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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 38
52. Jahrgang | Mai
Jazz, Rock, Pop
Es menschelt und es loungt
Malia im Frankfurter Jazzkeller am 12. April 2003
Kein Wunder, dass sich die junge Sängerin Malia im traditionsreichen
Frankfurter Jazzkeller offensichtlich wohlfühlt. Es ist der
typische kleine Kellerclub. Gemauertes Gewölbe, Rauch in der
Luft, Gläser klickern leise, hier und da wird geredet. Die
wenigen Tische sind sofort besetzt, dahinter reckt man stehend
die Hälse, um einen Blick zur Bühne zu erhaschen. Und
auf der Snare rührt der Besen den guten alten Swing dazu.
Talentiert und fröhlich
einerseits – Billie-Holiday-Verehrerin andererseits:
die zwei Seiten von Malia. Foto: Archiv
Das ist genau das, was sich Malia
seit ihrer Jugend gewünscht
hat, als sie in den 80er-Jahren
aus ihrer südafrikanischen Heimat nach London kam und anstelle des angesagten
New Wave à la Siouxie & The Banshees oder The Slits lieber Sarah
Vaughn und Billie Holiday entdeckte. Wegen der alten Jazzsongs, der hypnotisierenden
Balladen, der einnehmenden Stimmen, gebettet in die soft-virtuosen Soli der
Band, vom Publikum mit einem warmen Zwischenapplaus goutiert. Das alles zählt
zu den Klischees der Popkultur, aber zu denen, die jede Generation wieder neu
für sich entdeckt, in dem sie sich mit hohem Wohlfühlfaktor niederlässt.
Es menschelt, es loungt. Und im Publikum wird auch mal der Name „Sade“ getuschelt.
Sade stimmt vielleicht nicht ganz, eher ist der allgemeine Bereich des Acid
Jazz im Spiel. Also eher die geschmeidigen Grooves, die Malias Debütalbum „Yellow
Daffodils“ durch gefällige Soul- und Funk-Adaptionen sowie Dancefloor-Remixen
Afterworkclub-kompatibel halten.
Live dagegen soll es purer sein. Die vier französischen Jungs an Drums,
Bass, Gitarre und Fender Rhodes Piano machen ihre Sache einfühlsam und
gut und sehen obendrein aus, als könnten sie nebenher noch ein HipHop-Projekt
betreiben. Es ist also alles richtig und angemessen für die Zeit, in der
eine Popjazz-Chanteuse wie Norah Jones aus dem Nichts in den Glamour der Kulturmagazine
gehoben wird. Malias Konzert ist entsprechend ausverkauft und es macht nichts,
dass es hier nicht um Innovation, sondern um stylische Traditionspflege geht,
dass es gar ein wenig langweilig ist. Denn etwas „A Star Is Born“-Atmosphäre
liegt in der Luft. Die 25-jährige Sängerin ist sehr charmant, ulkt
grinsend über ihr Kleid, das dauernd unter den hier nunmal schwitzenden
Achseln kneift. Und sie versäumt es nicht, in diesem Zusammenhang auf
das Video zu ihrer Single „Purple Shoes“ zu verweisen. In dem spaziert
sie nämlich nur mit den besungenen „Paul Smith Schuhen“ bekleidet
durch die Straßen. Kann man im Internet finden, Gierhälse werden
allerdings durch dicke schwarze Balken im Bild geärgert.
Auf der Bühne ist Malia barfuß, was, als sie schließlich das
Lied spielt, zu lustigen Gesten führt. Aber die Stimmung ist zu diesem
späten Zeitpunkt sowieso lockerer. „Purple Shoes“ ist, wie
auch die Party-Ode „Lifting You High“, eines der astreinen Popsoul-Stücke
im Programm. Nein, nichts gegen Klassiker wie „Solitude“, „Moon
River“ oder „I’m Through With Love“, Malia bewältigt
sie weitgehend souverän, auch wenn einige „dirty tones“ eher
von Unsicherheit zeugen als von künstlerischer oder emotionaler Aneignung.
Nur stehen ihr und ihrer Band eigentlich die gutgelaunten Uptempo-Nummern am
besten. Sie sind von ihrem Produzenten André Manoukian mit Esprit auskomponiert,
die Musiker spielen gekonnt mit dem Flow und das Publikum erfreut sich an ihrem
solistischen Spielwitz. In diesen Momenten hat Malia ihre geliebte Billie Holiday
erst einmal in den Schrank gehängt und ist die talentierte, fröhliche
junge Sängerin, die Evian trinkt und zu knackigen Snare-Schlägen
tanzt. Und das reicht doch für’s Erste, auch in einem kleinen Kellerclub
mit jazzgeschwängertem Rauch in der Luft.