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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 33
52. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Engagierter Theaterbotschafter aus besseren Zeiten
Der Intendant und Opernregisseur Kurt Horres wurde siebzig Jahre
alt
Stets war das deutsche Stadttheater in seiner Summe wie in herausragenden
Einzelleistungen ein ästhetisches Orientierungsfeld. Zumal
die sechziger und siebziger Jahre überaus fruchtbar waren gerade
in der Reibung zwischen deutschem Bildungsbürgertum mit einem
leidlich intakten Wertgefüge, der Vorstellung von der „moralischen
Anstalt” der Nation, und dem Auf- und Umbruchselan der Achtundsechziger.
Wer an neuem Theater interessiert war, der fuhr nach Bremen und
Bochum, der Opern-Neugierige nach Kassel, Nürnberg oder Wuppertal.
Dort, in der protestantischen Sekten-Kapitale, inmitten eines katholischen
Umfelds, wurde zwischen 1964 und 1975 spannendes Musiktheater gemacht,
avanciert, nicht unbedingt experimentell. Kurt Horres, aus Lübeck
gekommen, prägte als Oberspielleiter der Oper einen Stil, in
dem sich realistische Präzision mit oft surrealer Überhöhung
verband und in dem „Botschaft” keine geringe Rolle spielte.
Oper, sonst gern Reich schönen Scheins par excellence, war
für Horres in erster Linie Ort komplexer Gefühle im Sinne
eines tua res agitur. Dass er die „Literaturoper” bevorzugte,
war konsequent: Den großen Stoffen und Texten waren die Gestalten
zu entnehmen, an denen sich schmerzliche Schicksale am suggestivsten
belegen ließen. Fortner, Klebe, Udo Zimmermann, Gunther Schuller,
sie alle profitierten von Horres‘ engagierter Handschrift,
oft in den Bühnenbildern Hanna Jordans. Dass in die Spätphase
von Horres auch der Aufstieg von Pina Bausch fiel, war bezeichnend.
Gestrenger Prinzipal: Kurt
Horres. Foto: Charlotte Oswald
Stets war er mehr als nur Regisseur: ihm war Theater „moralische
Anstalt”, die Moderne stetiger Anlass, die Menschen über
Menschen wachzurütteln. Dabei spielte er nicht den „Softie”,
sondern setzte auf die Rolle eines verantwortungsvollen Prinzipals,
der, skeptisch gegenüber Mitbestimmung, Arbeitsethos und Disziplin
forderte. Konservativ in der Haltung, progressiv in der Sache, hat
er manche Zerreißprozesse aushalten müssen. 1975 ging
er als Intendant ans Staatstheater Darmstadt, wo sich sein Bildstil
noch einmal weitete.
nszenierungen wie die von Brittens „Tod in Venedig”
sind bis heute in Erinnerung. Es folgte der Ruf nach Hamburg. Das
Intermezzo währte nur kurz: Horres legte nach nur drei Monaten
seinen Vertrag zurück. Vieles kam da wohl zusammen, um ihm
die Arbeit zu verleiden. In Düsseldorf an der Rheinoper fühlte
er sich dann wie befreit, auch wenn Etatkürzungen ihn bekümmerten,
er die Akzeptanz der Kunst im Schwinden sah. Horres‘ Ideal
von Moderne gewann immer mehr historische Züge – der
Lauf der Zeit, dem alle schöpferischen Kräfte sich zu
beugen haben. Immerhin gehörte Horres zu den Entdeckern eines
Herbert Wernicke oder Günter Krämer, die die „Fackel”
weitertrugen. Wernickes früher Tod hat Horres besonders schwer
getroffen. Als Regisseur ist er immer noch aktiv – gerade
hat er in Bonn die „Ariadne auf Naxos” in Szene gesetzt,
die geniale Reflexion von Hofmannsthal und Strauss über das
Operntheater, an der sich auch Kurt Horres ein Künstlerleben
lang erfolgreich beteiligt hat.