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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 26
52. Jahrgang | Februar
Jeunesses Musicales Deutschland
Die Interessen der Mitglieder ernst nehmen
Ein Aufruf zur Reform des Deutschen Musikrates der JMD und des
VDS
Die Krise des Deutschen Musikrates hat inzwischen weite Kreise
gezogen. Die Feuilletons der großen Tageszeitungen nehmen
davon ebenso Notiz wie Politiker aller Parteien und einzelne Persönlichkeiten
des Musiklebens. Merkwürdig still sind bisher die Mitglieder,
immerhin wichtige Protagonisten in der Frage zukünftiger Musikratsentwicklungen.
Jeunesses Musicales und der Verband Deutscher Schulmusiker haben
nun – im Vorfeld der Generalversammlung – eine Resolution
verfasst, die zur gegenwärtigen Situation, aber auch zu Strukturen
der Zukunft Stellung nimmt. Alle Mitglieder sind aufgefordert, sich
dieser Resolution anzuschließen.
Situation
Die unterzeichnenden Mitglieder des DMR sind alarmiert über
die Entwicklung beim derzeitigen Rettungsversuch ihres Verbandes.
Bislang gibt es immer noch keine verlässlichen Informationen
über
die tatsächliche finanzielle Situation.
die Intentionen einer Neustrukturierung.
erfolgte oder zu gewärtigende Personalentscheidungen.
Allein die fehlende Informationspolitik müssen die Gremien
und die Mitglieder der DMR als Entmündigung, ja Provokation
auffassen. Inzwischen entsteht aus dem finanziellen Scherbenhaufen
eine Vertrauenskrise, die den DMR ebenfalls massiv gefährdet.
Die unterzeichnenden Verbände verlangen Aufklärung besonders
in folgenden Punkten:
Warum werden die Mitglieder des DMR als dessen Träger
nicht kontinuierlich über die aktuelle Situation informiert?
Wie konnte der Generalversammlung des DMR noch am 24./25. Oktober
2002 ein Defizit von circa 450.000 Euro mitgeteilt werden, wenn
bereits nach gut sechs Wochen von circa 2 Mio. Euro die Rede ist?
Wie hoch ist die Schuldensumme wirklich?
Welches Ergebnis würde eine Prüfung der Zuwendungspraxis
der Geldgeber durch den Bundesrechnungshof erbringen?
Wieso wurde dem Generalsekretär des DMR – anscheinend
per E-Mail – fristlos gekündigt, nachdem ihm sowohl
von der Generalversammlung als auch von den Landesmusikräten
so nachdrücklich das Vertrauen ausgesprochen wurde?
Warum wurde das von der Generalversammlung gewählte Präsidium
des DMR nicht in die wesentlichen Entscheidungsprozesse des Insolvenzverfahrens
einbezogen?
Warum hat das Präsidium des DMR unter Berufung auf seine
fortgeltende Legitimation seine Mitsprache und die der Mitglieder
nicht entschlossener behauptet? Wir haben Respekt vor den Rücktritten,
mit denen einzelne Präsidiumsmitglieder den Rücktritt
des gesamten Präsidiums auslösten.
Perspektive
Die unterzeichnenden Mitglieder des DMR sind der Überzeugung,
dass alle Schritte und Maßnahmen zur Überwindung der
gegenwärtigen Krise — übrigens auch das Insolvenzverfahren
im engeren Sinn — von einer klaren Vorstellung darüber
geleitet werden sollten, was der DMR in fachlicher und fachpolitischer
Hinsicht verkörpern soll und leisten kann.
Der DMR ist die Interessengemeinschaft aller am Musikleben in
Deutschland aktiv beteiligten Gruppierungen. Er nimmt die Interessen
seiner Mitglieder ernst, stellt ein Forum des Interessenausgleichs
dar, formuliert gemeinsame Interessen und vertritt sie. Der DMR
fungiert als ein entscheidendes Organ des Interessen- und Aufgabenabgleichs
im föderalen Kulturstaat für den Erhalt der Musikkultur
in ihrer ganzen Breite.
Der DMR ist ein hocheffizientes Kompetenzzentrum. Er bündelt
Fachwissen seiner Mitglieder, initiiert Forschungs- und Dokumentationsarbeiten,
entwickelt Strategien und Modellprojekte, ist Informationsquelle
ebenso wie Berater und Gutachter für die Mitglieder und die
Politik.
Der DMR ist Träger musikkultureller Projekte auf Bundesebene
und im Bundesinteresse – insbesondere auch in internationalen
Beziehungen. Dabei werden diese Maßnahmen selbst zum Träger
übergreifender musikpolitischer Impulse des DMR und seiner
Öffentlichkeitsarbeit.
Der DMR ist Motor kultur- und bildungspolitischer Konzepte, innovativer
Formen der Musikvermittlung, er motiviert, fördert und kommuniziert
kreative Prozesse der Tradierung und Erneuerung des Musiklebens
in all seinen Bereichen und er investiert in Experimente.
Der DMR ist P a r t n e r von Politik, Wirtschaft, Presse und
anderen gesellschaftlichen Gruppierungen und regt verantwortungspartnerschaftliche
Zusammenarbeit an, um das Musikleben insgesamt als gesellschaftlichen
Katalysator zu etablieren.
Ein solches Leitbild und die aus ihm abzuleitenden Gestaltungen,
Strategien und Planungen bilden ebenso ganz entscheidend das „Betriebskapital“
und zählen zu dem „Kredit“, den der DMR in finanzieller,
momentan aber auch in ideeller Hinsicht für seine Gesundung
benötigt.
Forderungen An die Mitglieder:
Beweisen Sie in der aktuellen Situation Solidarität mit
jenen Personen im Deutschen Musikrat, die sich teilweise seit
Jahren um einen Musikrat mühen, der sowohl die einzelnen
musikkulturellen Impulse als auch die Lobby-Arbeit vorangebracht
hat!
Nehmen Sie Ihre Rechte als Mitglied bewusst, ja selbstbewusst
wahr!
Wehren Sie sich gegen ungerechtfertigte Einflussnahmen!
Fordern und führen Sie eine offene und konstruktive Diskussion.
Gestalten Sie die Zukunft des DMR aktiv mit!
Wählen Sie ein Präsidium, dessen Mitglieder für
Kompetenz und Erneuerung stehen und führen Sie als Mitglieder
den Dialog.
Machen Sie durch Ihr Engagement sichtbar, was der DMR sein kann.
Nutzen Sie die Krise des DMR als Chance, Ihrer – unserer!
– Organisation zum 50. Jubiläum neues Leben zu schenken.
An die (öffentlichen) Zuwendungsgeber:
Anerkennen Sie den DMR als vorbildliche außerstaatliche
Kraft der demokratischen Bürgergesellschaft und führen
Sie mit ihm auch in seiner Krise einen gleichberechtigten Dialog.
Stärken Sie den DMR als Partner von Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft, indem Sie ihm seine Autonomie und Selbstorganisation
als Grundlage ermöglichen.
Fordern und fördern Sie seine Reform politisch verantwortungsvoll,
indem Sie diesen Weg beratend, aber nicht gängelnd begleiten.
Schaffen Sie Vertrauen und Planungssicherheit durch vertragliche
Grundlagen.
Verzichten Sie auf formale Rückforderungen dort, wo nicht
Betrug, Bereicherung oder Veruntreuung vorliegen.
Überprüfen und reformieren Sie Ihre Zuwendungspraxis.
Gewähren Sie eine vertragliche Festbetragsfinanzierung, so
dass dem DMR eigene Einnahmen möglich werden, die zunächst
zur Schuldentilgung beitragen und später seine Gestaltungsräume
erweitern können.
Nutzen Sie den Fall DMR, um an diesem Beispiel verantwortungsvoll
und überzeugend eine staatliche Politik des „Empowerment“
demokratisch-bürgerschaftlicher Strukturen zu entwickeln.
Schritte
Treten Sie unserer Resolution bei, um die Entschlossenheit
der Mitgliedsverbände zu manifestieren.
Fordern Sie eine klare Informationspolitik und setzen Sie sich
mit der Materie, zum Beispiel mit der Satzungsfrage, kritisch
auseinander.
Nutzen Sie die Diskussionsmöglichkeiten im „Kulturinformationszentrum“
auf www.nmz.de und weitere Angebote im Vorfeld der außerordentlichen
Generalversammlung.
Stimmen Sie vorgeschlagenen Satzungsänderungen nicht pauschal
zu, sondern fordern Sie, dass jede Änderung eines Einzelantrags
bedarf.
Unterstützen Sie die Forderung auf eine formale Rehabilitierung
des entlassenen Generalsekretärs Thomas Rietschel.
Fordern Sie effizientere Formen der Mitgestaltung eines neuen
DMR und beteiligen Sie sich aktiv am Zukunftsprozess.
Weikersheim und Mainz im Januar 2003
Prof. Martin-Christoph Redel
Jeunesses Musicales Deutschland
Prof. Dr. Hans Bäßler
Verband Deutscher Schulmusiker