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nmz-archiv
nmz 2002/11 | Seite 1
51. Jahrgang | November
Leitartikel
Wie Finanzminister Eichel die Kultur abschafft
Die Streichung der Spendenabzugsfähigkeit und ihre Folgen
· Von Olaf Zimmermann
„Wir werden auch in der Zukunft die Vielfalt des Engagements
der Bürgerinnen und Bürger in Vereinen ... nach Kräften
unterstützen”, heißt es in der Koalitionsvereinbarung
von Rot-Grün. Dieses Versprechen der neuen, alten Bundesregierung
war nicht ganz einen Tag alt, als es vom Bundesfinanzminister einkassiert
wurde.
Der Finanzminister plant, den Spendenabzug für Unternehmen
nach § 9 KStG zu streichen. Das betrifft alle mildtätigen,
kirchlichen, religiösen, wissenschaftlichen und als besonders
förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke,
also alle gemeinnützigen Kulturförderzwecke. In der langen
Streichliste von Hans Eichel heißt es dazu lapidar: „Spendenabzug
streichen (§ 9 Abs. 1, 2 KStG)”. Ein Donnerschlag –
kein Unternehmen soll in der Zukunft noch einen einzigen Euro steuerlich
geltend machen können, wenn es einem gemeinnützigen Zweck
eine Spende zukommen lässt. Die Auswirkungen auf den Kulturbereich
sind schwer abschätzbar. Das Maecenata-Institut in Berlin schätzt
die jährlichen Spenden aus der Wirtschaft für gemeinnützige
Zwecke auf zirka 600 Millionen Euro.
Der Anteil, der von dieser Summe auf den Kulturbereich entfällt,
kann nicht genau beziffert werden. Sicher aber scheint, dass er
höher als ein Drittel dieser Summe ist. Gerade in den letzten
Jahren sind die Spenden aus der Wirtschaft zu einem unverzichtbaren
Teil der Finanzierung von Kultureinrichtungen geworden. Jahrelang
hat die öffentliche Hand ihre Förderung zurückgeschraubt
und hat Gehaltssteigerungen der in den Kultureinrichtungen beschäftigten
Mitarbeiter nicht durch höhere Zuweisungen aufgefangen.
Oftmals reichen die öffentlichen Förderungen nur noch
um die Einrichtung am Leben zu halten, aber sie genügt nicht
mehr, um künstlerische Vorhaben umzusetzen. Die Finanzierungslücke
wird immer öfter durch Spenden von Bürgern und Unternehmen
geschlossen. Joachim-Felix Leonhard, Generalsekretär des Goethe-Institutes
Inter Nationes rechnet dem Finanzminister vor, dass zwei Drittel
der Spendeneinnahmen seines Institutes von Unternehmen stammen.
Dieses Verhältnis von Privatspenden zu Unternehmensspenden
dürfte im Kulturbereich die Regel sein. Deshalb würde
der geplante Wegfall der Spendenabzugsmöglichkeit für
Unternehmen den Kulturbereich auch besonders hart treffen. Und die
Signale aus der Wirtschaft auf den drohenden Wegfall der Spendenabzugsfähigkeit
sind eindeutig. Das Spendenverhalten der Unternehmen, so die eindeutigen
Hinweise, würde sich radikal verändern. Bernhard Freiherr
von Loeffelholz, ehemaliges Vorstandsmitglied der Dresdner Bank,
warnte eindringlich vor den Gefahren, die der Wegfall der Spendenabzugsmöglichkeit
für Unternehmen mit sich bringen würde. Als Mitgründer
der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker warnte er nach
einem Auftritt von Stipendiaten der Orchesterakademie am 17. Oktober
diesen Jahres in Berlin, dass, sollte der Finanzminister sich durchsetzten,
die Orchesterakademie als eine der herausragenden Einrichtungen
der musikalischen Hochbegabtenförderung nicht mehr weiter existieren
wird. Die Orchesterakademie wird durch Spenden aus der Wirtschaft
finanziert.
Der Finanzminister hofft, durch die Streichung der Spendenabzugsmöglichkeit
im nächsten Jahr 151 Millionen Euro mehr in der Kasse zu haben.
Dieser Betrag ist im Lichte des Gesamtspendenaufkommens aus der
Wirtschaft von zirka 600 Millionen Euro schon unverständlich
hoch. Der Einsparungsbetrag soll sich dann bis zum Jahr 2006 auf
281 Millionen Euro fast verdoppeln. Der Finanzminister geht also
davon aus, dass sich das Spendenaufkommen aus der Wirtschaft von
heute zirka 600 Millionen Euro in drei Jahren auf fast 1,2 Milliarden
Euro erhöht. Diese Steigerung der Spenden aus der Wirtschaft
wäre, selbst wenn die Spendenabzugsfähigkeit nicht wegfallen
würde, absolut utopisch, unter den vom Finanzministerium geplanten
Neuregelungen ist diese Rechnung einfach schlicht unseriös.
Die Perversität der geplanten Maßnahmen wird auch dadurch
deutlich, dass Unternehmen, die in der Zukunft Geld verschenken,
keine steuerlichen Entlastungen mehr haben sollen. Verlangen die
Unternehmen für ihre Gaben aber eine Gegenleistung, betreiben
sie also Sponsoring, können sie ihren Sponsoringbetrag weiterhin
als Betriebsausgabe absetzen. Mäzenatentum nein – Sponsoring
ja, lautet die Devise des Finanzministers. Und diese Devise widerspricht
der Politik der Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode.
Das Stiftungsrecht wurde gerade deshalb in der letzten Legislaturperiode
reformiert, damit Bürger und Unternehmen noch stärker
als bisher, freiwillig und ohne Gegenleistungen zu verlangen, Gutes
für die Allgemeinheit tun können. Zu dem selben Zweck
wurde im Deutschen Bundestag eine Enquete-Kommission eingerichtet,
die sich drei Jahre lang Gedanken über die Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements gemacht hat. Ihren Vorschlägen zur Verbesserung
der Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement
gerade auch im steuerlichen Bereich, wurden von der Regierungskoalition
im Deutschen Bundestag zugestimmt.
Die Bundesregierung hat in den letzten vier Jahren eine gute Politik
für das Bürgerschaftliche Engagement gemacht. Stiftungsrechtsreform
und die Erhöhung und Ausweitung der Übungsleiterpauschale
sind zwei der positiven Reformschritte aus der letzten Legislaturperiode.
Die Bundesregierung sollte sich diese erfolgreiche Politik nicht
selbst kaputt machen. Herr Schröder, stoppen Sie Herrn Eichel!