Bologna und Bachelor – Musikausbildung geht neue Wege
Kongress der Association Européenne des Conservatoires,
Académies de Musique et Musikhochschulen in Karlsruhe
Seit nunmehr 50 Jahren vertritt die Association Européenne
des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen
– kurz AEC – die Interessen von Institutionen, die sich
mit der Ausbildung für Musikberufe befassen; sie regt geistigen
und kulturellen Austausch an und organisiert Projekte. So waren
denn auch gut 250 Teilnehmer aus allen Teilen der Welt – von
Brasilien bis Bulgarien, von China bis zu den USA – nach Karlsruhe
gekommen. Doch sollte es beim diesjährigen Jubiläumskongress
– übrigens der erste seit über 25 Jahren, der wieder
in Deutschland stattfand – nicht nur um die Ausrichtung der
Geburtstagsfeierlichkeiten gehen, sondern um tiefgründigere
und weitaus kompliziertere Dinge.
Im Zentrum der Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen standen die
Vereinheitlichung des Musikstudiums in den europäischen Mitgliedsländern
sowie die Zukunft der professionellen Musikausbildung. Und diese
soll nicht wie bisher getrennte Wege gehen, sondern einen gemeinsamen.
Ian Horsbrugh, der Präsident der Vereinigung, sah das Hauptanliegen
des Kongresses darin, „die Mobilität der Studenten zu
fördern. Es soll möglich sein, die Studienaktivitäten
in einem Land aufzunehmen, dann in ein anderes zu wechseln und vielleicht
in einem dritten das Studium abzuschließen.“ Zur Zeit
ist dies, wenn überhaupt, nur unter erschwerten Bedingungen
möglich; denn sowohl Niveau als auch Studieninhalte wie Studienvoraussetzungen
der einzelnen Länder weichen sehr stark voneinander ab. Beispiel
Großbritannien: Dort überwiegt seit jeher der theoretische,
musikwissenschaftliche Anteil, während in Deutschland der künstlerische,
instrumentale Anteil einen höheren Stellenwert hat. Trotz aller
Gegensätze gelang es einer Kommission, innerhalb der vergangenen
zwei Jahre ein Papier zu formulieren, das die wesentlichen Aspekte
der Musikausbildung umfasst.
Fernziel der so genannten Bologna-Erklärung ist eine einheitliche
Struktur, die das Musikstudium in zwei Zyklen gliedert – Bachelor
und Master. Für diese beiden Abschlüsse müssen praktische
wie theoretische Lernziele aufeinander abgestimmt werden. In einzelnen
Arbeitsgruppen wurde nun in Karlsruhe das Papier nochmals diskutiert
und größtenteils angenommen – ein erfreuliches
Ergebnis, das nicht unbedingt zu erwarten war. In diesem Papier
geht es um die Fähigkeiten, die ein Student jeweils innerhalb
der beiden Zyklen erwerben sollte. Dazu gehören beispielweise
die Beherrschung eines bestimmten Repertoires und die Fähigkeit,
eigene künstlerische Konzepte zu entwickeln, aber auch Fertigkeiten
wie verbale Ausdrucksfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Organisationsfähigkeit
– Fächer, die in den USA bereits seit längerer Zeit
als Wahlpflichtfächer angeboten werden und eine große
Resonanz erfahren haben. Grund dafür ist eine bereits sichtbare
Umstrukturierung des Musikbetriebs und eine dadurch für die
Absolventen notwendige Neuorientierung.
Zum ersten Mal in der Geschichte des AEC wurden auch Studenten mit
in die Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen einbezogen – ein
längst überfälliger Schritt! Die studentischen Vertreter
forderten vor allem mehr Eigenständigkeit, das Angebot von
Zusatzqualifikationen und die stärkere Bemühung der Lehrenden
um eine individuelle Förderung. Um eben diese Aspekte ging
es in einer öffentlichen Podiumsdiskussion. Schade nur, dass
durch die vielen zwar sehr interessanten, aber meist zu ausführlichen
Statements keine Zeit mehr zum Diskutieren blieb. So warf diese
Podiumsdiskussion mehr Fragen auf, als sie beantworten konnte. Lediglich
Persönlichkeiten wie Peter Eötvös und Wolfgang Rihm
konnten durch klare Aussagen und die Erörterung bereits praktizierter
Konzepte richtungsweisende Impulse geben.