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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 6
52. Jahrgang | Februar
Musikwirtschaft
Midem feiert 100 Jahre GEMA
Auftaktveranstaltung auf der größten Fachmesse der
Musikwirtschaft
Die Ehrungen, Gastgeschenke und Aufmerksamkeiten, welche GEMA-Präsident
Reinhold Kreile in seiner bisherigen Amtszeit zuteil geworden sind,
dürften kaum mehr zählbar sein. Dieses Jahr, in dem die
größte Verwertungsgesellschaft der Welt den hundertsten
Geburtstag ihrer Gründung feiert, dürfte noch einmal ein
ganzer Schwung hinzukommen.
In Cannes war es eine goldene Palme, die Bürgermeister Bernard
Brochand in der ehrwürdigen Villa Domergue überreichte,
bevor er den Ort des Geschehens gleich wieder verließ, um
als Mitglied der Nationalversammlung Frankreichs, das er auch ist,
zum deutsch-französischen Parlamentariertreffen nach Versailles
zu eilen.
Zum Empfang und vornehmen Lunch gebeten hatten das Stadtoberhaupt
und die Veranstalter der alljährlichen internationalen Musikmesse
„Midem“ rund siebzig hochrangige Vertreter der deutschen
Musikwirtschaft, um der GEMA Respekt zu zollen: Respekt vor der
Vorbildfunktion, die diese Organisation für die effiziente
und wirksame Wahrnehmung, Kontrolle und Durchsetzung von Urheberrechten
in aller Welt genießt. Dass das gleich zum Auftakt des Geburtstagsjahres
am Rande der weltweit größten internationalen Fachmesse
für die Musikwirtschaft geschah, kommt nicht von ungefähr.
Wenn schon der Prophet im eigenen Lande – zumindest in Teilen
der veröffentlichten Meinung – nichts gilt oder allenfalls
wohlgelitten wird, im Ausland werden die Deutschen um ihre Musikverwertungsgesellschaft
beneidet. Selbst im größten Musikmarkt der Welt, den
USA, ist es im Alltag mit dem Schutz geistigen Eigentums nicht weit
her. Superstar Robbie Williams entrüstete in Cannes mit der
Bemerkung, er fände das illegale Runterladen von Musik aus
dem Internet „cool“, um dann noch hinzuzufügen,
sein neuestes Album habe sich bis Weihnachten „ganz gut“
verkauft, alle anderen Fans könnten es sich gerne „gratis
holen“.
Der Musikpiraterie den Kampf angesagt haben jedoch weite Teile
der Plattenindustrie, als deren wichtigstes öffentliches Forum
die Midem nach wie vor gilt. Vor allem die weltweit operierenden
Großkonzerne leiden unter dem auch auf das Downloaden und
Brennen zurückzuführenden Rückgang der CD-Verkäufe:
Zum dritten Mal in Folge brachen beispielsweise in Deutschland im
vergangenen Jahr die Absatzzahlen um rund zehn Prozent ein. Beileibe
nicht kostenlos, aber erheblich billiger wollen es daher manche
Plattenfirmen und Händler machen. 9,99 Euro sei ein Preis,
bei dem die Massen wieder zugreifen würden, glaubt Michael
Huchthausen, Vorsitzender der Vereinigung deutscher CD-Fachgeschäfte.
„Das würde gar nichts ändern“, meint dagegen
Gerd Gebhardt in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen
Phonoverbandes, zur Zeit herrsche eine „Kostenlosmentalität“.
Mehr Kreativität, mehr Mut durch staatlich verordnete Quoten
garantiert mehr neue und mehr nationale Produktionen im Rundfunk,
niedrigere Mehrwertsteuersätze, ein Musikexportbüro –
die bekannten Vorschläge, wie man der siechen Plattenindustrie
wieder auf die Beine helfen könnte, wurden in Cannes erneut
diskutiert. Ob sie helfen werden oder ob das Ende des Mediums CD
nicht doch unaufhaltsam ist, musste offen bleiben. Die GEMA jedenfalls
spürt die Rückgänge im Plattengeschäft, doch
ihre Erträge bleiben durch Zuwächse in anderen Musikverwertungsbereichen
einigermaßen stabil: Noch ein Indiz, dass die Krise der Plattenindustrie
keine Krise des Musikkonsums ist.
„Es war noch nie soviel Musik wie heute“, trotzte Musikverlagschef
Hartwig Masuch (BMG Ufa Musikverlage) der bitteren Prognose, dass
wohl auch dieses Jahr weitere 1.500 Arbeitsplätze in der CD-Branche
verloren gehen, viele Verkaufsstellen schließen müssen
und das Angebot samt Kundenservice weiter schrumpft. „Die
Krankheit als Chance begreifen“, stemmte sich auch Peter James
vom Verband unabhängiger Tonträgerhersteller gegen den
Trend.
Aber vielleicht wollen die Menschen ja auch wieder mehr Live-Musikerlebnisse?
Auch davon gab es auf der diesjährigen Midem einige –
und alle gut besucht.