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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 44
52. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Spiderman muss diesmal warten
„young.euro.classic“ in diesem Jahr bereits zum
vierten Mal in Berlin
„Kino oder Klassik?“ Normalerweise ist diese Frage,
wenn sie sich jungen Leuten stellt, relativ schnell beantwortet.
Ein Abend
bei „Spiderman“ mit Popcorn und Cola scheint verlockender,
als Olivier Messiaens „Vergessenen Opfergaben“ zu lauschen.
Im Sommer aber ist alles ein bisschen anders, besonders zur Festivalzeit,
namentlich wenn es ums „young.euro.classic“ geht. Ins
Kino, denkt da mancher, kann man immer noch und vom Preis her macht
es kaum einen Unterschied, ob man sich ins Multiplex am Alex setzt
oder ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt geht: Alle Konzertkarten
kosten gerade mal 8,50 Euro.
Das Schleswig-Holstein
Musik Festival Orchester in der Besetzung von 2002
Foto: Kai Biener
Der konstante Eintrittspreis gehört zu den großen
Besonderheiten von „young.euro.classic“.
Möglich wird er, weil das Festival auch in diesem Jahr wieder zum großen
Teil durch private Sponsoren sowie mit Mitteln der Europäischen Kommission
und des Hauptstadtkulturfonds finanziert wird. Der niedrige Kartenpreis ist
nicht zuletzt auch ein Marketinginstrument, welches die Festivalleitung gezielt
einsetzt – jeder kann ihn akzeptieren, egal ob Student, Schüler
oder Erwachsener.
Schließlich ist das Konzerthaus Berlin selbst ja schon eine Attraktion
für viele. So wird es auch in diesem Jahr wieder ein Publikum vereinen,
wie es unterschiedlicher kaum sein kann. Die einen werden in Abendgarderobe
zum Konzert erscheinen. Die anderen kommen in Jeans und Pullover, um auch mal „ein
bisschen Mugge“ zu hören. Sie alle sind gleichermaßen eingeladen,
denn der Erfolg von „young.euro.classics“, so meint auch Kulturministerin
Dr. Christina Weis, wird daran zu messen sein, wie Kinder und Jugendliche zu
erreichen sind, die sich gewöhnlich nicht für sinfonische Musik interessieren.
Das sei, so Weiss, eine zentrale Frage für Orchester und Musikveranstalter,
die aufgefordert seien, sich bereits heute um ihr Publikum zu bemühen,
damit sie morgen nicht vor halbleeren Sälen auftreten müssten. Und
gerade hier kann „young.euro.classic“ mit einer Auslastung von
knapp 90 Prozent auf gute Ergebnisse zurückblicken.
Besuchern der vorangegangenen Festivals werden die Rituale noch
in guter Erinnerung sein: die allabendlich erklingende Festivalhymne „Salut au monde I“,
die Persönlichkeiten öffentlichen Lebens, die jeweils für ein
Konzert die Patenschaft übernehmen, das internationale Flair, das sich
im Konzerthaus am Gendarmenmarkt breit macht. In diesem Jahr werden rund 1.500
junge Musiker aus ganz Europa zu Gast in Berlin sein. In 14 Orchesterkonzerten
und drei „special nights“ mit moderner Kammermusik stellen sie
ihr Können unter Beweis und es wird nicht an Highlights fehlen. Vom international
besetzten Asian Youth Orchestra, das unter Leitung von Krzysztof Penderecki
neben Stücken des Komponisten mit Beethovens siebter Sinfonie aufwartet, über
die Junge Deutsche Philharmonie unter Lothar Zagrosek mit Werken von György
Ligeti, Mathias Pintscher und Robert Schumann, bis hin zu den erstmals teilnehmenden
Gästen aus Rumänien und Bulgarien auf deren Pulten unter anderem
die Noten für „Innenzeit I“ von Gabriel Iranyi liegen werden
wie auch die „Elegie“ von Todor Popow – beide Stücke
sind in deutscher Erstaufführung zu hören.
Der Blick auf das Festivalprogramm zeigt, dass die zeitgenössische Musik
zu einem zentralen Thema von „young. euro.classic“ geworden ist.
So sind elf Uraufführungen und sechs deutsche Erstaufführungen geplant.
Und so wie bereits beim vorigen Festival wurden auch in diesem Jahr wieder
Kompositionsaufträge durch die Festivalleitung erteilt. Dass die Verleihung
eines Komponistenpreises von einer Publikumsjury vorgenommen wird, ist charakteristisch
für den Anspruch des Festivals, Neue Musik und junges Publikum zueinander
zu bringen. Ein weiterer Höhepunkt wird zweifellos der Epilog des Festivals
am 31. August, bei dem das Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester Bachs
Konzert für zwei Violinen und Anton Bruckners siebte Sinfonie spielen
wird, dirigiert von Kurt Masur. Eine wesentliche Neuerung von „young.euro.classic“ wird
die Kooperation mit neuen Veranstaltungsorten sein, an denen Zusatzkonzerte,
so genannte „Satelliten“, organisiert werden. Ein solche Kooperation
hat für beide Seiten Vorteile. Zum einen minimieren sich die Kosten für
diese Konzerte. Gleichzeitig ergibt sich eine wunderbare Gelegenheit für
die Musiker, ein weiteres Konzert während ihres Festivalaufenthaltes zu
bestreiten.
Inzwischen gibt es schon viele Reaktionen auf diese Idee, zum
Beispiel vom Kloster Chorin oder aus Neubrandenburg mit seiner
schönen Konzertkirche.
Dort fand bereits im letzten Jahr eine solche Kooperation statt. Im Gespräch
ist man darüber hinaus mit Stuttgart. Es gibt auch schon Städte,
die sich für 2004 angemeldet haben, sogar aus der Schweiz wurde Interesse
signalisiert. Was allerdings aus dem fünften Festival „young. euro.classic“ wird,
steht zunächst mal in den Sternen. Vom privaten Sektor, so ist aus der
Festivalleitung zu hören, gebe es bereits konkrete Zusagen, ganz anders
als von öffentlicher Seite.