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nmz-news
nmz 2003/05 | Seite 2
52. Jahrgang | Mai
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können
Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht
werden.
Mister GEMA zum 90. Geburtstag Wer die Filmaufnahmen von der endlosen
Trümmerlandschaft
Berlins kurz nach Kriegsende kennt, kann sich vorstellen, von welchem
Optimismus ein 32-jähriger Stagma-Mitarbeiter, mit Namen Erich
Schulze, beseelt sein musste, der im Spätsommer 1945 die ausgedehnten
Ruinenfelder durchradelte, um in den zahlreichen Kellerbars oder
den wenigen intakt gebliebenen Tanzlokalen Aufführungslisten
von den Kapellen einzutreiben. Vereinzelt gab es inzwischen auch
wieder Konzerte zeitgenössischer Musik mit Werken, die zwölf
Jahre lang „unerwünscht” oder verboten waren.
Als Nichtmitglied der Nazipartei hätte Erich Schulze auch
Stadtrat von Wilmersdorf oder Steglitz werden können. Aber
er zog es vor, in dem von Bomben und Granaten zur Mondlandschaft
umgepflügten Berliner Stadtraum nach realen Musikklängen
zu forschen, um diese für ein Inkasso in alter Reichsmark
zu registrieren und so den Urhebern einen bescheidenen finanziellen
Neuanfang zu ermöglichen.
Es entstanden bald in beiden Teilen Deutschlands die heutigen Strukturen
der Bezirksdirektionen: Das an sich Unmögliche war schließlich
gelungen, die GEMA entstand neu aus den Ruinen, und der unerschrockene
junge Mann wurde von 1950 bis 1989 ihr Alleinvorstand, ohne Mitteldeutschland,
das allerdings wurde inzwischen von der staatlichen DDR-Inkassogesellschaft
AWA verwaltet. In den letzten neun Jahren seiner Amtszeit lernte
ich ihn durch meine Tätigkeit im GEMA-Aufsichtsrat näher
kennen. Dabei entdeckte ich bald, dass der auf internationalen
Podien vielfach Geehrte, mit Orden und Medaillen, akademischen,
weltlichen wie päpstlichen Titeln Geschmückte – bei
aller erkennbaren Freude über diese Ehrungen – ein Zeitgenosse
realistisch-menschlichen Denkens geblieben war. Er nahm sich der
Sorgen seiner über tausend Mitarbeiter ebenso an wie der Nöte
einzelner GEMA-Mitglieder, deren Gesamtzahl damals rund 25.000
betrug. Karl Heinz Wahren
Jutta Hipp
Mit weit geschwungenen Melodiebögen brachte sie in den fünfziger
Jahren eine romantische Note in den deutschen Cool-Jazz. Doch bereits 1959
gab Jutta Hipp, die als „Europas First Lady in Jazz“ galt, das
Klavierspiel auf. Zu hart waren die Bedingungen in ihrer neuen Heimat USA,
wo sie – trotz Leonard Feathers Fürsprache – nie richtig Fuß fassen
konnte. Nach einem halbjährlichen Engagement im „Hickory House“ und
einer Tournee durch die Südstaaten, wurde es still um sie. Zuletzt arbeitete
sie als Schneiderin und Textildesignerin auf Long Island, mit der Jazz-Szene
stets verbunden. In einem New Yorker Hospital ist sie jetzt am 7. April 2003
nach längerer Krankheit gestorben.
Schwarze klassische Musik
Zum Tod der amerikansichen Jazz-Sängerin Nina Simone
Die amerikanische Jazz-Sängerin Nina Simone verstarb im Alter
von 70 Jahren in Südfrankreich. Zu den bekanntesten Stücken
der schwarzen Sängerin gehörten „My Baby Just Cares
For Me“, das Ende der achtziger Jahre Spitzenplätze
in den europäischen Charts erreichte, aber auch die Gershwin-Interpretation „I
Love You, Porgy“ aus dem Musical „Porgy and Bess“.
Geboren wurde die Sängerin mit der rauchigen Stimme 1933 als
Eunice Waymon in den USA. Sie besuchte die berühmte Julliard
School of Music, um Konzertpianistin zu werden, wurde jedoch später
wegen ihrer Hautfarbe an einer weiterführenden Schule abgelehnt
und konnte deshalb ihre Ausbildung nicht beenden. Zeitlebens galt
Simone als Vorkämpferin für die Rechte der Schwarzen
in den USA. In den fünfziger Jahren nahm sie in vorderster
Reihe an zahlreichen Demonstrationen gegen Rassismus teil. Als
Martin Luther King ermordet wurde, widmete ihm die Sängerin
ein Lied: „Why, The King Of Love Is Dead“. Mehr noch
als von den pazifistischen Thesen Kings fühlte sich Simone
von radikalen Vertretern wie dem Moslemführer Louis Farrakhan
angezogen. 1998 trat sie als Ehrengast zum 80. Geburtstag Nelson
Mandelas auf. „Für die meisten Weißen ist Jazz
gleichbedeutend mit Schwarz, und Jazz bedeutet Schmutz. Aber das
ist nicht das, was ich mache“, sagte sie in einem ihrer letzten
Interviews. „Ich mache schwarze klassische Musik.“
Wolle Kriwanek
Am Ostersonntag verstarb völlig überraschend Wolle Kriwanek,
Mitbegründer und 1. Vorsitzender der Rockstiftung Baden-Württemberg
e.V. Der als „Schwabenrocker“ bekannt gewordene Sänger
wurde nur 53 Jahre alt. Zu seinen größten Hits zählten
Songs wie „Strossaboh“, „I fahr Daimler“ und „UFO“.
Seine langjährigen Erfahrungen als Musiker gab er im Rahmen
des Band-Coachings pop:forum-Bandpool oder bei Seminaren der Rockstiftung
an den Nachwuchs weiter. Udo Dahmen, Leiter der Popakademie Baden-Württemberg,
bedauert den Verlust einer Persönlichkeit der Musikszene: „Die
Popakademie Baden-Württemberg wäre ohne sein Zutun nicht
denkbar.“
„Tristan“ Marthaler
Der Regisseur Christoph Marthaler ist von Wolfgang Wagner eingeladen
worden, die für 2005 geplante Neuinszenierung von Wagners „Tristan
und Isolde” bei den Bayreuther Festspielen zu übernehmen.
Die musikalische Leitung hat der japanische Dirigent Eiji Oue.
Bühnenbild und Kostüme werden, wie könnte es anders
sein, von Marthalers bevorzugter Ausstatterin Anna Viebrock entworfen.
Derzeit ist Marthaler Intendant des Zürcher Schauspielhauses.
Man darf gespannt sein, wie sich Marthalers Slow-Motion-Ästhetik
mit der „Tristan-Handlung” verbindet: Werden Tristan
und Isolde noch langsamer als gewohnt agieren oder verführt
sie womöglich der „langsame” Marthaler zum ungewöhnlichen
Galopp?