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nmz-archiv
nmz 2003/12 | Seite III
52. Jahrgang | Dez./Jan.
Weihnachtsbeilage 2003:
Bücher, Hörbücher und CDs
Der Jazz als internationale Sprache
Reclams Jazzlexikon neu erschienen
Wolf Kampmann: Reclams Jazzlexikon, Reclam Verlag, 688
S., Abb., € 29,90, ISBN 3-15-010528-5
Eines sollte man vorweg erwähnen: „Reclams Jazzlexikon“
ist keine Neuauflage von „Reclams Jazzführer“.
Herausgeber Wolf Kampmann hat für den traditionsreichen Verlag
ein zeitgemäßeres Konzept erarbeitet. Zehn renommierte
Autoren, von Ralf Dombrowski bis Ssirus W. Pakzad, hat er für
sein Jazzlexikon eingespannt. Ekkehard Jost zeichnet für das
vorzügliche Sachlexikon verantwortlich. Herausgeber Kampmann
fasst Jazz als internationale Spache auf, mit unterschiedlichsten
Ausprägungen, Akzenten und Grammatiken. Für die Jazzauffassungen
des 21. Jahrhunderts seien deshalb Blues, Gospel und Ragtime ebenso
wichtige Quellen wie Folklore des Balkan, mediterrane und nordafrikanische
Musik, tibetanische Gesänge, indische Klassik, Reggae, Punk,
Chanson, Tango oder Klezmer. „Jazz ist zu einem Sammelbegriff
für musikalische Offenheit geworden, dessen Spektrum sich unablässig
erweitert.“
Ein schöner, wohltuend unpuristischer Ansatz ist das, der
tatsächlich das ganze erstklassige Lexikon durchzieht. So bekommt
hier Jimi Hendrix seinen wohlverdienten Platz neben Satchmo, Duke
Ellington und Miles Davis. Durchaus zu Recht finden wir hier auch
„jazzige“ Popmusiker wie Blood, Sweat & Tears, Grateful
Dead oder die beiden Frankieboys, Sinatra & Zappa. Verdienstvoll
sind auch Einträge zu wichtigen Randfiguren wie dem Texter
Oscar Brown Jr. („Work Song“) oder der Soulsängerin
Fontella Bass. Leider fehlt wieder einmal der einflussreichste Pop-
und Jazzsänger des 20. Jahrhunderts, Mr. Bing Crosby, aber
das sei hier nur am Rande vermerkt.
Weil man sich entschieden hat, auch Formationen ins Lexikon aufzunehmen,
tauchen hier neben den Crusaders, Weather Report oder Lounge Lizards
sogar die Weintraub Syncopators auf, die in den Roaring Twenties
die beste Jazzband Berlins war. Kaum einen der neueren Jazzgeneration,
von Till Brönner über Diana Krall bis zu Wolfgang Muthspiel,
vermisst man hier. Selbst Jazzproduzenten wie Norman Granz und Hal
Willner und legendäre Publizisten wie Leonard Feather werden
hier gewürdigt. Besonders freut einen in diesem Zusammenhang
der Eintrag zu „unserem“ Joe Viera, wahrlich „eine
feste Größe der deutschen Jazzszene“. Nicht nur
deshalb ist „Reclams Jazzlexikon“ uneingeschränkt
zu empfehlen.