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nmz-archiv
nmz 2003/06 | Seite 34
52. Jahrgang | Juni
Musik-Termine
Auf Wellen geschrieben
Seit einigen Jahren entdecken immer mehr Komponisten die assoziativen
Qualitäten von Musik. Titel, Gestik und Klanglichkeit zielen
verstärkt auf außermusikalische Vorstellungen. Das Hörerlebnis
soll – frei nach Immanuel Kant – ein freies Spiel von
Einbildungskraft und Verstand sein, unabhängig von verbindlichen
Strukturideen oder Begriffen, aber geleitet von bildlichen oder
musikdramatischen Vorgaben. Bestätigt finden konnte man dies
jüngst bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik, zum
Beispiel anhand neuer Stücke von Bernhard Lang, Emanuel Nunes
und Johannes Maria Staud, die allesamt Literatur verinnerlichten
und als Vorgängerwerke zu geplanten Musiktheaterwerken entsprechend
„beredt“ ausfielen.
Ein Meister leiser, aber umso eindringlicherer Musik, die huschende
Sprechstimmen, Bilder, Szenen und Räume imaginieren lässt,
ist Salvatore Sciarrino, dessen „Graffito sul mare“
für das Trio Accanto und das RSO des Bayerischen Rundfunks
entstand und mit diesen am 6. Juni im Herkulessaal der Münchner
Residenz erstmals zu hören sein wird. Statt wie Sciarrinos
fließende Bilder auf flüchtigen Wellen ist Tizians Gemälde
„Dornenkrönung“ seit über vierhundert Jahren
fest auf Leinwand gebannt. Giselher Klebe hat sich davon jetzt zu
seinem gleichnamigen „Poema sinfonico“ für Mezzosopran
und Orchester nach dem 22. Psalm inspirieren lassen, das am 21.
Juni im Sommertheater Detmold zur Uraufführung gelangt.
Starke Affinität zum Musiktheater auch zeigt Reinhard Febels
„Wolkenstein“ für Schauspieler, Chor, Solisten
und Instrumente, das am 22. Juni im Berliner Konzerthaus erstmals
zu hören sein wird und den spätmittelalterlichen Ritter-Dichter
Oswald von Wolkenstein beim Diktieren seiner Verse zeigt. Geradezu
klassischen Topoi folgen Heinrich Poos`„Orpheus Laute“
für zwei gemischte Chöre a capella am 28. Juni in der
Münchner Allerheiligen-Hofkirche und Werner Heiders „Am
Horizont“ für Orgel und Orchester am 29. Juni in der
Nürnberger Sebalduskirche. Ob schließlich Christoph Staudes
„After Images“ für Ensemble ebenfalls nach Bildern
komponiert ist oder ob es gerade umgekehrt die Zeit der Bildhaftigkeit
von Musik wieder hinter sich lässt, wird sich am 28. Juni im
E-Werk Freiburg i.Br. zeigen.
Rainer Nonnenmann
Weitere Uraufführungen
13.6.: Jörg Herchet, Das geistliche Jahr, Pfingstkantate,
Kreuzkirche Dresden
15.6.: Rebecca Saunders, Neues Werk für 6 kl. Kammermusikgruppen,
London
20.6.: Tatjana Komarova, Klaviertrio, Klavierfestival Ruhr, Duisburg
21.6.: Volker Heyn, Syz für Percussion, E-Gitarren, Klaviere
und Live-Elektronik, Gare du Nord Basel
27.6.: Johannes Kalitzke, Memoria für neun Spieler, Romanischer
Sommer St. Maria im Kapitol Köln
29.6.: Mesias Maiguashca, Neues Stück für je zwei Cellisten
und Schlagzeuger, Sudhaus Tübingen