[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 29
52. Jahrgang | Februar
Deutscher
Tonkünstler Verband
Musikvermittlung auf drei Säulen
Konzerte für Kinder mit Monique Mead und dem Münchner
Rundfunkorchester
Dass sich der Konzert- und Opernbetrieb in Deutschland zur Zeit
in einer misslichen Lage befindet, kann man bereits als Gemeinplatz
bezeichnen. Kurz umrissen: Die Zahl der Konzertbesucher im klassischen
Bereich ist im Durchschnitt gesunken und wird unter anderem bei
weiterer pekuniärer Abschöpfung durch den Staat weiter
absinken. Auch das stark angestiegene Durchschnittsalter der Konzert-
und Opernbesucher kann man nicht so ohne weiteres mit Hinweis auf
die sich verändernde Altersstruktur unserer Bevölkerung
abtun. Sparzwang, Tarif- steigerungen, Missmanagement und Festhalten
an künstlerischem Individualismus sind einige von vielen weiteren
Schlagworten, welche die Misslichkeit der derzeitigen Situation
noch näher beleuchten.
Hinzu kommt die sachbezogene Auseinandersetzung mit unserem musikalischen
Kulturgut: Im Medienzeitalter ist alles speicherbar, dazu zeitlich
und örtlich de facto ungebunden abrufbar. Fernab der Wissensfilterung
vergangener Jahrhunderte gilt es daher, aus der steigenden Fülle
des Vorhandenen Wertvolles zu erkennen und zu vermitteln. Dass dies
in der Erziehung im Rahmen des Enkulturationsprozesses möglichst
frühzeitig und dabei altersgerecht erfolgen muss, ist eine
verständliche, lange schon existierende Forderung der Pädagogik.
Mit dem Ziel, Kinder auf neue Art an die klassische Musik heranzuführen
und für Konzerte und Live-Musik zu begeistern, hat daher die
amerikanische Geigerin Monique Mead unter der Bezeichnung „‚Sprachlos…‘
– Musik braucht keine Worte“ ein außergewöhnlich
durchdachtes Projekt entwickelt. Das Münchener Rundfunkorchester
(MRO) weitet dadurch im Zusammenwirken mit der Geigerin gleichzeitig
sein Konzept der Kinderkonzerte wesentlich aus und hat seinerseits
das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus
als Partner gewinnen können.
Als erstes und einziges Pilotprojekt außerhalb Münchens
wird „‚Sprachlos…‘ – Musik braucht
keine Worte“ von März bis Mai 2003 in Kempten (Allgäu)
in Zusammenarbeit der Staatlichen Schulämter in der Stadt Kempten
und im Landkreis Oberallgäu mit dem Tonkünstler-Regionalverband
Allgäu (Mitglied im Deutschen Tonkünstlerverband) durchgeführt.
Das pädagogische Konzept besteht aus drei Säulen, die
miteinander auf verschiedenen Ebenen verbunden sind: Lehrerfortbildungen,
Workshops und Konzerte. Angesprochen werden Grundschulkinder ab
acht Jahren und deren Eltern. Folgender Ablauf ist dabei vorgesehen:
Die Fortbildungsveranstaltungen für die teilnehmenden Lehrkräfte
finden im März ganztägig in München statt, wobei
die Verteilung auf drei Termine dafür sorgt, dass es in dieser
Zeit zu keinem Unterrichtsausfall kommt. Monique Mead bietet den
beteiligten Lehrkräften Hilfen für eine motivierende und
fächerübergreifende Vorbereitung der Kinderkonzerte. Zielgruppe
sind nicht nur Musiklehrkräfte, sondern auch Klassenlehrkräfte,
die Musik fachfremd unterrichten. Alle Lehrkräfte erhalten
Unterrichtsmaterialien und eine CD mit dem beabsichtigten Konzertprogramm.
Damit die konzeptionelle Verbindung gewährleistet wird, sind
die Fortbildungen nicht nur ein Teil des Projekts, sondern Voraussetzung
für die Teilnahme am Gesamtprojekt.
Während einer Schulwoche Anfang Mai werden die teilnehmenden
Schulklassen von Monique Mead und von eigens dafür geschulten
Mitgliedern des MRO besucht. Über die Inhalte dieser Schulworkshops
hinaus sollen die Kinder eine Beziehung zu „ihrem“ Musiker
aufbauen, den sie im Konzert wieder sehen werden. Gleichzeitig werden
die interaktiven Teile des Konzerts in der Klasse aktiv vorbereitet.
Übersichtliche Gruppengrößen sorgen für eine
intensive Arbeitsatmosphäre und den gewünschten persönlichen
Kontakt.
Die beiden abschließenden, etwa einstündigen Familienkonzerte
mit Monique Mead und dem Münchener Rundfunkorchester finden
im Stadttheater Kempten statt. Dazu werden die Kinder mit ihren
Eltern und Lehrerinnen und Lehrern eingeladen.
Als Solistin und Moderatorin tritt Monique Mead auf. Zusätzlich
„moderiert“ der bekannte Pantomime Nemo. Das Konzertprogramm
bietet Ausschnitte aus Werken von L. Bernstein („Turkey Trot“),
J. Brahms (Ausschnitte aus dem 1. Satz der „Sinfonie Nr. 4“),
Ch. Ives („The Unanswered Question“), W. A. Mozart (Presto
aus der „Sinfonia Concertante“), G. Rossini („Katzenduett“),
S. Ochs (Variationen auf „...’s kommt ein Vogel geflogen“),
J. Horner („My heart will go on“ zum Mitspielen!), J.
Horner („Suite from Titanic“ für Orchester) und
L. Anderson („The Typewriter“).
In das Konzert, das vom Bayeri- schen Rundfunk aufgenommen wird,
werden die Kinder aktiv miteinbezogen. Außerdem beteiligt
sich inhaltlich auch die Kemptener Sing- und Musikschule. Während
des Konzerts können die Kinder an einem Preisrätsel teilnehmen,
das sich auf die Inhalte des Konzertes bezieht.
Das Interesse der Lehrkräfte hat sich als gewaltig erwiesen
und zeugt von der Einzigartigkeit dieses Projekts. Zur Informationsveranstaltung
liegen Meldungen von etwa 70 Lehrkräften aus dem Bereich der
Staatlichen Schulämter in der Stadt Kempten und im Landkreis
Oberallgäu vor. Der Deutsche Tonkünstlerverband ist auch
insofern eingebunden, als er in Frau Gisela Helm, der Vorsitzenden
des Regionalverbandes Allgäu, eine zielstrebige, engagierte
Initiatorin und Mitstreiterin für dieses Projekt gefunden hat,
der größter Dank und Anerkennung ausgesprochen werden
muss.
Angedacht ist bereits, dieses Projekt über den Lehrstuhl
für Musik/Musikpädagogik beziehungsweise das neu gegründete
Zentrum für Lehrerbildung der Universität Passau nach
Niederbayern zu bringen.