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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 37
52. Jahrgang | Mai
Oper & Konzert
Neue Töne erzeugen interessanten Klang
Musikförderung zweisprachig: der Deutsch-Französische
Kulturrat
„Es herrscht großer Nachholbedarf an wechselseitigen
Kenntnissen über die deutsche und französische Musik
in beiden Ländern.“ Siegfried Palm, Cellist, ehemaliger
Intendant der Deutschen Oper Berlin und Ehrenpräsident des
Deutsch-Französischen Kulturrates, sieht es nüchtern:
Auf den DFKR kommen spannende Aufgaben zu. Auf Betreiben des DFKR
soll Frankreich in die deutsch-polnischen Musikbegegnungen des „Warschauer
Herbs-tes“ miteinbezogen werden, „Dialog Junge Musik“ heißt
ein weiteres Projekt, das junge Komponisten unterstützen soll.
Hinzu kommt die Organisation von Expertentreffen im Rahmen der
Musikmessen MIDEM in Cannes und Popkomm. in Köln. Neue Töne
aus dem Deutsch-Französischen Kulturrat, die einen interessanten
Klang erzeugen.
Bilaterales Gremium
Der Gründungsakt des DFKR wurde von Helmut Kohl und François
Mitterand 1988 vollzogen. Der DFKR bekam die Aufgabe zugetragen,
als bilaterales Beratungsgremium gemeinsame kulturelle Aktivitäten
anzuregen und Vorschläge zu unterbreiten, wie diese unterstützt
werden können. Insgesamt 20 Persönlichkeiten aus dem
französischen und deutschen Kulturleben gehören dem Rat
an (siehe Infokasten). Eine Plenarsitzung führt die Mitglieder
zweimal im Jahr zusammen. Organisatorische Fragen, Koordinierung
und Verwaltung der zahlreichen Projekte werden über zwei Generalsekretariate
in Saarbrücken und in Fontevraud abgewickelt. „Das Engagement
der ehrenamtlich tätigen Mitglieder des DFKR, der enorme Einsatz
ihrer fachlichen Kompetenz und wertvollen Zeit kann nicht hoch
genug geschätzt werden“, so die deutsche Generalsekretärin
Eva Hoffmann-Müller.
Der DFKR arbeitet ohne eigenen Projektetat. Er spricht den Regierungen
Empfehlungen aus und kann sich dabei sowohl an Bundesländer
wie auch an Regionen, Gebietskörperschaften, Städte,
Gemeinden oder Institutionen und freie Träger richten. Diese
Funktionsweise garantiert dem DFKR die nötige Souveränität
und befreit ihn vom Druck wirtschaftlicher Interessen. „Der
DFKR ist als Ideenlabor konzipiert worden, er dient dem Gedankenaustausch
und der Koordinierung“, so Chantal Colleu-Dumond, die französische
Generalsekretärin. Weit über 100 Förderstipendien
wurden auf Betreiben des DFKR an junge Künstler vergeben und
damit der Austausch in den Bereichen Theater, Bildende Kunst, Musik,
Tanz und Film gefördert.
Um im Geiste des Weimarer Dreiecks ein osteuropäisches Drittland
in seine Beratungen einzubeziehen, hat der DFKR den ehemaligen
polnischen Kulturminister und jetzigen Leiter des Warschauer Chopin-Institutes,
Grzegorz Michalski, zur Plenarsitzung 2002 nach Trier eingeladen.
Im Jahr 2003 wird der DFKR gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat
im Rahmen des Festivals für zeitgenössische Musik „Warschauer
Herbst“ ein trinationales Forum zum Thema „Die europäische
kulturelle Zusammenarbeit“ veranstalten. „Mit diesem
Engagement kann der Deutsch-Französische Kulturrat aufzeigen,
wie das Modell der deutsch-französischen Zusammenarbeit auch
auf Drittländer Mittel- und Osteuropas übertragen und
ausgeweitet werden kann“, so Eva Hoffmann-Müller.
Warschauer Herbst
Der DFKR setzt sich dafür ein, dass die deutsch-polnischen
Musikbegegnungen des „Warschauer Herbstes“ auf Frankreich
ausgeweitet werden. In den 60er- und 70er-Jahren konnte die musikalische
Avantgarde nicht am „Warschauer Herbst“ vorbei. Damals
war das Festival Umschlagstelle der kompositorischen Neuerungen
in Ost und West. In den 90er-Jahren verlor das Festival an Bedeutung:
Finanzielle und strukturelle Probleme ließen die Erfolgskurve
des „Warschauer Herbstes“ steil nach unten sinken.
Heute geht es wieder aufwärts. Reinhard Schulz bemerkte in
der nmz vom November 2002 zur letztjährigen Ausgabe des „Warschauer
Herbstes“: „So setzte man auf Offenheit nach allen
Seiten. Das macht viel Sinn in einer Landschaft, in der Sichtung
von Tendenzen Vorrang hat vor einer ideologiefesten Verteidigung ästhetischer
Positionen. Das Warschauer Publikum erkennt diese vorurteilsfreien
Bestrebungen an und verfolgt ebenso gespannt wie zahlreich die
verschlungenen Gänge der musikalischen Neuerungen“.
Für Siegfried Palm soll das Engagement des Kulturrats mehr
als nur eine Stütze sein: „Die Bedeutung des ‚Warschauer
Herbstes‘ ist nicht hoch genug einzuschätzen“.
Einer der Schwerpunkte der Tätigkeiten des DFKR liegt zum
gegenwärtigen Zeitpunkt im Bereich der Förderung des
deutsch-französischen Musikaustausches. Siegfried Palm legt
großen Wert auf das Engagement des Kulturrates in diesem
Bereich: „Wir müssen sehen, dass wir die Jugend näher
zusammenbringen. Nicht nur Komponisten, das klappt fast von selbst,
sondern um das normale Rezeptionsverständnis für die
Musik des Nachbarn zu verbessern“. Zu diesem Zweck wurde
eine eigenständige Arbeitsgruppe eingerichtet, der etwa Theo
Geißler, Herausgeber der neuen musikzeitung, und Jean-François
Michel, Leiter des Französischen Exportbüros für
Musik, angehören.
„Dialog Junge Musik“
Zur Förderung von jungen Komponisten und jungen Interpreten,
die sich mit ihren Werken an ein junges Publikum wenden, hat die
Arbeitsgruppe des DFKR das Projekt „Dialog Junge Musik“ angestoßen.
Mit diesem Projekt soll das Bewusstsein für zeitgenössische
Musik gefördert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei
der Entdeckung und Auszeichnung junger Komponistinnen und Komponisten,
der professionellen Hilfestellung bei einer adäquaten Interpretation
der neuen Werke sowie der Entwicklung und Umsetzung von Strategien,
die geeignet sind, die Werke vor allem einem jungen Publikum zu
vermitteln.
Kooperationen auf deutscher Seite werden unter anderem mit der
Jeunesses Musicales, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk,
dem Deutschen Musikrat, dem Europäischen Musikrat und dem
Goethe-Institut angestrebt. Die Auszeichnung soll nicht aus einem
Geldpreis bestehen, sondern in der Publizierung und Realisation
der Werke liegen und im Rahmen einer Biennale vergeben werden.
Der „Dialog Junge Musik“ befindet sich gegenwärtig
in der Planungsphase, um möglichst 2005 der Öffentlichkeit
präsentiert werden zu können. Die Arbeitsgruppe des DFKR
zur Förderung des deutsch-französischen Musikaustausches
konnte ebenfalls regelmäßige Treffen zwischen Experten
der Musikindustrie beider Länder initiieren. So fand Anfang
des Jahres 2002 ein erstes Treffen anlässlich der französischen
Musikmesse MIDEM in Cannes statt, das eine schnelle Fortsetzung
im Rahmen der Popkomm. in Köln im August des gleichen Jahres
finden konnte.
Eines der angestrebten Fernziele ist die Einrichtung eines europäischen
Exportbüros für Musik, um die für den Musikexport
zuständigen nationalen Büros auf europäischer Ebene
zu vernetzen. Auf diesen zwei Fachtagungen in Cannes und Köln
wurde immer wieder deutlich, dass eine klar definierte deutsch-französische
Position einen bedeutenden Einfluss auf die Einführung einer
europäischen Politik haben würde.
Folglich ist das Interesse an der Fortsetzung bilateraler Kontakte
auf dieser Ebene von starkem Interesse. So könnten Programmvorschläge
für den nächsten EU-Haushalt beraten werden, die der
Kultur-Industrie, insbesondere der Musikindustrie und dem Verlagswesen,
zugute kommen würden und auch zu einem verringertem Mehrwertssteuersatz
für CDs führen könnten.
Neue Perspektiven
Das vielfältige und vielschichtige Engagement des DFKR für
die Musik öffnet neue Perspektiven. Sowohl im Bereich der
neuen Musik wie in der modernen Musikindustrie werden die Projekte
und Anstöße aufgenommen. Obwohl diese Entwicklung erst
am Anfang steht, wird sich doch bald in Warschau, Cannes und Köln
zeigen, wie wesentlich die Beratungen der letzten Monate und Jahre
gewesen sind.
Chris Mathieu
Die Mitglieder
Präsidentin: Nele Hertling, Intendantin des Hebbel-Theaters,
Berlin
Vize-Präsident: Alain Grund,
Verleger, Paris
Generalsekretärin: Eva Hoffmann-Müller, Saarbrücken
Stellvertretende Generalsekretärin: Chantal Colleu-Dumond,
Abbaye Royale de Fontevraud
Deutsche Mitglieder:
Andreas Franzke, Kunsthistoriker, Staatliche Akademie der Bildenden
Künste, Karlsruhe
Joachim Fritz-Vannahme, Journalist, Die Zeit, Brüssel
Theo Geißler, Herausgeber der neuen musikzeitung, Regensburg
Helene Harth, Präsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule,
Saarbrücken
Nikolas Kerkenrath, Leiter der Kulturabteilung der Bayer AG Leverkusen
Ingo Kolboom, Professor für Frankreichstudien und Frankophonie
an der TU Dresden
Angelika Lipp-Krull, Koordinatorin von ARD/France3, SWR Baden-Baden
Helma Sanders-Brahms, Filmregisseurin, Mitglied der Deutsch-Französischen
Filmakademie, Berlin
Werner Spies, Kunsthistoriker, ehemaliger Direktor des Centre
Pompidou, Paris
Französische Mitglieder:
Jean-Marc Ayrault, Mitglied der französischen Nationalversammlung,
Nantes
Daniel Benoin, Direktor des Nationaltheaters Nizza
Dominique Ferriot, Professorin am Conservatoire National des Arts
et Métiers, Paris
Etienne François, Historiker, Professor an der TU Berlin
Jean-Hubert Martin, Direktor der Stiftung museum kunst palast,
Düsseldorf
Margaret Menegoz, Filmregisseurin, Mitglied der Deutsch-Französischen
Filmakademie, Paris
Jean-François Michel, Direktor des Französischen Exportbüros
für Musik
Jean Marie Valentin, Germanist, Professor an der Sorbonne
Paris