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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 38
52. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Exemplarisch
Zum Tode von Georg Knepler
Am 14. Januar 2003 ist der Musikwissenschaftler Georg Knepler
in Berlin im Alter von siebenundneunzig Jahren gestorben. Politische
Überzeugung, musikalische Praxis und wissenschaftlicher Elan
fanden bei ihm in bemerkenswerter Intensität zusammen und machten
den am 21. Dezember 1906 in Wien Geborenen zu einer exemplarischen
Figur. Dass Georg Knepler nach seiner Emigration 1934 nach England
und der Rückkehr nach Wien 1946 sich schließlich in Ost-Berlin
niederließ, kann aus seiner biographisch-politischen Linie
erklärt werden. Stets hat er sich als antibourgeoiser Linker
verstanden, nicht als Anarchist oder radikaler Avantgardist, sondern
als Mann der Parteilichkeit, vielleicht sogar der Partei. Als Persönlichkeit
aber drängte Knepler über solche Klassifizierungen entschieden
hinaus, wurde zu einer epochalen Erscheinung. Er promovierte über
Brahms, studierte Klavier bei Eduard Steuermann, Komposition und
Dirigieren bei Hans Gal. Aber der Musiker Knepler hatte mit der
Moderne, also der Schönberg-Schule, wenig im Sinn. Sein Abgott
wurde Karl Kraus, ästhetisch wie politisch konservativer als
es manche seiner Verehrer wahrhaben wollen – was der Bedeutung
des Wiener Satirikers ja kaum Abbruch tut. Knepler jedenfalls avancierte
zum Klavierbegleiter von Karl Kraus bei dessen Offenbach-Aufführungen.
Nach Ost-Berlin ging Georg Knepler 1949, wo er 1950 die Musikhochschule
gründete. Von 1959 bis 1970 lehrte er an der Humboldt-Universität.
Dogmatische Züge waren seinem Wesen und seinen Auffassungen
nicht fremd, ganz von der Parteilinie weichen wollte er nicht. Einmal
wetterte er, seltsam staatstreu, gegen den Jazz als eines der „wirkungsvollsten
unter den zahlreichen amerikanischen Rausch- und Giftmitteln”.
Von den diversen Büchern des Mozart-Jahres 1991 waren seine
„Annäherungen” wohl das wichtigste, wirkungsreich
vor allem im Beharren auf der Einheit des Dramatischen und Symphonischen,
der „Dramatisierung der Oper durch Symphonik” und vice
versa – auf der latenten Theatralik der „absoluten”
Musik also.