[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 15
52. Jahrgang | Mai
Deutscher Kulturrat
Den Letzten beißen dann doch die Hunde....
Die Gemeindereform: Schlüssel zur Finanzierung · Von
Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz
Den Letzten beißen die Hunde: so kann derzeit die Situation
in der Kulturfinanzierung beschrieben werden. Und die Letzten sind,
um im Bild zu bleiben, immer öfter die Kultureinrichtungen
und kulturellen Initiativen in den Städte und Gemeinden.
Dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik entsprechend übernimmt
der Bund nur kleine Anteile bei der Finanzierung kultureller Einrichtungen
oder von kulturellen Vorhaben. Seine
Fördermöglichkeiten sind beschränkt
auf Vorhaben von bundesstaatlicher Bedeutung sowie auf die Auswärtige
Kulturpolitik. In der im vergangenen Jahr intensiv geführten Entflechtungsdebatte
im Umfeld der Gründung
der Kulturstiftung des Bundes wiesen die Länder den Bund wiederholt in
seine Schranken. Sie verwiesen auf die so genannte Kulturhoheit der Länder
und leiteten daraus ab, dass der Bund nur eingeschränkte Förderverantwortung
hat. Die Kompromisse zwischen Bund und Ländern spiegeln sich sehr konkret
in den Stiftungszwecken der Kulturstiftung des Bundes wider.
Die Grafik des Deutschen
Städtetags zeigt, dass bis zur Mitte der neunziger
Jahre bei stetig wachsenden Einnahmen der kommunalen Haushalte
die Ausgaben stets über den Einnahmen lagen.
Wenn die Länder dem Bund so nachdrücklich seine beschränkten
Kulturfördermöglichkeiten aufzeigen, so sollte man meinen, dass sie
sich umso intensiver in der Finanzierung von Kunst und Kultur engagieren. Nun
ist dieses Engagement aus historischen Gründen in den verschiedenen Ländern
sehr unterschiedlich. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel verfügt über
nur wenige Kultureinrichtungen in Trägerschaft des Landes und fördert über
die Fläche mit verhältnismäßig kleinen Summen. Die Hauptlast
zur Finanzierung der kulturellen Infrastruktur tragen die Kommunen. Ganz anders
sieht es zum Beispiel in Bayern aus. Hier befinden sich ebenfalls aus historischen
Gründen eine beträchtliche Reihe von Einrichtungen in der Trägerschaft
des Freistaats und hier engagiert sich das Land in weitaus größerem
Maße in der Kulturfinanzierung. Das heißt, das Engagement der Länder
in der direkten Förderung von Kunst und Kultur ist sehr unterschiedlich.
Gemeinsam ist allen Ländern aber, dass sie eigentlich verpflichtet sind,
die Kommunen in den Stand zu versetzen, ihre Leistungen bei der Kulturfinanzierung
zu erfüllen. Dieses gelingt immer weniger. Die kommunalen Haushalte geraten
in den vergangenen zwei Jahren immer stärker in eine Schieflage und auch
für das Jahr 2003 ist keine Trendwende abzusehen. Im Gegenteil die kommunalen
Spitzenverbände warnen vor einer immer weiter auseinander gehenden
Schere der Einnahmen und Ausgaben.
Die Grafik des Deutschen Städtetags zeigt, dass bis zur Mitte der neunziger
Jahre bei stetig wachsenden Einnahmen der kommunalen Haushalte die Ausgaben
stets über den Einnahmen lagen. Drastische Sparprogramme der Kommunen,
Rückgänge bei den Investitionen, Verwaltungsveränderungen und
anderes mehr führten ab der Mitte der neunziger Jahre zu Ausgabensenkungen.
Der Kulturbereich hat diese Veränderung mehr als schmerzlich erfahren.
Bei gleichzeitig steigenden Einnahmen der Kommunen überstiegen in den
Jahren 1999 und 2000 die Einnahmen die Ausgaben. Im Jahr 2001 folgte schließlich
der erneute Einbruch. Die Ausgaben wachsen wieder stetig an und die Einnahmen
der Städte und Gemeinden sinken rapide. Steigende Ausgaben werden von
den Kommunen mit steigender Last im Sozialhaushalt durch mehr Sozialhilfeempfänger
auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage erklärt. Die dramatisch
sinkenden Einnahmen stehen ebenfalls in Verbindung mit der schlechten wirtschaftlichen
Lage, den fehlenden Investitionen der Kommunen, die besonders das ortsansässige
Handwerk treffen, sowie mit den Veränderungen durch die 2001 in Kraft
getretene Steuerreform. Insgesamt ein Konglomerat an strukturellen Problemen,
die derzeit kulminieren und sich zu einem Desaster auswachsen.
Kommission nimmt Arbeit auf
Die Situation wird von Bund, den Ländern und besonders den
Kommunen selbst als extrem bedrohlich eingeschätzt. Die Bundesregierung
hat deshalb im März 2002 eine Kommission zur Gemeindefinanzreform
eingesetzt, die Vorschläge erarbeiten soll, wie die Zahlungsunfähigkeit
der Kommunen abgewendet werden kann. Die Kommission tagte im Mai
2002 erstmals. Der Kommission gehören an:
ein Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen,
ein Vertreter des Bundesministeriums des Innern,
ein Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung
beziehungsweise jetzt Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit,
zwei Vertreter von Landesministerien des Innern (Bayern und Nordrhein-Westfalen),
sieben Vertreter von Landesministerien für Finanzen (Baden-Württemberg,
Brandenburg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein,
Thüringen),
ein Vertreter eines Landesministeriums für Arbeit und
Soziales,
zwei Vertreter des Deutschen Städtetags,
zwei Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes,
zwei Vertreter des Deutschen Landkreistages,
ein Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie,
ein Vertreter des Zentralverbands des Deutschen Handwerks,
ein Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelskammertages,
ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes,
ein Vertreter der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Diese Kommission hat zwei Arbeitsgruppen gebildet. Eine Arbeitsgruppe
Kommunalsteuern unter dem Vorsitz des Bundesministerium der Finanzen
und eine Arbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe unter dem
Vorsitz des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Die
Arbeitsgruppen sollten nach dem ursprünglichen Zeitplan bereits
Anfang des Jahres 2003 ihre Vorschläge vorlegen, da der Gesetzgebungsprozess
für eine Reform der Gemeindefinanzierung noch im Jahr 2003
abgeschlossen werden sollte. Zum 1. Januar 2004 sollte die Gemeindefinanzreform
in Kraft treten. Es ist abzusehen, dass dieser ehrgeizige Zeitplan
nicht einzuhalten sein wird. Dennoch gebieten die dramatischen
Einnahmeverluste der Kommunen Eile.
Die Kommunen sichern die Grundversorgung der Bürgerinnen und
Bürger zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr, in der
Bereitstellung von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern
und eben auch in der Bereitstellung der „freiwilligen“ Leistung
Kultur. Insofern ist der gesamte Kulturbereich elementar von der
aktuellen Finanznot der Kommunen ebenso betroffen wie von möglichen
Veränderungen der Einnahmequellen.
Angesichts des immer kleiner werdenden Kuchens, der zur Finanzierung
von Kunst und Kultur in den Kommunen zu Verfügung steht, drängt
sich die Frage nach der künftigen Verteilung der einzelnen
Kuchenstücke genauso auf wie die Diskussion darüber,
welche Aufgaben künftig überhaupt noch von der öffentlichen
Hand wahrgenommen und welche privatisiert werden sollen. So wird
im Zuge der Diskussionen um die Gemeindefinanzreform nicht nur
debattiert, wie die Einnahmesituation der Städte und Gemeinden
verbessert werden kann, auf der Agenda steht ebenso die Frage,
welche Aufgaben die Kommunen in der Zukunft noch wahrnehmen sollen.
Und dabei geht es zumeist nicht darum, Finanzierungsaufgaben von
den Kommunen auf das Land oder gar den Bund zu übertragen,
sondern vielmehr wird thematisiert, ob bestimmte Aufgaben vom Staat überhaupt übernommen
oder nicht besser Privaten übertragen werden sollen.
Qualitätsstandards gefragt
Die Kultureinrichtungen werden sich dieser Diskussion stellen
müssen.
Sie werden wahrscheinlich in noch größerem Maße
aufzeigen müssen, welche Bedeutung sie für das Leben
vor Ort hat und welche Leistung sie für das Leben in der Stadt
oder Gemeinde erbringen. Ein kleinlicher Wettstreit untereinander,
ob das Museum wichtiger als die Blaskapelle oder die Stadtbibliothek
bedeutsamer als das Theater ist, wird nur denjenigen nutzen, die
die verschiedenen Akteure gegeneinander ausspielen wollen. Es wird
vielmehr in der Zukunft noch mehr darauf ankommen, solidarisch
zu sein und untereinander Qualitätsstandards zu entwickeln,
die öffentliche Förderung rechtfertigen. Dieser Prozess
wird nicht schmerzfrei verlaufen, denn seine Umsetzung bedeutet
für jede Kultureinrichtung, ob in Trägerschaft der öffentlichen
Hand oder öffentlich gefördert, unter Beweis stellen
zu müssen, dass die Förderung gerechtfertigt ist. Die
Zahl der Besucher ist dabei ebenso wenig ein Maßstab wie
die „schon immer” bestehende öffentliche Förderung.
Es gilt vielmehr unter künstlerischen aber auch gemeinwohlorientierten
Gesichtspunkten zu diskutieren, welche Vorhaben eine öffentliche
Förderung verdienen und welche sich auf dem freien Markt bewegen
sollten.
Die Gemeindefinanzreform wird, so ist zu hoffen, gelingen. Sie
wird die Städte und Gemeinden in den Stand versetzen, ihren
Aufgaben nachzukommen. Gerade für die Kultur wird eine erfolgreiche
Gemeindefinanzreform der Schlüssel für eine dauerhafte
tragfähige Finanzierung auf kommunaler Ebene sein. Sie enthebt
aber niemanden vor Veränderungen, will man nicht der Letzte
sein, den dann trotzdem die Hunde beißen.