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nmz-archiv
nmz 2003/06 | Seite 30
52. Jahrgang | Juni
ver.die
Fachgruppe Musik
Vor drei Jahren gewonnen, jetzt zerronnen?
Tiefe Einschnitte in das Musikschulgesetz in Brandenburg
Die brandenburgische Landesregierung in Potsdam hat im Rahmen
der Haushaltskonsolidierung tiefe Einschnitte in das Musikschulgesetz
beschlossen. Die im Gesetz vorgeschriebene Zuwendung des Landes
für seine Musikschulen in Höhe von 3,2 Millionen Euro
soll auf 2 Millionen Euro gekürzt, die Finanzierungsbalance
zwischen Land, Kommunen und Nutzer/-innen zu Lasten der Schüler/-innen
verschoben werden. Im März demons- trierten 4.000 Menschen
vor dem Potsdamer Landtag dagegen und überreichten 106.000
Unterschriften ge-gen die Änderungen. Die Änderungen konnte
die machtvolle Demonstration nicht stoppen.
Brandenburgs Musikschüler
und ihre Eltern protestieren vor dem Potsdamer Landtag.
Beide Fotos: transit
Vor drei Jahren hatten die Bürgerinnen und Bürger im
Land Brandenburg ihren Willen erklärt, die kommunalen Musikschulen
ihres Landes gesetzlich zu verankern und finanziell zu sichern.
Mit Volksinitiativen haben sie dies gegen den Willen von Politikern
und Politikerinnen durchgesetzt.
Das Ziel war klar:
• Der hohe Stellenwert der Musikschule ist durch ein Gesetz
zu dokumentieren,
• die Finanzierung ist zu sichern und damit Planungssicherheit
herzustellen, • für eine Einrichtung, die mit ihren Schülerinnen
und Schülern langfristi-ge gegenseitige Bindungen eingeht.
Zwar hat ver.di bereits in der ersten Fassung des Gesetzes kritisiert,
dass die Finanzierung sinnvoll nur mit ei-ner klaren Drittelverteilung
auf Land, Kommune und Nutzer gesichert werden kann. Eine entsprechende
Regelung scheiterte jedoch in erster Linie am Widerstand der Kommunen.
Zwar haben die Musiker in ver.di auch gesagt, dass – insbesondere
bei fehlender Drittelfinanzierung – der Landeszuschuss von
6,5 Millionen Mark (3,2 Millionen Euro) zu gering bemessen ist.
Trotzdem konnten wir sagen: Toll! Das Land Brandenburg hat ein
für die Bundesrepublik vorbildliches Musikschulgesetz geschaffen.
Und: Festgeschriebene 6,5 Millionen Mark sind besser als das alljährliche
Bangen und Zittern in den Haushaltsberatungen. Vor allem befanden
wir uns in dem Glauben, dass die Halbwertzeit eines Gesetzes höher
ist als die legislaturperioden-bedingte Kurzsichtigkeit von Finanzpolitikern.
Nun werden die Musikschulen erneut zur Kasse gebeten. Und das, obwohl
die Wunden von massiven Aderlässen der Vergangenheit noch nicht
einmal verheilt sind: Entgelterhöhungen, Personalreduktionen,
Gehaltskürzungen, Angebotseinschränkungen, Privatisierungen...
All das hat den Musikschulen in Brandenburg bereits schweren Schaden
zugefügt.
Natürlich ist niemand bereit, das einfach so hinzunehmen.
Auf Initiative des Landesverbandes der Musikschulen und mit Unterstützung
der ver.di waren zur Demonstration im März gegen die geplanten
Änderungen des Musikschulgesetzes einzelne Musikschulen komplett
angereist, Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen
Musikschulen des Landes erhielten von ihren Schulen eine Unterrichtsbefreiung
und konnten so dem Landtag eine Petition überreichen, die von
106.000 Menschen unterschrieben worden war. Die Unterschriftenak-tion
läuft weiter, trotz der Kürzun- gen. In den Musikschulen
des Landes werden Diskussionsveranstaltungen durchgeführt,
die ersten Abgeordneten zeigten blanke Nerven, weil sie mit Tausenden
von Briefen bombardiert werden.
Das landesweite Trommelfeuer zeigte immerhin Erfolge: Eine für
„Jugend musiziert” verfügte Mittelsperre wurde
aufgehoben, für die Kürzungen haben alle Parteien eine
Überprüfung signalisiert. Fieberhaft suchen die zuständigen
Politiker/-innen nach anderen Geldquellen für den Landeszuschuss.
Lotto und Spielbank sind dabei im Gespräch. Wie gut, dass Musiker/-innen
auf friedliche Art ganz schön laut werden können!