[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2003/06 | Seite 23
52. Jahrgang | Juni
GNM
Freie Musikszene – frei wie ein Vogel
Zur aktuellen Situation der Kölner Gesellschaft für
Neue Musik (KGNM)
Kölns Oberbürgermeister Schramma hat unlängst eine
Sparliste vorgelegt. In Zukunft sollen die Kölner mit 240 Millionen
Euro weniger auskommen. Allein das Kulturdezernat hat sieben Millionen
einzusparen. Ein Horror-Katalog, der selbst bei „sparsamen”
Lokalpolitikern aus allen Fraktionen auf Unverständnis stößt.
Schließlich muss eine verantwortungsvoll geführte Kommune
vor allem diejenigen Strukturen erhalten, die außerhalb des
Mainstreams liegen und das Erscheinungsbild einer Stadt so maßgeblich
prägen wie die Arbeit der freien Kulturschaffenden. Köln
hat seinen internationalen Ruf als „Musikstadt” vor
allem den freien Szenen der Improvisierten, Alten und Neuen Musik
zu verdanken. Angesichts der Schließung von Spielstätten,
der Abwanderung von Musikern, der Streichung von Mitteln für
Konzertreihen und Ensembles ist dieser Ruf ernsthaft gefährdet.
Alle Bereiche haben mit Kürzungen zu rechnen. Gegenüber
den großen städtischen Institutionen droht jedoch die
vertraglich ungebundene freie Musikszene überproportional belastet
zu werden. Da sie ohnehin kaum Förderung erfährt, tragen
diese Kürzungen kaum zur Sanierung des städtischen Haushalts
bei. Die Bewerbung Kölns für den Titel der Europäischen
Kulturhauptstadt 2010 wird angesichts dieses Kahlschlags zur Farce.
Auch die „Kölner Gesellschaft für neue Musik”
(KGNM) ist betroffen. Der 1981 gegründete gemeinnützige
Verein bietet allen Interessierten die Möglichkeit, sich über
neue Musikentwicklungen zu informieren und im Rahmen von Veranstaltungen
unmittelbar daran teilzuhaben. Die Aktivitäten der KGNM umfassen
seit über zwanzig Jahren Konzerte, Musikfeste, Werkstätten,
Podiumsdiskussionen und Buchveröffentlichungen sowie den künstlerischen
Austausch mit na- tionalen und internationalen Part-nern. Darunter
finden sich Konzerte von und/oder mit Michael von Biel, John Cage,
Franco Evangelisti, Morton Feldman, Sofia Gubaidulina, Klaus Huber,
Gerhard Rühm, David Tudor, Stefan Wolpe und vielen anderen.
Mit der Herausgabe des Veranstaltungs-Kalenders „neue musik
termine” in einer Auflage von 2.500 Exemplaren informiert
die KGNM neben ihren über 150 Mitgliedern regelmäßig
eine breite Öffentlichkeit über Konzerte in Köln
und Umgebung. Hier kann jeder Veranstalter seine Termine mit zeitgenössischer
Musik kostenlos ankündigen, auch in den Grenzbereichen Improvisation,
Jazz und Installation. Den Auftrag und die finanzielle Unterstützung
hierzu erhielt die Gesellschaft auf Betreiben der vormaligen Musikreferentin
vom städtischen Kulturamt. Die aktuelle Ausgabe des Kalenders
enthält jedoch erstmals keine Termine. Stattdessen teilt die
KGNM mit, dass sie wegen der städtischen Sparmaßnahmen
ihre Informations- und Veranstalteraufgaben zur Zeit nicht mehr
wahrnehmen kann und alle Musikinteressierten zu Spenden und zur
Mitgliedschaft aufgerufen sind.
Die Verabschiedung des städtischen Haushaltes für 2003/04
wurde auf Ende Juli verschoben. Außerdem setzten Kulturamt
und Musikreferat eine Priorität zugunsten des Alte-Musik-Festivals
„Feste Musicali”. Daher wurden laufende Förderanträge
der KG-NM nicht genehmigt und wiederholt zugesagte Abschlagszahlungen
nicht geleistet. Seit Ende 2002 hat die KGNM keinerlei öffentliche
Förderung erhalten. Die Sparmaßnahmen widersprechen eindeutig
den Vereinbarungen der im Februar/März 2003 neu gebildeten
Schwarz-Grünen-Koalition. Diese hat zum ersten Mal ausdrücklich
Erhalt und Erhöhung der Fördermittel für die freischaffende
Kultur- und Musikszene vertraglich festgeschrieben, was bei allen
Beteiligten als großer politischer Erfolg angesehen wurde.
Dieser darf jetzt nicht unterlaufen werden. Eine wesentliche Rolle
kommt der KGNM im Rahmen des „Initiativkreises Freie Musik”
(IFM) zu. Ursprünglich als kulturpolitische Arbeitsgruppe der
Gesellschaft gegründet, entwickelte sich diese Initiative schnell
zu einem alle Musiksparten vereinigenden Zusammenschluss, dem heute
über hundert Einzelmitglieder, Ensembles, Orchester, Vereinigungen
und Spielstätten angehören. In enger Zusammenarbeit mit
dem IFM erstellte das Kulturdezernat ein Musikförderkonzept,
das endlich eine umfassende Sicherung der ortsansässigen freischaffenden
Musikszene vorsieht. Seit einem Jahr liegt das fertige Konzept jedoch
wegen Sparmaßnahmen auf Eis. Immerhin stellte die Fraktion
von Bündnis 90/Die Grünen kürzlich den Antrag, das
Musikförderkonzept in die Ratsdebatte einzubringen. Auch wenn
der erforderliche politische Wille zur Umsetzung des Konzepts bisher
nur auf dem Papier steht, bleibt dieser Vorstoß ein ermutigendes
Zeichen. Neben der Weiterentwicklung neuer Selbsthilfemodelle brauchen
die KGNM und die gesamte Kölner freie Musikszene das Förderkonzept
nötiger denn je.
Der Vorstand der KGNM (Pi-Chao Chen, Deborah Richards, Silvio
Foreti“, Rainer Nonnenmann, Albrecht Zummach)