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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 30
52. Jahrgang | Februar
Landesmusikräte
Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen
Finale ROCK IT NRW 2002 vor großer Kulisse
Erster Preis für Soda Maker aus Dinslaken
Ein Kontrastprogramm zu „Oh du fröhliche...“ bot
das Finale des Rockmusik-Wettbewerbs ROCK IT NRW 2002 am 6. Dezember
im TOR 3 in Düsseldorf. Knapp 1.000 Fans waren gekommen um
zu erleben, wozu die besten sechs jungen Rockbands des Landes Nordrhein-Westfalen
fähig sind. Es handelte sich um die Sieger zweier vorangegangener
Auswahlverfahren: Zunächst Bewertung nach Tonträgereinsendung,
dann Live-Auftritte in insgesamt drei Semifinals. Und entsprechend
„fett” ging es auch zur Sache.
Permanent Vacation aus Borken legten punkig-lebendig los. Die Songs
waren frech und wurden mit immensem physischen Eifer rübergebracht.
Die Jungs aus dem Westmünsterland überzeugten durch frischen
Sound und druckvolle Rhythmusarbeit. Der zweite Contester war die
Gruppe Nevermind aus Leverkusen. Mächtige Hardcore Sounds,
kombiniert mit HipHop- und Rap-Elementen ließen keinen Zweifel
daran aufkommen, dass die sechs Jungs es mit ihrer Musik ernst nehmen.
Hieran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass die Jugendlichen
durch eine Autopanne nur mit Ach und Krach den Soundcheck-Termin
hatten halten können.
Danach nutzte die Metal-Band Neverless (Namensähnlichkeit
zur Vorgängerband zufällig) aus Essen die von der Wettbewerbsleitung
zugewiesene Auftrittszeit auf der großen Bühne von TOR
3 auf eindrucksvolle Weise: Besonders auffallend war die klare,
dunkle und manchmal ausdrucksvoll-rauhe Stimme des Leadsängers,
der bewies, dass auch „Schwere Jungs“ gefühlvolle
Balladen darbringen können. Reggae, Latin, Funk sind die Stilelemente
der Eifel-Band Qball. Wie ein Flummi hüpfte der Rasta-belockte
Leadsänger über die Bühne und brachte die Menge ins
Schwitzen, da die Musik in die Beine ging. Viel intimer war dagegen
die Musik des Trios Child aus Mönchengladbach, das seine Musik
vielsagend als „Female Rock“ beschreibt. Die Sängerin
und Gitarristin Simone Kußmaul ist das Kernelement der Gruppe,
unterstützt durch (männlichen) Bass und ebensolches Schlagzeug.
Child wirkte auf der großen Bühne fast etwas verloren,
ist die Musik doch vielmehr geeignet, in kleineren Clubs ihr Publikum
zu finden. Die Jury sollte dies aber nicht stören. Den Abschluss
bildete Soda Maker aus Dinslaken, die ihre Fans (leicht erkennbar
an den „Liverpooler“ Pilzkopf-Frisuren ihrer jungen
Idole) gleich in Reisebussen nach Düsseldorf gelotst hatten.
Entsprechend britisch ging es zu: Brit Pop vom Feinsten, mehrstimmiger
melodiöser Gesang zu präzisen und sehr transparenten Gitarren,
Schlagzeug und schon anachronistischer aber hier passender Hammond-Orgel.
Gegen halb zwei Uhr morgens konnte Michael Bender vom veranstaltenden
Landesmusikrat NRW – der Wettbewerb ist ein Förderprojekt
des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und
Sport NRW – die Sieger und Preise verkünden. Vergeben
wurde ein erster Preis in Höhe von 2.000 Euro an Soda Maker,
zwei zweite Preise in Höhe von je 500 Euro und je neun vom
Veranstalter finanzierte Studiotage an Child und Qball und drei
dritte Preise in Höhe von je 300 Euro an Neverless, Nevermind
und Permanent Vacation. Christian Wagner, der vom WDR in die Jury
entsandt worden war, verkündete, dass er die Absicht habe,
Soda Maker im Rahmen eines Rockpalast-Konzerts auftreten zu lassen.
Eingerahmt wurden die Beiträge der sechs Finalisten durch die
Musik der Gruppe Funghi Faces aus Duisburg, die sich als Sieger
des ROCK IT Internet Awards über einen Preis in Höhe von
500 Euro freuen durften. Sachpreise der Firma Music Store Köln
sollen nicht unerwähnt bleiben. Und so hieß es sehr spät
in der Nacht, für viele jugendliche Rocker doch noch „Oh,
du fröhliche…!
M. Bender
Sport und Musik für Senioren
Bereits in der letzten Ausgabe haben wir auf den erfolgreichen
Abschluss der Veranstaltungsreihe „Sport und Musik –
Bewegung inTakt“ des LMR und des LSB mit der Fachtagung in
Remscheid vom 22. bis 24. November hingewiesen. In diversen Workshops
stand die Verknüpfung von Sport und Musik und deren Verankerung
in der Vereins- und Musikschularbeit im Vordergrund. Im Laufe verschiedener
Arbeitsphasen sammelten die Teilnehmer vielfältige Ideen zur
Entwicklung von Kooperationsmodellen für eine Vernetzung. Die
Leitung der Workshop-Angebote wurde gemäß der Grundidee
jeweils von zwei Dozenten – einem aus dem Musik- und einem
aus dem Sportbereich – übernommen.
Während man bei den Zielgruppen „Kinder“, „Jugendliche/Erwachsene“
und „Behinderte“ keine Probleme hatte, geeignete Lehrkräfte
zu finden, stellte sich bei den “Senioren” leider ein
deutlicher Mangel an Musikdozenten heraus, da musikalische Angebote
für Senioren kaum existieren. Für den Sport, wo es besser
ausgebaute Angebote für die Älteren gibt, war mit Marianne
Eisenburger schnell eine kompetente Fachfrau gefunden. Für
die Musik konnte schließlich Anita Brunberg vom Landesverband
Seniorentanz NRW gewonnen werden.
„Bewegung ist Leben – Leben ist Bewegung“ –
dies wurde eine der Kernthesen des Workshops. Unser Fühlen,
Denken und Empfinden hängt ganz stark von unseren Bewegungserfahrungen
ab. Wir brauchen Bewegung, um die Welt zu erkunden und um Erkenntnisse
zu gewinnen. Ohne Bewegung ist die Kommunikation und soziale Nähe
stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Dass sich
die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gegenseitig
bedingen, gilt selbstverständlich für jeden Lebensabschnitt
eines Menschen; es ist aber gerade im Alter bei nachlassender körperlicher
Energie besonders wichtig, in Bewegung zu bleiben.
Hier zeigte sich, dass gerade die Verbindung von Sport und Musik
ein gutes Potential für diese Zielsetzung bietet. Der natürlichen
Veranlagung des Menschen entspricht es, sich unwillkürlich
zu Musik zu bewegen. Die Dozentinnen stellten in diesem Zusammenhang
verschiedene Tänze oder Bewegungsübungen nach Musik vor.
Zur weiteren Verknüpfung der Bereiche Sport und Musik regten
die Workshop-Teilnehmer eine verbesserte Ausbildung in dieser Hinsicht
an. So könnte der Bewegungsaspekt in der Musikausbildung stärker
berücksichtigt werden; aber auch im Sport wäre es möglich,
mit musikalischen Grundkenntnissen Bewegungsabläufe bewusster
zu machen. Darüber hinaus wurden ganz konkrete Kooperationsmodelle
entworfen. Eine Dokumentation der gesamten Fachtagung ist beim Landesmusikrat
NRW erhältlich.
Bayerischer Musikrat
Dem aktuellen Musikschaffen verpflichtet
Editorial von BMR-Präsidiumsmitglied Elke Tober-Vogt
„Eine dringende Notwendigkeit in heutiger Zeit ist die Aufgabe,
eine Brücke zu bauen zwischen traditioneller und sogenannter
‚moderner’ Musik, um diejenigen, die am Vertrauten hängen,
nicht zu arg vor den Kopf zu stoßen und gleichzeitig die Progressiven
zu befriedigen.”
Dieser Satz des Komponisten Klaus Sonnenburg umschreibt die Situation,
in der sich Komponisten unserer Zeit mit ihrer Musik befinden. Der
Publikumsgeschmack orientiert sich an Vertrautem, an Vergangenem;
der Kommerz gibt diesem nach. Wie aber soll neu geschaffene Musik
bekannt und vertraut werden, wenn sie kaum Chancen hat, außerhalb
von den einer kleinen Fan-Gemeinde vorbehaltenen Festivals aufgeführt,
außerhalb von unfreundlichen Sendezeiten gehört oder
außerhalb von regionalabhängigen Nischenkonzerten ein
zweites Mal gespielt zu werden?
Die Förderung der zeitgenössischen Musik und deren Weiterentwicklung
war und ist ein Schwerpunkt meiner langjährigen Arbeit, sei
es im Beruf oder im Ehrenamt. In fast 20-jähriger Tätigkeit
als Leiterin des Bayerischen LandesJugendZupfOrchesters (1983 bis
98) beziehungsweise -erwachsenenorchesters (1997 bis 2001) durfte
ich, teilweise in enger Zusammenarbeit mit den Komponisten, zahlreiche
zeitgenössische Werke einstudieren und etliche auch zur Uraufführung
bringen, viele davon von bayerischen Komponisten (W. Hollfelder,
H. Benker, H. Baumann, R. Leistner-Mayer, G. Thim und anderen).
Ich hoffe sehr, dadurch vor allem in den aktiv beteiligten Jugendlichen
eine positive Grundeinstellung gegenüber zeitgenössischer
Musik geweckt zu haben. Als Musikverlegerin widmet sich mein Beruf
nahezu ausschließlich dem aktuellen Musikschaffen. Neben dem
„Alltagsgeschäft“ des Verlegens und Verbreitens
der Werke unserer zahlreichen, überwiegend bayerischen Komponisten
vergeben wir Kompositionsaufträge und veranstalten Kompositionswettbewerbe,
wie für Kammermusik oder für Soloinstrument und Orchester.
Als zweite stellvertretende Landesvorsitzende des Landesverband
Bayerischer Tonkünstler im DTKV setze ich mich neben der Interessenvertretung
für alle im Verband vertretenen Musikberufe auch besonders
für die bayerischen Komponisten ein.
Mit der derzeit in einer Projektgruppe des Bayerischen Musikrates
diskutierten und neu konzipierten CD-Reihe „Bayerische Komponisten“
kann sich jeder Musikinteressierte, der bereit ist, über den
Tellerrand des etablierten Konzertlebens hinauszuschauen, Informationen
über das aktuelle kompositorische Schaffen in Bayern ins Haus
holen.
Die geplante CD-Reihe bietet außerdem eine Fülle wertvollen
Materials für allgemein bildende Schulen, Berufsfachschulen,
Hochschulen, Musikschulen, Archive, Bibliotheken, Wissenschaftler
... Die ersten beiden CDs werden voraussichtlich Lehrer-Schüler-Linien
zum Thema haben (Kreise um Wilfried Hiller und Peter Kiesewetter).
Die Konzeption sieht derzeit die Veröffentlichung von 2-3 CDs
jährlich vor, sofern sich genügend Abonnenten –
oder Sponsoren – finden.
Als neues Präsidiumsmitglied des Bayerischen Musikrates unterstütze
ich deshalb – neben allen musikpolitischen Anliegen und Notwendigkeiten
der heutigen Zeit – dieses mit Hilfe des Bayerischen Rundfunks
neu geplante und ehrgeizige Projekt des Musikrates, das Schaffen
möglichst vieler bayerischer Komponisten auf CDs verfügbar
zu machen.
Ein barockes Gesamtkunstwerk
Solisten und Chor der Bayerischen Singakademie mit Buxtehudes „Jüngstem
Gericht“
Das Dießener Marienmünster gab den eindrucksvollen
Rahmen ab für eine prächtige Aufführung des Oratoriums
„Das jüngste Gericht” von Dietrich Buxtehude (1637-1707)
durch die Bayerische Singakademie am 2. und 3. November 2002. Dem
Leiter der Singakademie Gerd Guglhör gebührt das Verdienst,
den Kantatenzyklus verstaubten Bibliotheksregalen entrissen und
eine Aufführung initiiert zu haben, die in ihrer Komplexität
und in ihrem Anspruch überregionale Bedeutung hatte.
Regisseur Georg Blüml, der seit einiger Zeit die jungen Sänger
der Singakademie in schauspielerischer Hinsicht hervorragend betreut,
entwickelte ein szenisch-theatralisches Konzept, das den gesamten
Kirchenraum mit einbezog. Bewusst wird im Regiekonzept am Prinzip
der Allegorie festgehalten, im Eingangsbild der ersten Vorstellung
ähneln die Figuren der drei Todsünden in ihren weißen,
engelsgleichen Kostümen den überlebensgroßen weißen
Heiligenfiguren des Dießener Altarraumes, der auferstandene
Jesus tritt auf, wie auf Votivbildern der Barockzeit zu sehen, die
statuarischen Bewegungen und die lange Zeit eingefrorenen Haltungen
der Darsteller unterstützen das Bildhafte der allegorischen
Darstellung. Hier haben Maske (Julia Schmidt, Franziska Molz) und
Kostümbildnerin (Nani Weixler) überzeugende Lösungen
gefunden.
Das Publikum wird durch den Chor und die Schauspieler, die ab und
an im gesamten Kirchenraum agieren, in aufrüttelnder Weise
einbezogen. Der Altar wird, überbaut mit einer schrägen
Rampe, zur Bühne, von der Kanzel spricht die „Stimme
Gottes“. Protestantische, pietistische Theologie wird in der
Ikonographie des Katholizismus’ dargestellt.
Eine ausgeklügelte Lichtregie, mit großem Aufwand in
der Kirche installiert (Maran Fesser) trägt das ihrige dazu
bei, alles buchstäblich ins rechte Licht zu rücken.
Das eigentliche Wunder dieser Aufführung ist aber das Zusammenwirken
von schauspielerischer und musikalischer Ausdruckskraft in Gestalt
der jungen und ganz jungen Mitglieder der Bayerischen Singakademie.
Der Chorklang ist völlig unangestrengt, locker, transparent
und absolut homogen. Die Solisten, die allesamt aus dem Chor kommen
und sich nach ihrem Soloauftritt dort wieder problemlos einreihen,
zeigen natürlicherweise noch unterschiedliche Qualitäten.
In der Spitze erlebt man aber fraglos schon professionelle Qualität.
Beson- ders hervorzuheben Larissa Neudert als „Böse Seele”,
mit beeindruckender schauspielerischer Präsenz und überzeugender
stimmlich-musikalischer Gestaltung einer Rolle, die ihr auf den
Leib geschneidert schien, Angelika Huber und Brigitte Bayer mit
weichen, obertonreichen Sopranstimmen in überzeugender Gestaltung
ihrer Gesangspartien als „Gute Seele”, sowie Lukas Schmid
mit sonorem Bass als „Göttliche Stimme”. Gerd Guglhör
schärfte in der Verbindung mit dem sehr guten Barockorchester
„Il Ponticello” alle Fassetten barocken Affekts in der
Musik Buxtehudes.
Besonders hervorzuheben auf instrumentaler Seite die agile Continuo-Gruppe
um den Dießener Münsterorganisten Franz Günthner
und den Cembalisten Johannes Weiß. Insge- samt darf diese
in allen Dingen beeindruckende Aufführung als Beweis dafür
gewertet werden, dass die Bayerische Singakademie auf dem richtigen
Wege ist.
Hier wird ausgesprochen sinnvoll und erfolgreich staatliche Förderung
eingesetzt. Hoffentlich kann in Zeiten zunehmender öffentlicher
Finanznot eine solche Institutionen weiter und womöglich noch
besser gefördert werden!