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nmz-archiv
nmz 2003/06 | Seite 4
52. Jahrgang | Juni
Cluster
Tafelsilber
Für knapp 3 Millionen Euro wurde am 22. Mai 2003 das Druckmanuskript
der neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven bei Sotheby‘s
versteigert. Den telefonischen Bieter kennt man nicht, den Anbieter
wohl: Es ist die Strecker-Stiftung Mainz, die den erzielten Wert
angeblich in die Förderung der Musikerziehung und des Musiklebens
fließen lassen möchte.
Tolle Sache für die Musikerziehung, prima fürs Musikleben.
Dann geht’s ja aufwärts. Für welchen Preis und unter
welchen Bedingungen nun das Manuskript vom Schott-Verlag, dessen
Vorsitzender der Geschäftsführung Dr. Peter Hanser-Strecker
ist, zur Strecker-Stiftung, mit ihrem Vorstandsvorsitzendem Dr.
Peter Hanser-Strecker, wechselte, bleibt ein offenes Geheimnis.
Dass das Bonner Beethovenhaus, unterstützt von der Kulturstiftung
der Länder, das Manuskript hätte erwerben wollen, und
bis zur Summe von etwas mehr als zwei Millionen Eu- ro mitbot, ist
der Strecker-Stiftung offensichtlich ziemlich schnuppe. So ei- ne
Institution zählt wohl eher nicht zu dem Musikleben, welches
man zu fördern gedenkt. Ebenfalls aus der Schott‘schen
Reste-Rampe kamen letztes Jahr schon ein paar Wagner-Manuskripte
unter den Hammer, was bei den Wagnerforschern in Bayreuth Verärgerung
auslöste.
„Ich war jung und brauchte das Geld,” sagen jene, die
sich für ihre Jugendsünden entschuldigen. Und hier: Alles
im Dienste der Musikerziehung und des Musiklebens? Wann dürfen
wir angesichts der Not mit den Erlösen aus den Manuskripten
der Orff’schen „Carmina Burana” rechnen? Tja,
Schott-Verlag, die hauseigenen Komponisten werden sicher aus diesem
verlegerischen Engagement ihre Konsequenzen ziehen und – zum
Ansparen ihres Stichbild-Wertes – bald nur noch Kopien oder
Kopien von Kopien abliefern.