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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 48
52. Jahrgang | Februar
Nachschlag
Sinnkrise
Christina Weiss, die neue Staatsministerin für Kultur und
Medien, brachte es im Gespräch mit Bundespräsident Johannes
Rau auf den Punkt. Die Frage, wie künftig die öffentlichen
Theater und Orchester zu finanzieren seien, meinte sie, sei nichts
anderes als ein Teil der generellen Frage nach der künftigen
Finanzierung des öffentlichen Dienstes in Deutschland. Auch
wenn die Theaterfinanzierung mit gerade mal 0,2 Prozent der Gesamtausgaben
der öffentlichen Hände ein winzig kleiner Teil der Frage
sei, begrüße sie es sehr, dass „das Theater“
nach eigenen Antworten suche.
„Das Theater“ hatte zu suchen begonnen. Eine vom Bundespräsidenten
eingesetzte Expertengruppe, bestehend aus Musiktheater- und Schauspielintendanten,
Vertretern der Gewerkschaften und des Deutschen Bühnenvereins,
Arbeitsrechtlern und Kulturpolitikern aus Bund, Ländern und
Kommunen hatte in anderthalbjähriger Arbeit „Überlegungen
zur Zukunft von Oper und Theater in Deutschland“ zu Papier
gebracht und diese in Form eines „Zwischenberichts“
am 11. Dezember 2002 Johannes Rau übergeben.
Eine Sinnkrise, keine Theaterkrise, sondern die Finanzkrise der
öffentlichen Hän de, vor allem der Kommunen habe die Arbeit
der Expertengruppe bestimmt, sagte Stuttgarts Opernintendant Klaus
Zehelein bei der Übergabe des Zwischenberichts, der, so der
Bundespräsident, eine breite Diskussion anstoßen soll:
„Wir müssen uns als Gesellschaft darüber im Klaren
werden, welche Zukunft wir Oper und Theater in Deutschland geben
wollen. Wir müssen ein gesellschaftliches Bündnis zur
Sicherung dieses großen kulturellen Erbes erreichen. Es geht
um nichts Geringeres als um unser Selbstverständnis als Kulturnation.“
Der Zwischenbericht gibt eine Bestandsaufnahme und setzt mit Lösungsvorschlägen
an zwei Stellen an. Kulturförderung solle zur Pflichtaufgabe
der Länder und Gemeinden gemacht werden: „Kultur als
– gesetzlich normierte – Pflichtaufgabe der Länder
und Gemeinden würde sie mit anderen politischen Aufgaben gleichstellen.“
Gleichzeitig müssten die Theater zu modernen Betrieben werden,
wobei sich Fragen nach Organisationsstruktur und Rechtsform, arbeits-
und tarifrechtlichen Rahmenbedingungen, Programmauftrag und Publikumsakzeptanz
stellen.
Folgerichtig besteht der „Ausblick“ auf die weitere
Arbeit am Bericht aus einem Katalog von zehn Fragen, deren wichtigste
lauten: Wie könnte eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern
und Gemeinden zur Sicherung der öffentlichen Kulturfinanzierung
in Deutschland aussehen? Welche Maßnahmen sind erforderlich,
damit die Theater in der Lage sind, die öffentlichen Mittel
noch effektiver einzusetzen? Wie können bestehende Tarifstrukturen
theaterspezifisch weiterentwickelt werden? Was müssen die Theater
tun, um mehr Publikum zu errei- chen und so ihre Produktionen besser
auszulasten? Welche politischen, vor allem bildungspolitischen Initiativen
sind erforderlich, damit Kunst und Kultur wieder eine stärkere
Rolle in der Gesellschaft spielen? Was können dazu die Medien
beitragen?
Der Anstoß des Bundespräsidenten, einen Bericht zur
Lage der Theaternation
Deutschland erarbeiten zu lassen und ein breites, diskursives Bündnis
für das Theater zu schmieden, verdient Dank und Hochachtung.
Im Sommer will er von den Experten mehr, vielleicht auch schon mehr
Antworten als Fragen hören.
Auf den erhofften Beitrag der Medien wird man jedoch auch im Sommer
vergeblich warten müssen. Deprimierend dürftig war die
Berichterstattung über die Veranstaltung im Schloss Bellevue
in Berlin. Ist die Zeit für „Runde Tische“ und
Expertenberatungen vorbei, wie Jürgen Schitthelm, Vorsitzender
des Landesverbandes Berlin des Bühnenvereins, kritisch anmerkte?
Oder hätte das Bundespräsidialamt Verona Feldbusch und
Christoph Schlingensief zur Übergabe des Berichtes verpflichten
sollen?