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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 4
52. Jahrgang | Februar
Cluster
Achse des Blöden
Die Katzen pfeifen es vom Dach: Hier sind ein paar Schrauben locker.
Nein, es geht nicht um die Hobbyheimwerker mit staatlicher Zulassung
beim Deutschen Musikrat. Denn das Musikleben ist medienträchtig
längst den Kinderschuhen amtlicher Musikräte entwachsen.
Mindestens acht Millionen Menschen suchen eben nicht den Deutschen
Musikrat sondern Deutschlands Superstar. Freilich ist auch dies
eine Bankrott-Veranstaltung.
Diese moderne Form von „Jugend übt” ist das pervertierte
Selbstbild der gegenwärtigen Doppellasterhaftigkeitsapotheose
einer „Geiz-ist-geil”-Gesellschaft. Man geizt hier nicht
mit Reizen aber mit Gefühl. Da können Tränen noch
so laufen, wenn bei dem Ausscheidungs-Spiel (aus dem kulturellen
After) immer wieder jemand vom Publikum ausgekotzt wird und hernach
die übrig gebliebenen Medienopfer vor Freude richtig traurig
sich angeblich in den Arm nehmen. Unterdessen: Daniel L. (Zusammenbruch
nach Publikums-Ausscheidung) und Daniel K. (Drohungen wegen Nochdabeiseins),
andere werden bald im Zeitschriftenwald verbrannt werden. Nur Judith
hatte einen Rest von Selbstbewusstsein, als sie freiwillig das Spektakel
verließ. Obwohl Daniel K. angeblich festzustellen meinte,
sie hätte sonst ihr letztes Lied ohnehin versemmelt. Na da
schau an, wie menschlich und wie lieb sind sie, alle unsere mittlerweile
notariell beglaubigten Superstars, die von nicht-notariell beglaubigten
Ex-Juroren-Kommentatoren („aber sie trifft doch die Töne,
Mietze-Schnuckelchen”) und sprachlich gänzlich bis in
den Unterleib dekolltierten Moderatoren zugesabbelt werden.
Deutschlands aktueller Musikrat Dieter Bohlen sieht diesen Showraum
sogar als eine gelungene Form des Sozialismus. So konstituiert sich
inmitten unseres Kulturwunderlandes eine „Achse des Blöden“.
Aber das alles hat rein gar nichts, aber wirklich null mit dem Deutschen
Musikrat zu tun, wirklich nicht.