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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 7
52. Jahrgang | Mai
Musikwirtschaft
Wie verträgt sich das Schaf mit dem bösen Wolf?
Die Philharmonie Essen und DIE NEUE Agentur für Kreatives
Marketing versuchen Kunst und Kommerz zu vereinen
Werbung und Kunst sind zwei grundverschiedene Dinge. Zwar versuchen
beide ihr Publikum zu erreichen, sie tun dies jedoch mit unterschiedlichen
Interessen. Die eine zielt zumeist mit strategischem Produktmarketing
auf den Geldbeutel, die andere hingegen auf den Geist und innere
Werte.
Wenn sich Kommerz und Kunst
begegnen und das Profane
auf die Erbauung, also der
Wolf auf das Schaf trifft, kann das eigentlich nicht gut gehen. Zu verschieden
sind die Motive, zu verschieden die Ziele, zu verschieden die Ansprüche.
So sieht es aus, zumindest auf den ersten Blick.
Vielleicht liegt es am Aufbruch ins Wassermann-Zeitalter oder
einfach an Erfahrungen und der schlichten Einsicht, dass viele
klassische Wege nicht mehr taugen,
um tatsächlichen Fortschritt zu erreichen – DIE NEUE Agentur für
Kreatives Marketing und die Essener Philharmonie haben einfach einmal versucht,
mit dem klassischen polaren, dualistischen Denken zu brechen und das zu praktizieren,
was die Welt möglicherweise voranbringt: Kommunikation.
Erste Voraussetzung für gelingende Kommunikation ist, die gemeinsame Ebene
zu finden und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Und die gibt es, sobald die ersten
sprachlichen Schwierigkeiten überwunden sind: Ob wir zum Beispiel nun über
den „Markt” oder das „Publikum” sprechen, ob wir zur
Beschreibung der Verschiedenartigkeit des Kunstgeschmacks den Begriff „Zielgruppe” verwenden,
dies ist im Grunde nebensächlich. Sind diese einfachen Fragen geklärt
und die scheinbaren Widersprüche erst aus der Welt, fällt es leicht,
herauszufinden dass man sich miteinander verständigen kann und es vielleicht
sogar mehr Verbindendes als Trennendes gibt.
Noch ist es Zukunftsmusik,
aber ab Juni 2004 wird die Theater & Philharmonie Essen
um eine weitere Sparte und Spielstätte reicher.
Schnell bestand Einigkeit über die Unmöglichkeit, neue hochgesteckte
Ziele mit traditionellen und standardisierten Herangehensweisen zu erreichen.
Das Programm und die bereits konkret geplanten Projekte der Philharmonie repräsentieren
bereits den Anspruch, neue Publikumsschichten (oder sagen wir Zielgruppen?)
erreichen zu wollen: Keine klassische Elitekunst mehr, die sich strengen traditionellen
Normen verpflichtet fühlt.
Entsprechend zur breitgefächerten Ausrichtung des Programmkonzepts, das
es zum Beispiel erlaubt, Hermann van Veen, Berliner Philharmoniker, Lucia Alberti,
Frank Zappa und Uri Caine zu integrieren, muss auch die Kommunikation eine
Plattform schaffen, auf der genau die gleiche Vielfalt möglich ist. Es
geht darum, in einer äußerst heterogenen Zielgruppenstruktur einzelne
Adressatengruppen adäquat anzusprechen, und das bedeutet: Da die Begrenzung
auf klassische Musik aufgehoben wird, sind auch die Grenzen der klassischen
Werbung nicht mehr sinnvoll. Auch die Werbung muss neue Wege gehen und sich
etwas Besseres einfallen lassen, als einfach auf eingefahrenen We-gen weiterzumachen.
Der Programmgedanke, den Elfenbeinturm ruhig einmal zu verlassen
und dorthin zu gehen, wo das Publikum ist, gilt in gleichem Maße für die Kommunikation.
Ein kleines Beispiel: Wenn die Philharmonie vom jugendlichen Publikum erwartet,
Schwellenängste zu überwinden, darf man durchaus von ihr verlangen,
das Gleiche zu tun: So ist eine Konzertankündigung in einer Szenekneipe
zielgruppenorientierte Kommunikation – und umso richtiger, da noch nicht
einmal zu befürchten ist, traditionell konservative Konzertbesucher durch
die Präsenz an diesem vielleicht unwürdig erscheinenden Ort zu verschrecken.
Denn Graf von Hohenstaufen besucht eben keine Szenekneipe. Selbstverständlich
braucht ein moderner Anspruch auch moderne Kommunikation über moderne
Medien: Nicht nur die eins zu eins in das Internet gestellte Programmvorschau,
sondern eine Präsentation, die den Möglichkeiten elektronischer Medien
gerecht wird. Die Zusammenarbeit zwischen der Philharmonie Essen und der Agentur
begann mit den besten Voraussetzungen für die Strategie-Entwicklung: Das
von der Design Agentur Manx entwickelte Logo verbindet eine zeitlose Erscheinung
mit weiten Spielräumen für alle Varianten einer zielgruppengerechten
und innovativen Ansprache. Im Zusammenspiel mit dem Claim „this is life” besteht
nun die ideale Grundlage, die Kommunikation im Sinne der programmatischen Ziele
weiterzuführen. Dass die Freude am Einklang, „Philharmonie” im
besten Sinne also, nicht nur für das Orchester, sondern auch im Zusammenspiel
zwischen Programm und Kommunikation beziehungsweise Philharmonie und Agentur
gilt, wird bereits der Auftakt zeigen: Das innovative „Musikalische Richtfest”,
das am 20. und 21. Juni 2003 im Rahmen des Kulturpfadfestes stattfindet, wird
mit Veranstaltungen auf Straßenbühnen, Konzerten im Aalto-Theater,
Informationsständen und Kinderprogramm zum „Teaser” für
die Kommunikation des vielfältigen Gesamtangebotes – eine Kommunikation,
die das neue prägnante Profil auf attraktive und spannende Weise inszeniert
und den Zielgruppen tatsächlich nahebringt.
Ebenfalls im Sinne des neuen (Phil-)Harmonie-Denkens wird auch
auf dem „Musikalischen
Richtfest” Altes und Neues zusammengeführt: Zur Einweihung des künftigen
Zuhause der Philharmonie im altehrwürdigen und geschichtsträchtigen
Essener Saalbau sind neben einem illustren Kreis nationaler und internationaler
Künstler besonders auch die Essener eingeladen. Sie sollen ihre neue Philharmonie
in ihrem neuen alten Saalbau kennenzulernen, bevor beide ein Jahr später,
im Juni 2004, feierlich eröffnet werden.
Wolf trifft Schaf und es kommt anders als man denkt. Vielleicht
ist das eine neue Form der Kultur. Eine neue Kultur der Kommunikation.
Und eine neue Kommunikation
der Kultur. Auf jeden Fall eine Chance zu erleben, dass sich die Welt dreht.
This is life.
Anja-Maria Wahle , Geschäftsführende Gesellschafterin DIE NEUE Agentur
für Kreatives Marketing