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nmz-news
nmz 2003/12 | Seite 2
52. Jahrgang | Dez./Jan.
Personalia
Personalia
Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet.
Mit dem Kulturinformationszentrum
stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten
im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen
verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur
Darstellung gebracht werden.
Dieter Cichewiecz gestorben
Am 9. November 2003 ist nach schwerer Krankheit und dennoch für
viele seiner Freunde vollkommen überraschend Professor Dieter
Cichewiecz gestorben. Sein Name verbindet sich mit dem Ensemble
„Das Neue Werk Hamburg“, das er über viele Jahre
leitete. Unter seiner Leitung kamen dort viele Uraufführungen
zustande. Diese Arbeit setzte er an der Münchner Musikhochschule
fort, wo er in den 90er-Jahren das „Ensemble für Neue
Musik der Hochschule für Musik in München“ reorganisierte
und leitete. Mit der Reihe „Zeitgenössische Komponisten
im Gespräch“ führte er dort einen neuen Veranstaltungstypus
des persönlichen Kontaktes von Studierenden und Komponisten
ein, der sich regen Zuspruchs erfreute. Cichewiecz hat im Stillen
gewirkt, sein Fehlen wird um so stärker wahrgenommen werden.
rs
Kurt von Fischer
Wie kaum ein anderer verkörperte er die Vielfalt des Gegenstands,
die sich einem Musikhistoriker öffnen kann. Wenn er so offen
ist wie der 1913 in Bern geborene Kurt von Fischer. In den Stilperioden
deckten seine Forschungen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert ein enormes
Spektrum ab: die faszinierende Kunst des italienischen Trecento,
die Musik Bachs, Mozarts, Beethovens, Schuberts, Griegs oder Hindemiths,
zu dessen Nachfolger als Lehrstuhlinhaber an der Universität
Zürich er 1957 berufen wurde. Seine Beschäftigung umfasste
grundlegende Quellenforschung oder die Mitarbeit an historisch-kritischen
Gesamtausgaben ebenso wie die perspektivenreiche, zunächst
von den Theorien seines Lehrers Ernst Kurth beeinflusste Analyse.
In seiner letzten Buchpublikation zur Geschichte der Passionsvertonungen
flossen noch einmal zentrale Fragestellungen seines Wirkens zusammen:
zum Verhältnis von Religion und Musik, von Text und Vertonung,
von Neuer Musik und Tradition. Am 27. November ist Kurt von Fischer
in Bern verstorben. jmk
Foto: Charlotte Oswald
Spiritus rector des Opern-Theaters
Zum sechzigsten Geburtstag Gerard Mortiers Die Beschäftigung mit Oper hält jung. Das muss man
glauben, wenn man Gerard Mortier betrachtet. Seit mehr als drei
Jahrzehnten beweist er die Lebendigkeit der Kunstform „Oper“
in all ihren Schattierungen und Perspektiven. Nach den „Gesellenjahren“
im heimatlichen Belgien stieß der studierte Jurist Mortier
zum Dohnanyi-Team in Frankfurt am Main: Es waren große, prägende
Jahre für den „Gegenstand“ Oper, aber auch für
den Mitstreiter Gerard Mortier. Danach folgten kürzere Zwischenspiele
bei Dohnanyi in Hamburg und in Paris bei Rolf Liebermann. Dann „machte“
Mortier sich „selbständig“, wie man in Unternehmersprache
zu sagen pflegt: Er übernahm das Théâtre Royal
de la Monnaie in Brüssel. In zehn Jahren führte er das
ruhmreiche, zu jenem Zeitpunkt ein wenig derangiert wirkende Opernhaus
in die internationale Spitzengruppe der Musikbühnen. „Brüsseler
Spitzen“ waren vor allem die Mozart-Aufführungen, die
Luc Bondy, Ursel und Karl-Ernst Herrmann und Patrice Chéreau
für Mortier schufen.
Mortier schätzt den Begriff „Musiktheater“ nicht
besonders, weil darin der Sänger hinter der Musik zu sehr verschwindet.
Stattdessen formulierte er für seinen Brüsseler Stil den
Begriff „Opern-Theater“ (mit Koppelung geschrieben).
Oper ist zwar immer auch „Theater“ gewesen, doch die
zusätzliche Betonung verwies auf die absolute Gleichrangigkeit
von Musik, Gesang und Szene, die Mortier für die Oper als unabdingbar
reklamierte. In Brüssel wurde dieses ästhetische Konzept
in einer langen Reihe von Inszenierungen verschiedenster Werke wegweisend
beglaubigt.
Der Brüsseler Ruhm trug Mortier dann für ein Dezennium
an die Spitze der Salzburger Festspiele. Mit dem ihm eigenen Temperament,
mit Begeisterung und Streitlust setzte er seine Vorstellungen von
einem Festspiel um, das sich nicht in gesellschaftlicher Repräsentanz
erschöpft, vielmehr künstlerische und ästhetische
Zeichen setzt, Signale ausschickt in eine Zeit, die sich anschickt,
Kunst und Kultur vor allem als hübsches Beiwerk zu benutzen.
Diese „Salzburger Dramaturgie“, an der Salzach oft mit
Misstrauen beäugt und insgeheim oder offen von manchen Leuten
im Lande bekämpft, übertrug Mortier jetzt entsprechend
modifiziert auf die Ruhr-Triennale. Diese Neugründung hat im
zweiten Jahr ihres Bestehens erstaunlich rasch an eigenständigem
Profil und künstlerischer Qualität gewonnen, auch den
Zuspruch eines Publikums, das nicht wie in Salzburg in der Begegnung
mit der Kunst vor allem sich selbst zu spiegeln pflegt.
Jetzt ist Gerard Mortier sechzig Jahre alt geworden. Schlank, agil,
jünglingshaft und neugierig blickt er im nächsten Herbst
Paris entgegen. Für vier Jahre wird er als Nachfolger Hugues
Galls die Opéra National mit deren zwei Spielstätten,
Bastille-Oper und Palais Garnier, leiten. Danach ist, wie es das
französische Gesetz vorschreibt, die Pensionierung angesagt.
Dass Gerard Mortier dann auch in Pension geht, steht nicht zu befürchten.
gr
Spiritus rector des Konzertlebens
Zum sechzigsten Geburtstag von Michael Hock Heutzutage lassen sich junge Menschen gern an speziellen Instituten
zum Kulturmanager ausbilden – obwohl die Gefahr besteht, dass
es bald keine Kultur mehr geben wird, die man managen könnte.
Michael Hocks beschritt einst den klassischen Weg, der zur Kultur,
zu Kunst und Musik führt: Er studierte Rechtswissenschaften
und fand sich damit im Kreis jener Personen wieder, die ihre spätere
künstlerische Laufbahn mit „Jura“ begonnen hatten:
Von E.T.A. Hoffmann bis Karl Böhm oder Peter Ruzicka, um nur
drei Namen zu nennen. Hocks, 1943 kriegsbedingt im österreichischen
Spittal geboren, übernahm 1986 die Leitung der Jahrhunderthalle
Hoechst, von 1998 an die Geschäftsführung und Intendanz
der Alten Oper Frankfurt am Main. Zuvor war Hocks als Mitinhaber
der Konzertdirektion Schmid in Hannover und als musikalischer Betriebsdirektor
an der Hamburgischen Staatsoper tätig. In der Jahrhunderthalle,
die heute wegen der Verlegung des Chemiewerkes Hoechst ins Ausland
eher ein kümmerliches Schattendasein führt, organisierte
Hocks ein vielgestaltiges, anspruchsvolles Programm aus Konzert,
Kammermusik, Ballett und Unterhaltung, das den Wünschen eines
äußerst differenzierten Publikums ideal entsprach, ohne
sich je bequem anzudienen. Für die Stadt Frankfurt bedeutete
die Jahrhunderthalle damals eine wertvolle Bereicherung auch des
regionalen Kulturlebens.
In der Alten Oper bewies und beweist Hocks seine Begabung, trotz
zunehmender finanzieller Bedrängung ein ambitioniertes Programm
zu gestalten, wobei auch die neue Musik ihren gebührenden Platz
einnimmt. Ökonomischer Verstand, künstlerisches Verantwortungsgefühl,
Sinn für Qualität verbinden sich bei ihm mit ungebrochenem
Enthusiasmus und einer ganz persönlichen Liebe zur Musik, die
in tiefer Erfahrung und einem großen Wissen von ihrem Wesen
und ihrer Wirkung für den Menschen wurzelt. Dass Michael Hocks
auch Diplomat sein kann, beweist er im Umgang mit Spendern, Sponsoren
und den Freunden der Alten Oper. Sie alle helfen ihm tat-und geldkräftig
bei der Verwirklichung seiner Pläne, weil er sie davon überzeugen
konnte, wie wichtig Musik für den Seelenhaushalt des Menschen
ist. gr
Foto: Charlotte Oswald
Olga Neuwirth
Bei den letzten Salzburger Festspielen störte ein Brief die
Festspielruhe: Die Komponistin Olga Neuwirth protestierte gegen
den Beschluss der Direktion, die bei ihr in Auftrag gegebene Oper
für das Mozartjahr 2006 zu storniernen, angeblich weil die
Geldmittel dafür nicht zur Verfügung stünden. Man
vertröstete sich auf den Herbst, wenn man Gespräche mit
dem Sponsor Alberto Vilar geführt hätte, ob dieser bereit
und in der Lage wäre, den Festspielen wieder etwas Cash zukommen
zu lassen. Ist er nicht. Also wurde der Komponistin jetzt endgültig
abgesagt. Dabei sollte Neuwirths Oper sogar etwas zum Thema Mozart
beisteuern: Eine Art Paraphrase über Don Giovanni, auf ein
Libretto von Elfriede Jelinek. Jetzt haben Wiener Staatsoper und
die Bastille-Oper Paris das Projekt übernommen (siehe
Seite 34). Foto: Charlotte Oswald
Musikexportbüro heißt „German Sounds“
Der noch vor wenigen Wochen formulierte dringliche Wunsch des Musikrates,
das Musikexportbüro komplett seiner Organisationsstruktur zuzuschlagen,
muss als gescheitert betrachtet werden. Wie aus Kreisen des Deutschen
Musikrates verlautet, wurde in einem Gespräch in Berlin zwischen
BKM, VUT, Musikrat und IFPI die Gründung einer AG namens „German
Sounds“ beschlossen, die mit einem Stammkapital von 50.000
Euro als Deutsches Musik-Exportbüro fungieren soll. Der Deutsche
Musikrat, für den Präsident Martin Maria Krüger und
Vizepräsdient Jens Michow die Verhandlungen führten, ist
an dieser Formation mit zehn Prozent beteiligt. In dieser Größenordnung
dürfte sich dann auch der Einfluss des Musikrates auf die Arbeit
dieser Institution im Verhältnis zu Industrie und Politik bewegen.