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Ausgabe 2003/05
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nmz 2003/05 | Seite 47-48
52. Jahrgang | Mai
Dossier: Das Unterhaltende in der Musik

Musikschule mit Vergnügen! Das Unterhaltende in der Musik

Interview mit Rainer Mehlig, Bundesgeschäftsführer des VdM, aus Anlass des 17. Musikschulkongresses in Hannover

Seit 1971 führt der Verband deutscher Musikschulen (VdM) im Zweijahresrhythmus Musikschulkongresse durch. Der siebzehnte Kongress steht unter dem Motto „Musikschule mit Vergnügen! – Das Unterhaltende in der Musik“. Im Laufe der Jahre spielten die Kongresse in der Arbeit des VDM nach innen, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer größere Rolle. Mit Rainer Mehlig, Bundesgeschäftsführer des VdM, unterhielt sich nmz-Redaktionsleiter Andreas Kolb über Thematik und Konzeption des diesjährigen Kongresses.

nmz: Warum befasst sich der Musikschulkongress 2003 mit dem Unterhaltenden in der Musik?

Rainer Mehlig, Bundesgeschäftsführer des VdM. Foto: nmz-Archiv

Rainer Mehlig: Wir versuchen jeweils ein Thema zu finden, das unsere Musikschulen aktuell berührt. Ein Thema, das auch die Musikschullehrer in ihrer Arbeit anspricht. Wir wollen, dass Musikschularbeit nicht mehr nur heißt, sich ausschließlich mit klassischer Musik auseinanderzusetzen, sondern genauso mit populärer.

nmz: Die Musikschule unterliegt nicht der Schulpflicht und gehörte jeher in den Abschnitt des Tages, den man mit Freizeit, mit Vergnügen in Verbindung bringt.

Mehlig: Musikschule war schon immer mit Freude und Vergnügen verbunden. Das haben nicht alle so gesehen, weil sie nicht wahrgenommen haben, dass man auch mit klassischer Musik Freude haben kann. Musikschulbesuch ist freiwillig, manchmal wird er aber auch durch die Eltern etwas forciert – das muss man gar nicht, denn Musizieren selbst ist oft ein Vergnügen. Das war zu Zeiten Monteverdis so, das ist auch heute noch so.

nmz: Hat das Populäre auch damit zu tun, dass man neue Schülerschichten erschließen will?

Mehlig: Ja, durchaus. Wir haben uns vor Jahren geöffnet zu allen Formen des Musizierens, da gehört das Populäre dazu und Instrumente wie Schlagzeug, Keyboard, E-Gitarre oder E-Bass. Auch durch die Einstudierung von Musicals, Musiktheater und Tanz kann man weitere Kinder und Jugendliche für einen Unterricht in der Musikschule interessieren.

nmz: Sie haben hochkarätige Dozenten in Ihrem Programm – wie treffen Sie die Auswahl?

Mehlig: Der Kongress wird von einer Kongresskommission vorbereitet, die vom Bundesvorstand eingesetzt wird und unter der Leitung des jeweiligen Vorsitzenden steht – jetzt war es Dr. Gerd Eicker. Wir gehen nicht auf Bewerbungen ein, sondern suchen prominente Persönlichkeiten, die sich in den Bereichen der aktuellen Kongressthemen profiliert haben. Es macht uns stolz, dass die Referenten, die wir dann fragen, sehr gerne zu dem Kongress kommen. Die Programmgestaltung bewirkt, dass hochinteressierte Lehrer kommen. Wir hatten in Leipzig vor zwei Jahren 1.100 Lehrkräfte zu Besuch. Sie müssen sehr viel selbst zahlen, die Musikschulen geben in der Regel wenig Zuschüsse für Reisekosten und Teilnehmergebühren und die Lehrer müssen dann auch noch Unterricht nachholen.Vor Ort sind sie engagierte Anreger und Neuerer.

nmz: Am Programm des Musikschulkongresses fällt auf, dass wenig für den klassischen Instrumentalunterricht angeboten wird. Haben sich die Musikschulen eher die Breitenausbildung und nicht mehr die Spitzenförderung als Ziel gesetzt?

Mehlig: Wir haben schon immer in erster Linie musikalische Breitenarbeit geleistet. Dabei entwickelt sich aus einer Basis von etwa einer Million Schülern die Spitze. 15.000 oder 16.000 junge Leute haben dieses Jahr wieder bei “Jugend musiziert“ mitgemacht, davon sind etwa 80 Prozent, also etwa 10.000, aus Musikschulen. Von einer Million ist das ein Prozent der Schüler, die dann auch in den Musikschulen gezielt weiter gefördert werden.
Dass wir wenig klassische Musik im Kongressprogramm hätten, stimmt nicht. Wir haben alte Tänze, alte Musik, denn auch die wurde und wird mit Vergnügen musiziert. Denken Sie an Bach, der sich auch in vielen Stücken populär äußerte. Die überwiegende Zahl der Lehrer ist klassisch ausgebildet, hat sich aber inzwischen geöffnet für die anderen Formen des Unterhaltenden in der Musik, nämlich die Popularmusik. Wenn Sie heute eine Klavierschule sehen, werden Sie immer neben dem „klassischen Kanon“ auch populäre Stücke darin finden.

nmz: Gibt es da Defizite in der Hochschulausbildung zu konstatieren?

Mehlig: Die Lehrer sind grundsätzlich hochqualifiziert. Sie sind oft zu sehr im Klassischen spezialisiert, müssen sich aber auch gegenüber den Wünschen, die die Schüler heute haben, öffnen. Das wird in der Hochschulausbildung nicht immer berücksichtigt.

nmz: Ist das Kongress-Programm ein Signal an die Kultur- und Bildungspolitiker: Der VdM kann überzeugende Unterrichtsangebote in der allgemein bildenden Schule machen?

Mehlig: Das Thema Kooperation mit der allgemein bildenden Schule ist uns ein großes Anliegen. Das Plenum I des Kongresses heißt „Öffentliche Musikschulen sind Teil des deutschen Bildungssystems“. Da haben wir ganz bewusst das Kongressthema „Vergnügen“ etwas erweitert. Wir sind der Meinung, gerade nach der PISA-Studie, dass die allgemein bildenden Schulen und auch die Politik gefordert sind, sich Gedanken zu machen: Neben Rechnen und Schreiben gehören auch kulturelle Aktivitäten zu Bildung und Ausbildung, damit Kinder wieder einen Bildungsstandard erreichen wie Finnland und andere nordische Länder. Speziell Finnland nenne ich, weil hier das Musikschulwesen eine besondere Rolle spielt und auch mit der allgemein bildenden Schule kooperiert. Das wollen wir auch, ganz bewusst. Inzwischen haben wir alle Ministerpräsidenten der Länder angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die deutschen Musikschulen Teil des deutschen Bildungswesens sind. Der Bundesvorstand bildet selbst eine Strategiekommission, die sich diesem Thema widmet. Wir haben Umfragen an unseren Musikschulen gestartet: Wie ist die Kooperation mit allgemein bildenden Schulen? An welchen Stellen ist sie verbesserungswürdig? Wo sind schon Modelle vorhanden wie etwa in Hamburg, Rheinland-Pfalz oder in Sachsen-Anhalt? Am Sonntag, den 11. Mai, findet ein Forum zu diesem Thema statt. Weiter werden wir auf unserem Herbstsymposium im November in Trossingen versuchen, mit den Referenten der Bundesländer, die für den Bereich Musikschule und Schule zuständig sind, sowie mit politisch Verantwortlichen das Thema zu vertiefen.

nmz: Kann man im Hinblick auf den Kongress 2003 sagen, die öffentlichen Musikschulen wollen mehr Unterhaltung, Freude, Attraktivität in den grauen Schulalltag an der allgemein bildenden Schule bringen.

Mehlig: Durchaus. Das heißt aber nicht, dass wir ein beliebiges Freizeitangebot für die Nachmittagsgestaltung der allgemein bildenden Schulen abgeben wollen. Der Beitrag der öffentlichen Musikschulen soll vielmehr in das ganze Bildungskonzept der Schule integriert werden, in dem wir einen Part übernehmen, so etwa beim sogenannten „Klassenmusizieren“. Wir können und wollen den Musikunterricht nicht ersetzen, aber wir wollen auch nicht beliebig als Freizeitgestaltung gelten.

nmz: In der Popindustrie wird ein Auge auf das Thema Tanzen geworfen. Davon verspricht man sich Kompensation der fehlenden Umsätze im CD-Geschäft.

Mehlig: Tanzen ist seit jeher ein Bestandteil im Musikschulangebot. Wir machen schon immer sehr viel im Bewegungsbereich. Bewegung, Tanz, Rhythmik, solche Dinge gehören zur musikalischen beziehungsweise kulturellen Bildung und können den Gesamtunterricht einer Schule bereichern. Inwieweit die Industrie davon profitieren kann, weiß ich nicht.

nmz: Sie haben mit dem VDS eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Was gibt es da Neues?

Mehlig: Wir stellen Überlegungen an, wie man gemeinsam Fortbildungen konzipieren kann. Wir überlegen, wie wir die Musikschule in die allgemein bildende Schule einbringen können, ohne dass die Musikschule das verliert, was sie selbst ist. Wir wollen unseren Auftrag als Musikschule nicht aufgeben, sondern den Unterricht an allgemein bildenden Schulen ergänzen. Diese Ergänzung soll aber auch unseren Bildungsauftrag, den wir selbst als Musikschule sehen, verwirklichen. Das können wir nur in Kooperation mit den Zuständigen in den allgemein bildenden Schulen tun. Das sind zum Beispiel die Vertreter des VDS, AFS und anderer musikpädagogischer Verbände.

nmz: Wie positionieren sich die Musikschulen des VdM gegenüber der zunehmenden Konkurrenz durch private Musikschulen?

Mehlig: Wir vertreten die öffentlichen Musikschulen. Kommerzielle Schulen können nicht bei uns Mitglied sein, weil wir wissen, dass eine private Schule ohne öffentliche Mittel unseren Strukturplan nicht erfüllen kann. Das ist keine Abwertung der Arbeit, die etwa von Privatmusikerziehern geleistet wird und auch von vielen Privatinstitutionen, die Musikunterricht anbieten. Das ist keine Konkurrenz, sondern einfach ein anderer Bereich.

nmz: Viele Musikschulen haben heutzutage Wartelisten, warum?

Mehlig: Wartelisten sind nichts Neues und leider gibt es sie schon wieder. Schon vor 20 Jahren haben wir an den Musikschulen, wenn es keine Plätze mehr gab, gerne an die kompetenten Kollegen, die privat unterrichten, verwiesen, und das machen viele Musikschulen heute noch. Viele Eltern wollen lieber mit dem Unterrichtsbeginn warten, weil sie beim Privatunterricht Dinge vermissen, wie zum Beispiel Ensemble- und Ergänzungsfächer. Wartelisten gibt es deshalb weiterhin, weil nicht genügend Unterrichtsstunden seitens der Musikschulen angeboten werden können. Eine Unterrichtsstunde wird nicht nur durch die Gebühren finanziert, sondern auch anteilig durch die Kommune und das Land. Gäbe es mehr Zuschüsse, gäbe es mehr Unterrichtsstunden und so auch weniger Wartelisten. Ich bin jedoch immer noch dankbar, dass die Kommunen die Musikschulen als wichtige Aufgabe ansehen, als Grundversorgung ihrer eigenen gemeindlichen Arbeit. Dennoch höre ich aus der ganzen Bundesrepublik, dass überall Finanzmittel gekürzt werden. An vielen Stellen auch sehr extrem, was zu großen Problemen führt. Es werden kaum noch neue Lehrerstellen im Angestelltenverhältnis geschaffen, sondern freie Mitarbeiter eingestellt. Das ist deshalb sehr bedenklich, weil eine kontinuierliche Bildungsarbeit mittel- und langfristig angelegt ist und deshalb auch in längeren Zeiträumen planbar sein muss. Und dieses Ziel lässt sich mit überwiegend freiberuflichem und dadurch auch oft wechselndem Lehrpersonal nicht erreichen. Trotzdem bin ich nicht so pessimistisch, zu befürchten, dass wir unsere Musikschularbeit nicht mehr durchführen können. Aber Sorgen muss man in der heutigen Zeit schon haben.

nmz: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Was ist für Sie das Unterhaltende in der Musik?

Mehlig: Für mich sind fast alle Musikstile unterhaltsam. Ich habe selbst früher U-Musik gemacht, aber genauso gern meine klassische Musik gespielt. Unterhaltend ist für mich Musik, wenn ich mich beim Hören wohlfühle. Das kann klassische Musik sein, Beethoven etwa. Aber auch jede Musik, die mich irgendwie bewegt, ist für mich eine unterhaltende Musik unabhängig von dem Zeitalter, aus dem sie stammt.

nmz: Danke für das Gespräch.

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