenz
zu anderen Anbietern wie kommunalen Musikschulen, Privatmusiklehrern
oder anderen Bildungseinrichtungen. Von daher richtet sich die Unterrichtsgebühr
automatisch nach den ortsüblichen Tarifen. Darüber hinaus
haben einige Privatmusikschulen bereits seit Jahren einen Sozialfond
eingerichtet, um Kindern und Erwachsenen, denen die finanziellen
Mittel fehlen, Musikunterricht zu ermöglichen.
Und nun ein Beispiel aus ihren Reihen: Der KMS Rotenburg/Wümme
(VDM Niedersachsen) wurden vor einigen Jahren sämtliche Zuschüsse
gestrichen (Formal gesehen müsste diese Musikschule aus dem
VDM ausgeschlossen werden, da in den Richtlinien des VDM verankert
ist, dass nur kommunal geförderte Musikschulen aufgenommen
werden können). Zur Zeit beträgt die monatliche Unterrichtsgebühr
für 45 Minuten Einzelunterricht 89 Euro für Kinder und
139 Euro (!!!) für Erwachsene. Ist das sozial verträglich?
Das Ziel des bdpm ist es, das Musikleben in den Kommunen sowie
auf Landes- und Bundesebene in Zusammenarbeit mit allen Institutionen
und Organisationen des Musiklebens offen und selbstlos zu fördern.
Darüber hinaus soll die Gleichstellung kommunaler und privater
Musikschulen erreicht werden.
Die finanzielle Situation der Kommunen und Gemeinden verschlechtert
sich bundesweit von Jahr zu Jahr dramatisch. Deswegen sollten auch
Sie, Herr Eicker, die Zeichen der Zeit erkennen. Kooperation statt
Konfrontation ist angesagt. Oder möchten Sie irgendwann einmal
mit dem bekannten Ausspruch von Michail Gorbatschow konfrontiert
werden?
Eric Ridder (1. Vorsitzender LV Niedersachsen des
bdpm)