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nmz-archiv
nmz 2003/05 | Seite 23
52. Jahrgang | Mai
Noten
Das geht doch auch mit Links
Ein Andante Finale für die vernachlässigte Hand bei
Edition Haas, Köln
Theodor Leschetizky: Andante Finale op. 13 für die linke Hand.
Ed.Haas, Köln
Der Nachruhm des 1830 bei Lemberg geborenen polnischen Pianisten
Theodor Leschetizky basiert fast ausschließlich auf seiner
Tätigkeit als Klavierpädagoge. Nach seiner Ausbildung
in Wien bei dem Beethoven-Schüler Carl Czerny (Klavier) und
bei Simon Sechter (Komposition) konzertierte und unterrichtete
er von St. Petersburg aus. Seit etwa 1878 bis zu seinem Tode im
Jahre 1915 lebte er in Wien.
Seine Unterrichtstätigkeit, die er nur privat ausübte,
war zur Zeit seiner Übersiedelung schon deutlich in den Vordergrund
getreten. Als sein Schüler Ignacy Jan Paderewski, der zwischen
1883 und 1887 bei ihm studiert hatte, Karriere machte, wurde der
Lehrer immer berühmter. Neben vielen großen Künstlern
wie zum Beispiel Annette Essipoff und Alexander Brailowski unterwies
er ab 1888 fast ein Jahrzehnt lang auch den angehenden Jahrhundert-Pianisten
Artur Schnabel.
Gerühmt wurde Leschetizkys Fähigkeit, den Schülern
einen schönen, singenden Ton zu vermitteln, und sie zu lehren,
sich selbst genau zuzuhören. Er konnte offenbar auf Menschen
ganz individuell eingehen und deren eigenständige Persönlichkeit
fördern. Vor allem romantisch-virtuose Klaviermusik interessierte
ihn, weniger die Meister der Klassik und der damaligen Moderne.
Schnabel berichtet, wie er ihm 1893 – elfjährig – die
soeben veröffentlichten Klavierstücke op. 119 von Brahms
vorspielte. Er wurde daraufhin vom Meister beschimpft und erhielt
drei Monate lang keinen Unterricht; andererseits schreibt Schnabel
auch, dass ihm das Studium von Schubert-Sonaten nahegelegt wurde.
Es ist weithin unbekannt, dass Leschetizky als Komponist tätig
war. Er schrieb eine ganze Reihe von heute schwer zugänglichen
Klavierwerken, vor allem romantische Charakterstücke und – wie
es damals üblich war – Transkriptionen.
Der Musikverlag Wolfgang G. Haas, Köln hat als erstes Heft
einer geplanten Reihe mit Klavierwerken von Leschetizky eine Besonderheit
herausgebracht: Andante Finale op. 13 für die linke Hand.
Als Vorlage dient das Sextett vom Ende des zweiten Aktes der Oper „Lucia
di Lammermoor“ von Donizetti, das Liszt in einer wunderbaren
zweihändigen Bearbeitung vorgelegt hat. Der Herausgeber Burkhard
Muth hat den Notentext revidiert und mit einem liebevoll geschriebenen
Vorwort versehen. Leschetizky hat dem sehr virtuos angelegten Stück
eine Einleitung vorangestellt. An den Spieler stellt er erhebliche
Anforderungen: Die linke Hand muss einen Klaviersatz bewältigen,
in dem viele weitgefächerte Akkorde und sehr schnelle Spielfiguren
die Melodie umranken.
Besonders am Schluss spürt man des Komponisten/Interpreten
Freude, die Hand immer wieder in arpeggierten Dreiklängen
und Septakkorden bis in die höchste Diskantlage und zurück
zu jagen. Diese kompositorische Rarität bildet ein typisches
Beispiel für romantische Virtuosenmusik – und zugleich
einen interessanten Beitrag zur Literatur für die linke Hand
allein.