[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 51
52. Jahrgang | Februar
Dossier: Musikhochschulen
Jazz lernen in Holland: keine Alternative, sondern das Ziel
Jazz-Ausbildung an Hochschulen in den Niederlanden · Von
Julia André
Im Nachbarland Niederlande muss man nicht lange suchen, um Fakultäten
mit erstklassigen Ausbildungsmöglichkeiten zum Jazz-Musiker
zu finden. Die Weltoffenheit und Modernität der Niederländer
zeigt sich nämlich auch an den Konservatorien und Hochschulen
für Musik. Jazz gehört hier schon lange zu den Studienmöglichkeiten.
Im Ausbildungszweig „lichte muziek“, wie Jazz, Pop und
Rock zusammengefasst wird, kann man nicht nur den Abschluss zum
„performing artist“ erlangen, sondern auch „docerend“,
also zum Musikdozenten, abstudieren.
Oftmals bestimmen geringe Aufnahmekapazitäten an deutschen
Musihochschulen die Realität. Deutsche Studienplatzanwärter
probieren es aber nicht nur aus dieser Not heraus, an einem niederländischen
Konservatorium unterzukommen. Es gilt nicht, dass eine Aufnahme
dort einfacher wäre. Die Alternative im nahegelegen Ausland
Jazz zu studieren, ist im Grunde keine Alternative, sondern für
viele junge Jazzer ein Ziel. Denn gerade in der Musik ist eine globale,
nationenübergreifende Ausbildung und der Kontakt zu vielen
internationalen Lehr-Ansätzen, Dozenten und Gastdozenten für
Studenten interessant. Außerdem zeigt ein Studium im Ausland
Bereitschaft für Mobilität und macht es später eventuell
einfacher, einen Job zu finden.
Wer als Deutscher in die Niederlande geht, um Jazz zu studieren,
wird sich an manchen Konservatorien nicht ganz so fremd fühlen.
In Arnheim, zum Beispiel, kommen 80 Prozent der Studierenden aus
Deutschland. Elsge Bühler von der „Hogeschool voor de
Kunsten“ in Arnheim hört immer wieder als Hauptargument:
„Deutsche Studenten kommen zu uns, weil sie die freieren Methoden
des Unterrichtens schätzen. Im normalen Stundenplan finden
sie hier mehr Raum für Experimente und werden in ihren eigenen
Interessen gefördert.“ In den Niederlanden werden für
das sogenannte erste Jahr meist mehr Anwärter als in Deutschland
aufgenommen, was nicht auf einfachere Aufnahmeprüfungen schließen
lässt. „Wir schauen nicht nur auf die schon sehr gute
Technik, sondern speziell auf den Ausdruck und die Persönlichkeit“,
erklärt Elsge Bühler den Unterschied zu deutschen Jazz-Hochschulen.
Im ersten Jahr, der Propedeuse-Phase, muss man sich profilieren,
Entwicklungsfähigkeit zeigen. In manchen Fällen werden
Studenten nach der Propedeuse-Prüfung zurückgestuft: entweder
muss man das Jahr wiederholen, oder man kommt in eine spezielle
Klasse („vooropleiding klas“).
Besteht man die Propedeuse, studiert man weitere drei Jahre. Anders
als in Deutschland läuft das Studium in den Niederlanden in
Schuljahren ab. Der Ferienanteil ist dementsprechend geringer –
dafür sind die vier Jahre Studium aber auch die Regel. Nicht
wie in Deutschland, wo man meist fünf Jahre und mehr studiert.
Nach den vier Jahren erlangt man ein Diplomzeugnis, das dem deutschen
ebenbürtig ist. Man kann innerhalb seines Studiums zusätzlich
die Ausbildung zum „docerend musicus“ durchlaufen. Das
bedeutet jedoch, dass man wegen der Lehrproben fließend niederländisch
sprechen können muss.
Für talentierte Studenten, die vier Jahre studiert haben
und damit die sogenannte „erste Phase“ absolviert haben,
besteht die Möglichkeit in eine „zweite Phase“
aufgenommen zu werden. Hier werden besondere Konzert-, Studio- oder
Technikqualitäten individuell gefördert. Ein Sprachproblem
existiert eigentlich nur auf den ersten Blick. Jazz ist eine internationale
Angelegenheit und eher bestimmt vom Englischen, das heutzutage jeder
fließend beherrschen sollte.
Die Studieninhalte unterscheiden sich grob nicht speziell von den
deutschen. Allgemeine Musiklehre, Gehörbildung, Rhythmik, Harmonielehre,
Arrangement, Piano und die Unterrichte im Hauptfach entsprechen
denen, die es an deutschen Hochschulen auch gibt. Big Band-Projekte,
Combo-Unterricht und eine Vielzahl namhafter Gastdozenten runden
ein abwechslungsreiches Studium ab.
Herausragend im internationalen Austausch ist das Conservatorium
Amsterdam, das als einziges Jazz-Institut in Europa die Ausbildung
zum „International Master’s Degree in Jazz Performance“
in Zusammenarbeit mit der Universität Miami in den USA anbietet.
Das Rotterdam Conservatorium bietet neben den klassischen Jazz-Klassen
auch die Möglichkeit, World Music, indische Musik, Flamenco,
Argentinischen Tango oder türkische Musik zu studieren.
Im niederländischen Bildungssystem gibt es keine Stipendien.
Jeder Student muss Collegegebühren bezahlen. Als Deutscher
hat man da einen Vorteil: meist bekommt man mindestens 60 bis 100
Prozent der Gebühren wieder zurückerstattet. An der „Hogeschool
voor de kunsten“ in Utrecht bezahlt man beispielsweise 1.395
Euro pro Jahr, an der kleineren „Hanzehogeschool Groningen“
muss man nur mit 110 bis 360 Euro pro Jahr rechnen. Hilfe und Rückerstattung
laufen über die Einrichtung „Informatie Beheer Group“.