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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 44
51. Jahrgang | November
Kulturpolitik
Urheber, ausübender Künstler und Produzent
Ein Symposium zu Filmmusik und neuem Urhebervertragsrecht bei
den Medientagen in München
Der heutige Filmkomponist sei eine Art Chamäleon, meinte
Jörg Evers, selbst Komponist und Mitglied des Aufsichtsrates
der GEMA: Urheber, ausübender Künstler und Produzent,
oft auch Tonträgerhersteller. Das alles in einer Person mit
allen urheber-, leistungsschutz-, und arbeitsrechtlichen Konsequenzen.Der
Composers Club (CC), Berufsverband der Filmkomponisten, und der
Deutsche Komponistenverband (DKV) hatten im Rahmen der Medientage
München 2002 zu einem Symposium geladen, das sich mit den „Spielregeln
des Medienmonopoly“ speziell mit dem Thema „Filmmusik
und das neue Urhebervertragsrecht“ befasste.
Vom klassischen Tonsetzer sei das Berufsbild des Filmkomponisten
in der deutschen Filmund Fernsehproduktion heutzutage meilenweit
entfernt: Dass der Komponist eine filmadäquate Partitur abliefere,
die von der Filmproduktion im Tonstudio mit hierfür eigens
verpflichteten Musikern, eventuell unter dem Dirigat des Autors
aufgenommen werde, sei die ganz seltene Ausnahme, zum Beispiel bei
großen Spielfilmen. Die Regel sei, führte Evers aus,
dass der Komponist verpflichtet werde, für eine Pauschale zwischen
zwölf und fünfzehntausend Euro ein mischtonfähiges
vollständiges Masterband abzuliefern. Mit dieser Pauschale
seien die Erstellung der Komposition und alle erforderlichen Arbeitsleistungen
sowie jeglicher Aufwand für die Tonaufnahmen einschließlich
der Gagen der Musiker, ferner Schnitt und Endmischung des Musikmasterbandes
abgegolten, nicht zuletzt auch das Verfilmungseinwilligungsrecht
und das Produzentenrecht des Komponisten. Das könne anders
gar nicht sein, erläuterte Bernd Burgemeister, der Vorsitzende
des Bundesverbandes der deutschen Fernsehproduzenten. Zum einen
seien in den Produktionsetats der auftraggebenden Fernsehveranstalter
höhere Ansätze für die Musik nicht durchsetzbar,
zum anderen biete dieses Verfahren doch auch dem Komponisten Chancen:
er könne selbst entscheiden, wie hoch der Produktionsaufwand,
wie hoch das ihm verbleibende Honorar sei.
Im Übrigen erhalte er ja die eigentliche urheberrechtliche
Vergütung für die Nutzung seiner Komposition bei Sendung
oder Filmvorführung von der GEMA, der er in aller Regel die
Wahrnehmung seiner sogenannten Erstrechte abgetreten habe.
Wilhelm Nordemann, einer der Autoren des „Professoren-Entwurfs“
zum Urhebervertragsrecht und zugleich Justitiar des DKV, musste
letzteres bestätigen: Das neue Urhebervertragsrecht regele
nicht die Arbeitsentgelte von Künstlern, sondern sichere ihnen
die angemessene Vergütung für die Nutzung der von ihnen
erarbeiteten, geschaffenen Werke. Und die GEMA-Vergütung sei
im Zweifelsfall die angemessene. Hielten die Filmkomponisten sie
für unangemessen, müssten sie innerhalb der Gremien der
GEMA tätig werden. GEMA-Aufsichtsrat Evers nickte mit leicht
verzerrter Miene.
Eine aufgestellte Vergleichsrechnung ergab: Von der Produktionspauschale
verbleibt dem Komponisten zum Beispiel einer „Tatort“-Musik
nur dann ein nennenswerter Betrag, wenn er bei der Produktion des
Masterbandes möglich viel selbst macht, auch selber (zum Beispiel
elektronisch) musiziert und benötigte technische Hilfskräfte,
Sänger oder Instrumentalisten möglichst preisgünstig
engagiert. Hohen künstlerischen Ansprüchen und dem Zeitaufwand
sind dann enge Grenzen gesetzt. Mit den entsprechenden Folgen ...
Von der GEMA erhält der Komponist pro Sendung des „Tatorts“
rund 3.000 Euro. Weitere fünf Mal müsse dieser „Tatort“
wiederholt werden, rief jemand aus dem Publikum hinauf zum Podium,
bis der Komponist über ein Honorar in Höhe dessen verfüge,
was ein Drehbuchautor bereits für die Erstsendung erhält.
Schlimmer noch, ergänzte Jochen Schmidt-Hambrock, Vorstandsmitglied
des CC. Oft genug mache es der Filmproduzent oder das auftraggebende
Sendeunternehmen zur Bedingung, dass der Komponist sämtliche
Verlagsrechte an seinem Werk einem Musikverlag übertrage. Folge
dieser „Inverlagnahme“ sei es, dass der Verlag beim
Aufführungs- und Senderecht rund ein Drittel, beim Vervielfältigungsrecht
40 Prozent der GEMA-Ausschüttungen einbehalte. Die Gegenleistung
des Verlegers beschränke sich auf einige abrechnungstechnische
Hilfestellungen.
Sowohl Nordemann als auch Martin Vogel, ebenfalls Mitverfasser
des „Professoren-Entwurfs“, erklärten dezidiert,
dass diese Praxis einer gerichtlichen Überprüfung vor
dem Hintergrund des neuen Urhebervertragsrechts nicht standhalten
würde. Mit der unentgeltlichen Übertragung der Verlagsrechte
werde dem Komponisten die angemessene wirtschaftliche Beteiligung
an den Erlösen aus der Nutzung seines Werkes vorenthalten.
Die Vertreter der beiden mehrfach angesprochenen Verlage, des ZDF-eigenen
Dany-Verlages und der Bavaria-Sonor, beide gemeinnützigen öffentlich-rechtlichen
Familien zugehörig, glänzten beim Symposium durch Abwesenheit.
Stefan Meuschel, Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes Regie
(BVR), stellte das ganze Verfahren der pauschalen Abgeltung der
Herstellung des Musikmasterbandes durch den Komponisten in Frage.
Zum einen führe es zwangsläufig zu einer Art Fließbandmusik
– weshalb lassen sich die Regisseure darauf ein? – zum
anderen sei es weder urheber- noch wahrnehmungsrechtlich stubenrein.
Die Pauschale zwänge das Komponisten-Tonträgerhersteller-Chamäleon
geradezu zur selbstausbeutenden Manipulation. Und wie honoriere
es die ausübenden Künstler, sich selbst eingeschlossen,
welche Honorare werden der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten
(GVL) der „Musikanten-GEMA“ gemeldet? Eine Aufteilung
der Pauschale in Handlungsunkosten des Musikproduzenten, technische
Kosten der Produktion und Musikhonorare sollten die Filmkomponisten
als strukturelle Forderung all ihren Überlegungen zu Grunde
legen, die sie jetzt zur Vorbereitung von Verhandlungen mit den
Film- und Fernsehproduzenten zur Umsetzung des neuen Urhebervertragsrechts
anstellen. Und Martin Vogel gab auch gleich einen inhaltlichen Hinweis:
Da das Verfilmungseinwilligungsrecht des Komponisten dem neuen §32
des Urheberrechtsgesetzes unterliege, sollten CC und DKV nicht zögern,
für ihre Mitglieder die Aufnahme von Verhandlungen über
gemeinsame Vergütungsregeln zu fordern.