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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 11
52. Jahrgang | Mai
Kulturpolitik
Musikalische Zeitläufe
Wilfried Krätzschmars „AGE. spectra sonantia temporibus” in
Dresden
Der Komponist Wilfried Krätzschmar, Rektor der Hochschule
für Musik Dresden, hat ein sinfonisches Essay zum Festkonzert
anlässlich des 175. Geburtstages der TU Dresden geschaffen. „Das
Hochwasser, das auch unsere Hochschule stark betroffen hatte und über
Monate meinen ganzen Einsatz forderte, brachte meine Zeitpläne
für die Komposition zwar durcheinander“, erklärt
Krätzschmar, „aber seit Mitte März sind die Mitglieder
des Universitätsorchesters unter ihrem Chef Richard Hughey
voll beim Proben.”
Kann man überhaupt ein Stück zu einem künstlerisch
gesehen etwas abseitigen Ereignis wie ein Universitätsjubiläum
komponieren? Was sollte denn da überhaupt anklingen? Noch
dazu bei einer »technischen« Universität, die
einerseits verbissen um das »T« in ihrem Kürzel
ringt, andererseits aber mit berechtigtem Stolz die Volluniversität
für sich reklamiert? Man kann – Krätzschmar kann. »Nach
einigem Überlegen kam ich doch zu dem Schluss, dass eine platte,
illustrative Vorgehensweise nicht angebracht wäre.«
Also keine Variationen von »gaudeamus igitur«, kein
hochspannungshallengeprägtes Elektronikgeräusch, keine
Versuche, »Technik« oder »Universität« illustrativ
klanglich umzusetzen. Recht bald, so Krätzschmar, sei er auf
die Grundidee, den Begriff »Zeit« im philosophischen
Sinne, gekommen, also im Sinne auch von »Zeitenläufte«, »Zeitalter«, »Zeiträume«. »Ich
will auf keinen Fall versuchen, das Wesen der TU Dresden, was auch
immer das sei, musikalisch nachzugestalten«, erklärt
der Komponist. Und so gelangte Krätzschmar, der an der Musikhochschule
auch eine eigene kleine Klasse von Kompositionsstudenten hat, doch
ziemlich schnell zu den drei Buchstaben a, g, e. „Age“,
englisch, im Sinne von Zeitalter – ganz auch im Bewusstsein,
dass da etwas gealtert und dadurch qualitativ immer besser geworden
ist (wie ein guter Whisky?), dass sich in den Sublimierungen des
Alterns Schichten von Erfahrungen, Epochen, Kämpfen und Erfolgen
abgelagert haben. Aber »age« auch im Sinne einer Codierung,
die manchen fast an die Kabbala erinnern könnte: Die Buchstaben
stehen an der ersten, siebten und fünften Stelle des Alphabets,
so dass sich »175« ergibt. Und schließlich spielen
im Aufbau der Komposition auch die Töne a, g, e eine Schlüsselrolle.
In Aussicht gestellt sind ein hochwertiger Mitschnitt des Gesamtkonzertes
vom 3. Mai und – vielleicht – eine daraus resultierende
CD.