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2003/05 | Seite 14
52. Jahrgang | Mai
Musikvermittlung
Musikvermittlung – kein Zauberwort
Zur neuen Rubrik „Musikvermittlung“ · Von
Barbara Stiller
Die vorliegende Ausgabe der neuen musikzeitung beinhaltet erstmalig
diese neu eingerichtete Seite mit dem (möglicherweise vorläufigen?)
Titel „Musikvermittlung“. Zukünftig widmet sie
sich „Vermischtem“ aus unterschiedlichen Bereichen,
in denen Musik aller Genres, Stile und Epochen live präsentiert
wird.
Konzepte, Berichte und Kritiken über vermeintlich unkonventionelle
Konzertformen für alle Altersstufen stehen neben Ankündigungen
von Fort- und Weiterbildungsangeboten oder Rezensionen von Hör-
und Printprodukten, die sich explizit diesem Thema angenommen haben.
Damit sich eine kultur- und bildungspolitisch aktuelle Rubrik wie
diese langfristig einen Standort sichern kann, ist die Redaktion
auch auf Artikel und Beiträge der Leserinnen und Leser angewiesen.
Vom Konzert für Eltern mit Kleinkindern bis zum interdisziplinären
Klang- und Geräuschevent für alle Sinne – sämtliche
noch so kleinen Hinweise, Ankündigungen und Hintergrundberichte
sind willkommen!
Musikalisch-künstlerisch präsent, pädagogisch up
to date, kultur- und bildungspolitisch korrekt – diese und
weitere Ansprüche an die vermeintlich eigenen Kompetenzen
verbergen sich hinter dem Ausdruck Musikvermittlung, welcher seit
geraumer Zeit zu einem Modewort der besonderen Art zu mutieren
scheint. Im Wortsinn sollen sich darunter wohl all die methodisch-didaktischen
Raffinessen sub-summieren, die für gestandene Musikpädagoginnen
und –pädagogen längst eine Selbstverständlichkeit
darstellen, wenn es um eine lebhaft-lebendige Präsentation
von Musik geht. Alle, die sich einmal mit handlungsorientierten
Unterrichtskonzeptionen, mit zeitgemäßen Grundzügen
der ästhetischen Erziehung oder Ansprüchen an eine moderne
Produktionsdidaktik oder Ähnlichem beschäftigt haben,
wissen, dass in diesen Bereichen längst all die Dinge zu finden
sind, die man derzeit vielerorts als „neue Formen der Musikvermittlung” deklariert.
Dennoch ist das Klientel, welches sich in den vergangenen Jahren
zunehmend für eben diese Thematik einer live präsentierten
Musikvermittlung im künstlerisch-praktischen Tun zu interessieren
begann, oftmals ein vollkommen anderes als die Menschen, die sich
bis dato ohnehin musikpädagogisch und musikpädagogisch-wissenschaftlich
damit beschäftigt haben.
In den großen Konzerthäusern macht sich seit geraumer
Zeit ein neuer Trend zur intensiveren Förderung des jungen
Publikums bemerkbar. War es lange Jahre Aufgabe des Intendanten, „fertige” Programme
für Familienkonzerte zu buchen und unter Aspekten eines möglichst
geringen Probenaufwandes „kompakt einzukaufen”, sind
mittlerweile zunehmend die Dramaturg/-inn/-en gefragt, eigene Konzepte
zu entwickeln, aufzuarbeiten und selber an das junge Publikum zu
vermitteln. Auch die Orchestermitglieder selber werden in Zukunft
verstärkt aufgerufen sein, gestalterisch tätig zu werden
und Programmvorschläge einzubringen, die eine entsprechend
größere Identifikation mit der Art der Vermittlung möglich
werden lassen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Musikvermittlung
auch in Kombination mit dem Terminus Konzertpädagogik verwendet.
In kommunalen Institutionen, sei es in Kulturbüros oder gar
auf kulturpolitisch-ministerialer Ebene, wächst der Anspruch,
kulturelle Angebote für junge Leute qualitativ auch selber
beurteilen zu können. Oftmals sind es ausgebildete Musikwissenschaftler,
die in diesen Instanzen tätig sind und besonderen (Nachhol)-Bedarf
an einem Musik vermittelnden Methoden-Repertoire haben. Der kritische
Fachjournalismus ist unter den Feuilletonisten bislang wenig bis
gar nicht in die Gefilde des Veranstaltungswesens für Kinder
und Jugendliche vorgedrungen. In der Regel darf man froh sein,
wenn ein Familienkonzert im Lokalteil mit großem Foto und
kleiner Bildunterschrift frei nach dem Motto „... alles war
schön und bunt und alle, Klein und Groß, Jung und Alt
hatten ihren Spaß…” besprochen wird. Auch hier
trifft der Begriff der Musikvermittlung den Kern, denn einige der
aktuellen Fortbildungsangebote befassen sich konkret mit Grundtechniken
einer gezielten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für
junges Nachwuchspublikum.
Keine Frage, Musikvermittlung ist ein Mode- und kein Zauberwort,
das vielerorts als Platzhalter für all die Angebote steht,
die sich mit der Präsentation live gespielter Musik auf praktischer
wie theoretischer Ebene befassen. Um jeden Preis möchte man
sich damit distanzieren von einer tradierten, „verstaubten” und
unzeitgemäßen Musikpädagogik, aber wer möchte
das nicht? Allein die Tatsache, dass sich diverse Expertinnen und
Experten bislang vergeblich Gedanken über die ein oder andere
noch „treffendere” Alternative gemacht haben, ist meines
Erachtens ein gutes Zeichen dafür, dass die Verantwortlichen
dieser Zeitung richtig liegen, wenn sie ihre neue Rubrik zunächst
auch wieder einmal Musikvermittlung nennen ...