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nmz-archiv
nmz 2003/12 | Seite 4
52. Jahrgang | Dez./Jan.
Cluster
mica in Gefahr
Nächstes Jahr kann das österreichische Musikinformationszentrum
mica seinen zehnten Geburtstag begehen. Was Anlass zur Freude sein
könnte, wird jedoch maßgeblich getrübt. Denn wenn
die Tendenz der letzten Jahre anhält, wird die Finanzierung
2004 auf ein Maß heruntergefahren, das die Kontinuität
der Arbeit nachhaltig gefährdet. Schon 2003 haben Streichungen
(samt deren später Bekanntgabe im September des laufenden Jahres)
zu Absagen scheinbar abgesicherter Projekte geführt.
Nun sind finanzielle Sparmaßnahmen heute nicht nur in Deutschland
an der Tagesordnung. Jedes Mal zu jammern lohnt nicht. Aber das
mica hat in den letzten Jahren außerordentlich erfolgreich
gearbeitet – auch ökonomisch, was freilich auf dem Gebiet
der Kultur, das zum Beispiel über internationale Kompositionsaufträge,
Einnahmen der Rechte- und Verwertungsgesellschaften, durch Instrumenten-,
Noten- oder CD-Verkäufe, aber auch über Tourismus und
manch anderes ein schwer errechenbares Netzwerk herstellt, nicht
exakt zu beziffern ist. Man muss deshalb vermuten, dass hinter diesen
Schritten nicht nur ökonomische Gründe stecken. Der Stellenwert
Neuer Musik wird offensichtlich insgesamt in Frage gestellt.
Hiermit freilich dürfte sich das Land Österreich ein
Eigentor schießen. Denn das mica hat weltweit Vorbildfunktion.
Nur in wenigen Ländern (vielleicht in einigen Nordeuropas)
gibt es so eine flächenweite Abdeckung der schöpferischen
Ansätze, eine so klare und genaue Übersicht über
Komponisten und Musiker, ihr Wirken, ihre Werke ihre Projekte wie
hier. Die umfassende Kompetenz, aber auch die Präsenz des mica
(etwa auf internationalen Festivals mit zeitgenössischer Musik)
hat zweifelsohne viel zum Stellenwert der gegenwärtigen österreichischen
Musik beigetragen, der fraglos ein führender ist (Einladungen
und Aufträge in sichtbar großem Umfang sind das Ergebnis).
Die österreichische Szene lebt und belebt sich ständig
aufs Neue (sie tut es aber keineswegs „von selbst“,
sondern ist auf ein beförderndes Umfeld, wie es das mica herstellt,
angewiesen), dadurch strahlt sie aus auf Komponisten anderer Länder
und trägt führend bei zu einem gedeihenden Fortleben der
Kunst, der Musik.
Was das mica betrifft ist es freilich nicht nur die souveräne
Verwaltung der Daten, die beispielgebend ist. Hinzu tritt die aktive
Verbindung mit dem musikalischen Leben. Über Präsentationen,
Konzerte und Diskussionen hat das mica ein Ambiente geschaffen,
das die Auseinandersetzung mit Fragen zeitgenössischer Kunst
nicht zu einem sterilen Austausch von Insidern verkommen lässt,
sondern stets das Anknüpfen an allgemeine, gesellschaftspolitische,
soziale, philosophische und andere Fragen sucht mit der Absicht,
künstlerisches Tun als komplex vernetztes Wirken verständlich
und begreifbar zu machen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der „Stimmung“,
und wer einmal das mica im Wiener Bereich Spittelberg besuchte (auch
diese Räumlichkeiten sind im Spardruck fatal zur Debatte gestellt),
der war gewiss von der Offenheit und Strahlkraft dieses Zentrums
stark beeindruckt. Hier wurde und wird nicht allein verwaltet, hier
wird aktiv vorgelebt wie kreativer Austausch möglich sein kann.
Hier den Stift anzusetzen, hätte national wie international
schwerwiegende Folgen. Es wäre ein Präzedenzfall, das
das Beispielgebende des mica in sein Gegenteil verzerren würde.