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Ausgabe 2003/02
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nmz 2003/02 | Seite 10
52. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik

Es gehört zum Geschäft, sich die Finger zu verbrennen

Interview mit Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, zur Lage des Deutschen Musikrates

Noch nie war der Deutsche Musikrat so präsent in den Medien wie in den vergangenen Wochen und Monaten. Leider! Denn diese Popularität ist nicht die Auswirkung einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit, sondern Folge der Insolvenz des Verbandes. Im 50. Jahr seines Bestehens scheint der Deutsche Musikrat, Vorbild für viele andere, später gegründete Kulturverbände, am Ende zu sein. Für die neue musikzeitung sprach Redaktionsleiter Andreas Kolb mit Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, über die Probleme und Chancen die in einer Neugründung des Musikrates liegen.

neue musikzeitung: Wie konnte das passieren, dass der Musikrat vom Musterkind zum Sorgenkind geworden ist?

Olaf Zimmermann.
Foto: Hufner

Olaf Zimmermann: Der Deutsche Musikrat hat schon eine erstaunliche Geschichte: 50 Jahre Vertretung der Musiklandschaft in Deutschland. Er ist nicht nur für den Deutschen Kulturrat ein Vorbild gewesen, er ist letzt- endlich für alle künstlerischen Sektionen im Deutschen Kulturrat das positive Beispiel gewesen, weil er so organisiert war, dass er wirklich für seine Mitglieder viel leisten konnte. Er konnte so herausragende Projekte und Nachwuchsförderungsstrukturen wie “Jugend musiziert“ kreieren, aber auch den Chor- oder den Orchesterwettbewerb – da haben die anderen kulturellen Bereiche immer ein wenig neidvoll drauf geschaut. Deswegen ist ja auch das Erstaunen um so größer, dass gerade der Deutscher Musikrat jetzt in eine solche fundamentale Krise gekommen ist.

nmz: Es gibt verschiedene Mitspieler, die versuchen, das sinkende Schiff mit verschiedenen Lösungsmodellen zu retten: die Kulturministerin, der Insolvenzverwalter und ein ehemaliges Präsidium etwa. Staatsminsterin Christina Weiß will jetzt die Notbremse ziehen und sagt, dass derjenige, der zahle – und sie gehört ja zu den Hauptzuwendungsgebern – auch mitregieren dürfen müsse.

Zimmermann: Das ist vielleicht jetzt für den Deutschen Musikrat die größte Gefahr. Es ist unbestritten, dass man öffentliche Mittel, die man erhält, ordentlich im Sinne der Bundeshaushaltsordnung abrechnen muss. Und es gibt eine ganze Menge Kontrollmöglichkeiten, die die Behörden haben – es werden Verwendungsnachweise geprüft, es gibt das Bundesverwaltungsamt, es gibt den Bundesrechnungshof – es gibt also sehr viele sehr scharfe Schwerter, mit denen der Staat eine Dritte-Sektor-Organisation wie den Deutschen Musikrat im Zaum halten kann. Das hat er in der Vergangenheit nur unzureichend getan. Jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, sagt der Staat nun, er will nicht nur die normalen Kontrollmechanismen wirkungsvoll einsetzen, sondern er sagt, damit das in Zukunft nicht mehr passiert, will er das Sagen im Deutschen Musikrat haben. Ich glaube diese Gefahr geht weit über den Deutschen Musikrat hinaus: Sollte es wirklich dazu kommen, dass der Staat sich in den politischen Entscheidungsgremien des Deutschen Musikrates einmischt, egal ob er nun dort eine Minderheits- oder eine Mehrheitsstimme im Präsidium hätte. Das wäre der Sündenfall, der letztendlich Auswirkungen auf den gesamten Kulturbereich hat. Der Staat darf nicht das Sagen im Deutschen Musikrat bekommen. Es ist unbestritten, dass effektive Kontrollmechanismen eingebaut werden müssen, die auch rigoros angewandt werden müssen, aber über die Entscheidungen in musikpolitischer Hinsicht dürfen nur die Verbände selbst entscheiden.

nmz: Ist es nicht so, dass die Kulturstaatsministerin eine Kehrtwendung gemacht hat? Als Julian Nida-Rümelin noch im Amt war, wurde in diversen Gremien und Kommissionen einiges für die Ausgestaltung einer funktionierenden Zivilgesellschaft getan. Warum jetzt diese Kehrtwende in der Kulturpolitik der Regierung?

Zimmermann: Es ist zumindest ein ganz erstaunlicher Punkt, der sich dort zeigt. Mit dem was in der letzten Legislaturperiode zur Stärkung der Zivilgesellschaft diskutiert worden ist, hat das Verhalten des Staats jetzt nichts zu tun. Ich erinnere daran, dass die Enquete-Komission „Zukunft des bürgerlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages weitreichende Vorschläge zur Stärkung der Zivilgesellschaft vorgelegt hat, der die Bundesregierung zugestimmt hat. Es ist bemerkenswert, wie schnell diese hehren Ziele über Bord geworfen werden, sobald so eine Organisation ins Trudeln gekommen ist, und natürlich schwach ist und somit auch keinen Widerstand leisten kann.

nmz: Es sieht so aus, dass mit dem Modell des Insolvenzverwalters Westrick die Projekte gerettet werden können. Es soll ein Geschäftsführer-Triumvirat geben, aber keinen politisch und lobbyistisch aktiven Generalsekretär mehr. Ist die Zukunft des Deutschen Musikrates eine entpolitisierte?

Zimmermann: Wenn die Zukunft des Musikrates ein entpolitisierter Musikrat sein soll, dann brauchen wir keinen Musikrat. Man braucht einen Musikrat, weil er die politische Stimme der gesamten Musikszene in Deutschland ist. Das heißt man muss einen Weg finden, wie man die Projekte des Musikrates in einer vernünftigen, dauerhaften Form, ohne dass man in finanzielle Kalamitäten kommt, führt. Man muss aber genauso einen Weg finden, wie man den Deutschen Musikrat als Sprachrohr der Musik in der Zukunft auf feste Füße stellt. Aber im Moment entwickelt sich im Musikleben eine Art Dolchstoßlegende: Nicht der Musikrat hat Probleme, sondern der Insolvenzverwalter Westrick ist das Problem. Man muss endlich zu Kenntnis nehmen, dass es im Deutschen Musikrat solche erheblichen Unregelmäßigkeiten gab, dass der Verein sich im Insolvenzverfahren befindet. Das Problem ist nicht der Insolvenzverwalter, wir sollten aufpassen, dass wir uns da nicht selbst Sand in die Augen streuen, das Problem ist, dass der Musikrat einen Insolvenzverwalter braucht. Der Insolvenzverwalter ist eine Struktur, die im Deutschen Musikrat hoffentlich nur eine kurze Zeit herrschen wird. So schnell wie möglich müssen die Verbände selbst wieder die Herrschaft über den Musikrat übernehmen.

nmz: Das Präsidium ist jetzt komplett zurückgetreten. War das richtig?

Zimmermann: Ich habe den Rücktritt des gesamten Präsidiums für einen Fehler gehalten, weil es damit auch die politischen Einflussmöglichkeiten als Präsidium aus der Hand gegeben hat. Ich glaube, dass es andere Wege gegeben hätte, die politische Verantwortung zu übernehmen, ich glaube auch nicht, dass alle die politische Verantwortung hätten übernehmen müssen. Nicht das gesamte Präsidium hat Fehler begangen, sondern wenn überhaupt, dann sind es Einzelne gewesen, aber mit Sicherheit nicht die Mehrzahl der Präsidiumsmitglieder. Wir haben ja jetzt die verrückte Situation, dass es nur noch ein legitimiertes Organ der Vertretung der Musikverbände auf der Bundesebene gibt. Das sind die zwei Sprecher der Sektion Musik im Deutschen Kulturrat, die vom Präsidium des Deutschen Musikrates gewählt wurden. Das heißt, diese beiden Personen sind zur Zeit die einzigen legitimierten Vertreter. Ich bin sehr froh, dass es diese beiden noch gibt, aber ich wäre noch viel froher, wenn es ein funktionierendes Präsidium geben würde. Gerade in der jetzigen Zeit, in der der Staat Einfluss nehmen möchte, kommt es darauf an, Widerstand zu leisten und dazu braucht man demokratisch legitimierte Gremien.

nmz: Der entlassene Generalsekretär Thomas Rietschel war der erste, der die Situation analysiert hat und versucht hat, sie nachhaltig zu ändern. Und genau dem, der Abhilfe schaffen will, kündigt man. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass da kein System dahinter steckt.

Zimmermann: Seit dem Weggang von Andreas Eckhard hat sich der Musikrat zu einer Karrierevernichtungseinrichtung für Generalsekretäre entwickelt. Das ging nicht nur Thomas Rietschel so, der absolut unschuldig an der Situation war, der den Schritt nach vorne getan hat und das erste Opfer des Insolvenzverfahrens geworden ist. Das ging auch seiner Vorgängerin, Marlene Wartenberg so – auch sie hat durch die Tätigkeit beim Musikrat nicht gewonnen sondern verloren. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Musikrates noch ihren Job verlieren werden. Es wird nicht alles so bleiben, wie es bisher gewesen ist, hier werden persönliche Existenzen gefährdet, wenn nicht vernichtet. Die Entlassung von Thomas Rietschel ist das deutlichste Signal dafür, dass der Überbringer der schlechten Nachricht fast immer selbst geköpft wird. Nach dem Insolvenzrecht ist der Insolvenzverwalter Herr des gesamten Verfahrens und die Spitze des Deutschen Musikrates und das ist der Grund, warum er sich der bis dahin bestehenden Spitze, dem Hauptamtlichen Generalsekretärs entledigt hat. In der Logik des Insolvenzverfahrens musste der Generalsekretär das erste Opfer sein. Die Hauptaufgabe muss jetzt sein, den Musikrat wieder zu einem handlungsfähigen Verband mit einer politisch legitimierten Führung zu machen. Und diese Führung kann dann, wenn sie dies möchte, Thomas Rietschel als Generalsekretär oder Hauptgeschäftsführer wieder anstellen.

nmz: Wie sieht ihre Vision für den „neuen“ Musikrat aus?

Zimmermann: Erst einmal muss im Vorfeld etwas geschehen: Die Sprecher des Musikbereiches im Deutschen Kulturrat haben den Deutschen Kulturrat beauftragt, eine Moderationsrolle zu übernehmen. Es wird in den nächsten Wochen in Berlin Treffen geben, wo es darum geht wie die Verbände das Zepter im Musikrat wieder selbst in die Hand bekommen. Das was Herr Westrick als Insolvenzverwalter vorschlägt, ist kein Gottesgebot. Wenn es einen vernünftigen Gegenvorschlag gibt, wenn es vernünftige Änderungsvorschläge aus dem Verbandsbereich gibt, die auf der Generalversammlung eine Mehrheit finden, dann wird selbstverständlich auch Herr Westrick und auch die Kulturstaatsministerin sich diesen neuen Vorschlägen nicht verweigern können, weil sie nämlich dann aus der Mitgliederschaft demokratisch zustande gekommen sind. Das Problem ist doch bisher, dass es außer den Vorschlägen von Herrn Westrick und dem Wunsch des Staates nach mehr Einflussnahme gar keine politische Position gibt. Das heißt, man kann es diesen Strukturen nicht übelnehmen, dass sie so weit gehen, wie sie gehen können, wenn ihnen kein deutlicher Widerstand entgegengebracht wird. Das heißt: wenn alle Mitgliedsverbände Angst haben, sich die Finger zu verbrennen, dann wird der Deutsche Musikrat erst an einen Insolvenzverwalter übergeben und dann an den Staat. Dann ist das eben auch ein politischer Wille und ich kann nicht glauben, dass man das wirklich will. Deswegen kann ich nur alle dazu aufrufen, sich die Finger zu verbrennen. Das gehört einfach dazu.

 

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