[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/06 | Seite 44
52. Jahrgang | Juni
Oper & Konzert
Naturidylle und Relikte des Kalten Krieges
Das Bebersee Festival 2003 im Konzerthangar des Flughafens Groß
Dölln vom 26. Juli bis 3. August
Obwohl er die längste Landebahn Europas hat, werden sie den
Flughafen Groß Dölln auf keiner Landkarte finden. Sonderbar
verlassen schlummert seit 1996 das ehemalige Militärgelände
der Sowjetarmee in der traumhaft schönen Natur des Biosphärenreservats
Schorfheide in der Uckermark. 1999 entdeckte der mittlerweile international
anerkannte Pianist Markus Groh die spannungsgeladene Atmosphäre
zwischen Stahlbeton und Naturidylle als Podium für kammermusikalische
Konzerterlebnisse.
v.l.n.r.: Markus Groh, Akiko
Suwanai, Winfried Stehle und Claudio Bohòrquez vor
dem Konzerthangar des Flughafens Groß Dölln
Markus Groh, der sich seit seinem Ersten Preis beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb
in Brüssel 1995 in die großen Konzerthäuser der
Welt spielt, lebt zwischen Berlin und New York. Keimzelle des Festivals
wurden 1999 die unter anderem von ihm ins Leben gerufenen „Beberseer
Soiréen“ zur Förderung aufstrebender Nachwuchskünstler.
Parallel neben den Soirèen entwickelte er gemeinsam mit befreundeten
Musikern die Idee, sich abseits des stressigen Konzertalltags zum
musi-kalischen Gedankenaustausch mit abschließendem Konzert
zu treffen. So fanden durch Grohs internationale Kontakte in den
letzten Jahren durchaus bekannte Namen, wie Boris Pergamenschikow,
Antje Weithaas, oder Alban Gerhardt den Weg in den abgelegenen Ort.
Aufgrund der wachsender Resonanz hatte man beschlossen, einen der
alten Hangars auf dem nahegelegenen ehemaligen Sowjetstützpunkt
als Aufführungsort zu nutzen. Das Ergebnis war für die
Musiker wie Konzerbesucher gleichermaßen ergreifend. „Es
hat schon eine Bedeutung dort, wo früher Waffen gelagert waren,
Musik von Schnittke und Schostakovitsch zu erleben,“ so Groh.
In diesem Jahr soll das Festival zum ersten mal eine Woche dauern.
Das Festivalhotel Döllnsee bietet entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten.
Mit öffentlichen Proben, Ausstellungen und Performances „in
progress“, die sich auf den geschichtlichen Hintergrund des
Ortes beziehen und sozusagen teilweise erst während des Festivals
entstehen sollen, streben die Veranstalter einen regen Austausch
zwischen allen Beteiligten – Aufführenden wie Besuchern
– an. Die thematische Konzeptionierung der Konzertabende,
jeweils unter dem Thema einer europäischen Nation, steht für
die Vielfältigkeit Europas. Dabei ist Markus Groh jedoch wichtig,
dass die Möglichkeit offen bleibt, sich auch noch kurzfristig
für Stücke entscheiden zu können. „Das konkrete
Programm gibt es wie bei Lockenhaus also erst einen Abend vorher.“
Die jungen Ausführenden, die sich durchweg auf der internationalen
Karriereleiter im oberen Drittel bewegen, sind persönliche
Kontakte des Pianisten, die zugunsten des Festivals auf ihre sonst
gewohnten Konzerthonorare verzichten. „Mit dem Förderverein
haben wir eine solide finanzielle Basis, freuen uns aber natürlich
immer über neue Sponsoren.“
Die Veranstalter Markus Groh, Hans-Christoph Maruschat (Management)
und Monika Trautwein (Dramaturgie) wen den sich mit dem Festival
keineswegs nur an kammermusikbegeisterte Experten: „Die Verbindung
von Kammermusik und Kunst auf dem speziellen Gelände soll in
einer entspannten Umgebung zum Nachdenken anregen, aber auch Zeit
und Ruhe lassen,“ wünscht sich Groh.
Als einmalige Attraktion des Festivals kann man mit einer Genehmigung
vom Luftfahrtamt Brandenburg sogar im Privatjet direkt vor dem Konzerthangar
landen. Auch gibt es die Option, mit einer russischen „Antonow“
von 1948, dem größten Doppeldecker der Welt, Charterflüge
vom Flughafen Berlin-Tempelhof zu buchen. Na dann – Guten
Flug!