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nmz-archiv
nmz 2003/02 | Seite 31
52. Jahrgang | Februar
ver.die
Fachgruppe Musik
Kommentar
Lektion gelernt?
„Jeder bekommt was er verdient“, sagt ein altes Sprichwort
aus der Zeit, „als das Wünschen noch geholfen hat“.
Weder ist letzteres für eine zukunftsfähige Struktur des
Deutschen Musikrates ein probates Mittel, noch stimmt Satz 1. Die
Welt, komplex wie sie geworden ist, lässt sich nur noch begrenzt
mit alten Volksweisheiten und Bauernregeln beurteilen.
Es ist zum Verzweifeln. Diejenigen, die am wenigsten mit den Versäumnissen
der Vergangenheit zu tun haben trifft es aufgrund der verfahrenen
Lage am ungerechtesten. So wie kurz vor Weihnachten den neuen und
jetzt Ex-Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Thomas Rietschel.
Zeitgemäß mit den Prinzen kommentiert „kriegt er
´nen Arschtritt als Dankeschön“. Die Begründung
für seine fristlose Kündigung, zumindest so weit sie öffentlich
wurde, ist mehr als fadenscheinig. Wem stand er im Weg? Wem haben
seine Konzepte und Vorstellungen über einen reformierten, eigenständigen
Musikrat nicht gefallen? Die Präsidiumsmitglieder, die aus
Protest gegen seine Entlassung zurückgetreten sind, können
es wohl nicht gewesen sein.
Aus dem Büro des Insolvenzverwalters, der wegen seiner Aufgabe
nicht gerade zu beneiden ist, sind keine validen Auskünfte
zu bekommen. Stand betriebswirtschaftliches Denken gegen verbandspolitisches
Denken? Verfolgen die Hauptschuldner des Deutschen Musikrates andere
Pläne? Es gibt deutliche Anzeigen dafür, dass die auch
direkte Einflussnahme im Vergleich zur Vergangenheit vergrößert
werden soll. Die Versäumnisse ehemaliger Präsidien und
Generalsekretäre sowie Geschäftsführer sind nicht
hinwegzudiskutieren. Allerdings auch nicht jene der Geldgeber. Veränderte
und kontrollierte Vergabestrukturen sind zweifellos notwendig. Die
Mehrzahl der Projekte allerdings auch. Sie haben die Attraktivität
des Deutschen Musikrates in der Vergangenheit ausgemacht. Das Musikleben
nachhaltig positiv beeinflusst. Übrigens nicht nur die großen
Projekte und Unternehmungen. Auch kleinere, nicht unbedingt massenwirksame
und -attraktive. Diese sind anscheinend aktuell am meisten gefährdet.
Fallen durch den Sanierungsrost.
Gefährdet ist aber auch eine weitgehend eigenständige,
vom Geldgeber in ihren Organisations- und Entscheidungsstrukturen
unabhängige Verbandsstruktur des deutschen Musiklebens. Versäumnisse
und Fehler der Vergangenheit dürfen nicht dazu dienen, einen
Rumpfmusikrat am öffentlichen Tropf zu generieren. Eine zukunftsfähige
Struktur kann nicht verordnet werden. Weder von einem primär
betriebswirtschaftlich agierenden Sanierer noch von einem Geldgeber,
der anscheinend meint, durch überhöhte Gremien-Dominanz
die eigenen Versäumnisse der Vergangenheit vermeiden zu können.
Falsche Privatisierungsstrategien des Staates an anderer Stelle
sollten nicht durch verstärkte Dominanz dort konterkariert
werden wo es um freie Kulturausübung und –arbeit geht.
In einer demokratisch verfassten Gesellschaft liegt diese Aufgabe
in erster Linie bei den betroffenen Verbänden. Sie, so darf
man hoffen, haben inzwischen ihre Lektion gelernt. Die Generalversammlung
des Deutschen Musikrates muss ihrer neuen und bewährten Vertreter
für die zukünftige Leitung frei wählen können.
Wenn es im ersten Anlauf nicht gelingt, muss man noch ein wenig
üben. Soviel Zeit muss sein. Die Kräfte, die einen eigenständigen,
kompetenten und handlungsfähigen neuen Musikrat aufbauen wollen
verdienen eine Chance.