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nmz-archiv
nmz 2003/10 | Seite 48
52. Jahrgang | Oktober
Dossier:
Markenprodukt Musik
Wo sind die neuen Korngolds und Hollaenders?
Warum können sich Filmkomponisten in Deutschland heute nicht
mehr zur Marke entwickeln?
Die Antwort kann nur lauten: Weil dies offenbar von niemandem in
der deutschen Filmbranche (außer vielleicht von manchen Komponisten
selbst) gewünscht wird. Man hat sich an die allgemein geringe
Wertschätzung der Filmmusik in der Branche gewöhnt.
Ursache und Wirkung sind dabei kaum noch zu unterscheiden, denn
Hand in Hand haben Produzenten und Komponisten gemeinsam die deutsche
Filmmusik heruntergewirtschaftet und die Lust daran verloren. Film-
und TV-Musik entsteht heute in der großen Mehrzahl aller Fälle
unter unvorstellbar unprofessionellen Bedingungen.
Ursache und Wirkung 1: Mangelnder Sachverstand aller Beteiligten.
„Ich weiß nicht – was soll ich Ihnen sagen?“
„Das mit der Musik finde ich ja immer ganz schwierig.“
„Die Musik muss halt einfach irgendwie funktionieren.“
Häufig gehörte Standardsätze von Produzenten und
Regisseuren beim Briefing an den Komponisten, der – wenn musikalisch
versiert, so doch nicht selten ohne filmdramaturgische Vorbildung
– meist keinerlei derartige Unterstützung von seinen
Auftraggebern bekommt. Ausgeschlossen aus der Entwicklung von Buch
und Produktion, zu spät eingebunden in den Fertigstellungsprozess,
werkelt er unter größtem Zeitdruck und meist völlig
isoliert von den anderen Mitwirkenden.
Ursache und Wirkung 2: Künstlerische Eitelkeit statt Gesamtkunstwerk
Noch immer ist bei Produzenten und Regisseuren die Einstellung
verbreitet, dass die Filmmusik in erster Linie Reparaturen an etwaigen
Schwachstellen des Films zu leisten habe. Dabei wird übersehen,
dass die Wirkung einer gelungenen Szene gerade aus dem optimalen
Zusammenspiel aller Elemente entsteht. Doch viele der an Text und
Bild Beteiligten fürchten eine übermächtige Wirkung
der Filmmusik, die etwa die Leistung ihrer eigenen Gewerke überschatten
könnte. Zu schmerzhaft ist die Erkenntnis, dass Musik auch
jenseits der Grenzen von Text und Bild noch wirken kann. Das ist
es aber doch gerade, was die Musik für den Film so wertvoll
macht.
Ursache und Wirkung 3: Dumping
Zu bequem ist der Status Quo: Die Filmproduzenten entdecken immer
wieder mit Freude, wie billig Filmmusik zu haben ist. Zu verlockend
ist das Angebot: Filmmusik – oft sogar umsonst! Welcher Filmproduzent
könnte da widerstehen? Und wie unkompliziert ist doch der Umgang
mit No-Name-Leuten! Der Anteil von in der Regel höchstens einem
halben Prozent für die Filmmusik am Gesamtbudget einer deutschen
Filmproduktion deckt zumeist nicht einmal die Selbstkosten des Komponisten.
Zur Entwicklung seines persönlichen Stils fehlen ihm die elementarsten
Grundvoraussetzungen: Kompetenz gepaart mit hohem Anspruch und Grundvertrauen
seitens der Auftraggeber, Zeit, Geld. Kurz: Spielräume.