[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 15
52. Jahrgang | Februar
Deutscher Kulturrat
Paukenschläge, Reformen, Gesetzesvorhaben
Anforderungen an die Kulturpolitik in der neuen Legislaturperiode
· Von Olaf Zimmermann
Die neue Legislaturperiode begann für den Kulturbereich mit
einem Paukenschlag. Die Spendenabzugsfähigkeit für Körperschaften
stand auf dem Spiel und der ermäßigte Mehrwertsteuersatz
für Kunstwerke und Sammlungsgegenstände sollte auf den
vollen Satz angehoben werden. Beide Maßnahmen hätten
auf den gesamten Kulturbereich massive Auswirkungen gehabt und konnten
in letzter Minute abgewandt werden.
Dabei begann eigentlich alles sehr vielversprechend. Nachdem in
der Bundestagswahl 1998 von Seiten der Kulturverbände ein Beauftragter
für Kultur auf der Bundesebene massiv eingefordert worden war,
wurde mit Michael Naumann ein Staatsminister für Kultur und
Medien in das Schattenkabinett von Gerhard Schröder einberufen.
Der lautstarke Protest, insbesondere aus den südlichen Bundesländern,
schien Michael Naumann sportlich zu reizen und so entstand aus dem
Wettstreit von Ländern, Kulturverbänden und dem designierten
Staatsminister das wichtige Wahlkampfthema: Kultur.
Reformen im Kulturbereich gehörten zu den wichtigen Reformvorhaben,
die eine rot-grüne Bundesregierung anpacken wollte, und mit
Antje Vollmer trat bei Bündnis 90/Die Grünen eine erfahrene
Kulturpolitikerin für die Stärkung der Bundeskulturpolitik
ein. Nach der Wahl 1998 wurden die Zusagen eingelöst und Michael
Naumann zum Staatsminister für Kultur und Medien beim Bundeskanzler
berufen. Der Deutsche Bundestag richtete einen Ausschuss für
Kultur und Medien ein. Kulturpolitik war nicht mehr nur Sache einiger
weniger Eingeweihter, die sich über Parteigrenzen hinweg vornehmlich
untereinander austauschten, sondern Kulturpolitik wurde zu einem
ganz normalen Politikfeld.
Die Bilanz der ersten Legislaturperiode eines Staatsministers
für Kultur und Medien sowie des Ausschusses für Kultur
und Medien kann sich sehen lassen. Mit der Reform des Stiftungssteuer-
und Stiftungszivilrechts wurden zwei Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung
eingelöst. Das Gesetz zur Buchpreisbindung sichert den gebundenen
Ladenpreis für Bücher in Deutschland. In der Legislaturperiode
wurde das Problem der Besteuerung ausländischer Künstlerinnen
und Künstler von Bundesregierung und Parlament aufgegriffen
und einer positiven Lösung zugeführt. Darüber hinaus
wurde mit der Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes
die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler
verbessert.
Nachdem die Länder in den Jahren 1998 bis 2002 festgestellt
hatten, dass weder ihre Kompetenz für Kulturpolitik berührt
wurde, noch die befürchtete „Reichskulturkammer”
entstand, wurde der Widerstand gegen das Amt des Kulturstaatsministers
aufgegeben. In den Fragen des Deutschen Kulturrates an die im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2002 sicherten
alle Parteien zu, zumindest die vorhandene Struktur beizubehalten.
Bündnis 90/Die Grünen versprachen sogar ein eigenes Bundeskulturministerium.
Dennoch, im Wahlkampf gelang es nicht, der Kulturpolitik wieder
den herausgehobenen Stellenwert zu geben, den sie im Wahlkampf 1998
hatte. Andere Themen wie die wirtschaftliche Lage, die Zahl der
Arbeitslosen und dann in den letzten Wochen vor der Wahl der drohende
Irak-Krieg standen im Vordergrund. Nach der Wahl sorgte lediglich
für Aufmerksamkeit, dass Staatsminister Nida-Rümelin seiner
wissenschaftlichen Laufbahn an der Universität Göttingen
den Vorzug gab und für eine neue Amtszeit als Staatsminister
nicht zur Verfügung stand. Nach einigen Gerüchten um mögliche
Nachfolger wurde schließlich die ehemalige Hamburger Kultursenatorin,
Christina Weiss, zur Staatsministerin ernannt.
Die Startchancen in dieser Legislaturperiode waren also ungünstiger
als in der vorhergehenden. Im Wahlkampf gab es keine Aufbruchstimmung
für kulturpolitische Reformen, der Ausschuss für Kultur
und Medien kann auf eine bewährte Arbeitsweise zurückgreifen
und muss sich nicht mehr so stark positionieren und eine parteilose
Staatsministerin für Kultur und Medien verfügt über
keinen direkten politischen Draht zu den Regierungsfraktionen. Nicht
zu vergessen ist, dass die aktuelle Haushaltslage des Bundes Geschenke
nicht erwarten lässt.
Dennoch gelang es in den Koalitionsverhandlungen mit der Verankerung
der Kulturverträglichkeitsprüfung in der Koalitionsvereinbarung
ein wichtiges Instrument zu etablieren. Die Kulturverträglichkeitsprüfung
stammt aus dem EU-Kontext. Im Vertrag von Amsterdam ist in Artikel
151, Absatz 4 festgelegt worden, dass die Gemeinschaft bei ihren
Politiken den kulturellen Aspekten Rechnung trägt und die Vielfalt
der Kulturen wahrt und fördert. Konkret bedeutet dies, dass
die EU bei allen Politiken prüfen muss, ob die Kultur dadurch
Schaden nehmen könnte.
Die Kulturverträglichkeitsprüfung könnte also ein
sehr wichtiges Instrument sein, um zu verhindern, dass durch kulturferne
Politikfelder die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur verschlechtert
werden. Wettbewerbskommissar Mario Monti hat sich allerdings, bei
seinen Bestrebungen die grenzüberschreitende Buchpreisbindung
zu unterbinden, von der Kulturverträglichkeitsprüfung
nicht beirren lassen. Auf der EU-Ebene hat sich bislang die Kulturverträglichkeitsprüfung
– nicht nur mit Blick auf die Buchpreisbindung – als
stumpfes Schwert erwiesen.
In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung des Jahres 2002
steht: “Ein Schwerpunkt bleibt die weitere Verbesserung der
rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur. Dazu gehört
die stärkere Berücksichtigung der kulturellen Dimension
der Gesetzgebung des Bundes und gegebenenfalls von großen
Planungsvorhaben (Kulturverträglichkeitsprüfung).”
Das heißt auch hier wurde formuliert, dass Gesetze auf die
Auswirkungen auf den Kulturbereich geprüft werden sollen. Die
Formulierung ist allerdings weicher als die Fassung im Vertrag von
Amsterdam.
Die erste Bewährungsprobe der Kulturverträglichkeitsprüfung
war die geplante Abschaffung der Spendenabzugsfähigkeit von
Körperschaften. Wenige Tage nachdem der Koalitionsvertrag unterzeichnet
war, wurde am 17.10.2002 in der Tageszeitung „Die Welt”
eine Streichliste aus dem Finanzministerium veröffentlicht,
der zu entnehmen war, dass die Spendenabzugsfähigkeiten für
Körperschaften nach § 9 KGSt abgeschafft werden soll.
Weiter war in der Liste die Streichung des ermäßigten
Mehrwertsteuersatzes für Kunst- und Sammlungsgegenstände
aufgeführt.
Die Pläne, die Spendenabzugsfähigkeit für Körperschaften
abzuschaffen, standen in krassem Widerspruch zu den Aussagen der
Regierungskoalition in der letzten Legislaturperiode. Wurde seiner
Zeit noch die Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements
– gerade auch von Unternehmen – eingefordert, sollte
nun aufgrund von Haushaltsnöten die Spendenbereitschaft empfindlich
getroffen werden. Sehr viele große und kleine Projekte aus
dem gesamten Kulturbereich wären existentiell betroffen gewesen,
wären die Pläne des Finanzministeriums umgesetzt worden.
Der Deutsche Kulturrat sowie zahlreiche andere Verbände haben
in einer öffentlichen Kampagne dazu aufgerufen, dass die Pläne
des Finanzminister der Kulturverträglichkeitsprüfung unterzogen
werden müssen. Dank eines Machtwortes des Kanzlers wurden schließlich
die Pläne fallengelassen. Die erste wichtige Bewährungsprobe
der Kulturverträglichkeitsprüfung ging positiv aus.
Auch mit Blick auf die Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes
für die Bildende Kunst konnte sich der Finanzminister nicht
durchsetzen. Damit gilt nach wie vor für den größten
Teil der Kulturgüter – CD und CD-Rom ausgenommen –
der ermäßigte Mehrwertsteuersatz.
Die beiden genannten steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung
zeigen, dass in dieser Legislaturperiode Gesetzesvorhaben der unterschiedlichen
Politikfelder mit Argusaugen geprüft werden müssen. Kultur
genießt keinen Sonderstatus mehr. Kultur verheißt offensichtlich
keine Reformstimmung mehr. Diese Position kann auf der einen Seite
als ein Stück Normalität im politischen Alltag gewertet
werden, auf der anderen Seite bedeutet es für den Deutschen
Kulturrat sich klar und eindeutig zu positionieren und für
den Erhalt sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen von Kunst
und Kultur einzusetzen.
Dies gilt sowohl für Politikfelder, die eher kulturfern erscheinen
als auch für solche, die originär dem Kulturbereich zu
zuordnen sind. Mit der anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes
sowie der Novelle des Deutsche-Welle-Gesetzes stehen zwei Reformvorhaben
auf der Agenda.
Kulturpolitik darf sich in dieser Legislaturperiode aber nicht
darin erschöpfen, dass die Vorhaben umgesetzt werden, die turnusgemäß
auf der Agenda stehen wie die genannten Novellierungen aus dem Medienbereich,
das Finanzierungsabkommen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
und der Hauptstadtkulturvertrag. Kulturpolitik muss gestalten, dazu
gehört, weitere Impulse zur Verbesserung der Rahmenbedingungen
für Kunst und Kultur zu geben.