Musikhochschulen sind mehr als die Summe einzelner Fächer
· Von Michael Dartsch
Der ASTA-Vorsitzende, der vor ein paar Jahren bei der akademischen
Feierstunde zur Eröffnung des Studienjahres sprach, brachte
es auf den Punkt. Seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen, besonders
den „Erstsemestern”, rief er sinngemäß zu:
„Und vergesst nicht, dass das alles hier für uns da ist!”
Und tatsächlich: Der gesamte Apparat der Musikhochschulen,
der hauptamtliche Lehrkörper, die Gebäude und die aufwändigen
Ausstattungen mit Instrumenten, Technik, Noten, Büchern –
alles das ist kein Selbstzweck. Musikhochschulen bereichern sicher
das Kulturleben einer Region, aber sie gewinnen ihre Legitimation
doch zu allererst durch die Aufgabe, der nachwachsenden künstlerischen
und musikpädagogischen Generation ein für deren Entwicklung
anregendes Umfeld zu schaffen.
Wenn dabei auch für die Studierenden der Hauptfachunterricht
bei der häufig schon vorher bekannten und bewusst gewählten
„Kapazität” im Zentrum steht: Dies könnte
man auch durch – möglicherweise mit einer staatlichen
Ausbildungs-Zuwendung geförderten – Privatunterricht
haben. Man ginge dann so zu sagen beim Meister in die Lehre.
Beim Studium an einer Musikhochschule aber geht es um noch mehr:
Hier kommen die jungen Menschen, die einen künstlerischen Beruf
anstreben, in eine Umgebung und Atmosphäre, die ihren weiteren
Weg befruchten, beflügeln und prägen soll. Dazu gehört
vielerlei: Neben dem Hauptfachlehrer oder der Hauptfachlehrerin
sind dies auch die anderen Lehrkräfte, die auf ihre Weise das
künstlerische Milieu mitgestalten; bei ihnen erlebt man vielleicht
einmal Kammermusikstunden, man hört ihre Studentenkonzerte
oder saugt ihren Einfluss einfach durch die Bekanntschaft oder Zusammenarbeit
mit Mitstudierenden auf. Das rege Konzert- und Veranstaltungsleben
an der Hochschule, an dem man aktiv oder als Zuhörer teilhat,
gibt insgesamt mancherlei Impulse. Das Klima einer Hochschule strahlt
vielleicht schon etwas vom zukünftigen Beruf aus: Kreativität
oder auch Konkurrenz; Ringen um das künstlerische Optimum oder
Kampf mit Systemzwängen; allgegenwärtiges Bemühen,
das Beste aus sich herauszuholen, oder ein Sich-Durchpfuschen, so
gut es geht; Respekt, Anteilnahme und künstlerische „Demut“
oder aber überhebliche Selbstzufriedenheit…
Schließlich zählen auch „Äußerlichkeiten“
zu jener Umgebung dazu, die ein Nährboden für die Entwicklung
der Studierenden sein sollte: Auf der architektonischen Seite sind
es zum Beispiel Farben und Materialien des Baus, der Einfall von
Licht, Pflanzen, Treffpunkte, die zum Verweilen einladen, Pausenräume
und Essgelegenheiten sowie die Überschaubarkeit von Wegen.
Auf der menschlichen Seite zählen die Freundlichkeit der Verwaltung,
die Erreichbarkeit von Dozentinnen und Dozenten in ihren Sprechstunden
oder zwischen Tür und Angel, schließlich in den Gremien
eine ernsthafte, konstruktive und faire Zusammenarbeit – auch
mit den Studierenden. Hinsichtlich der bürokratischen Regularien
fallen deren Menge, Durchschaubarkeit und die Art und Weise ihrer
Handhabung ins Gewicht. Schließlich tragen Studiengänge
an verschiedenen Hochschulen ein unterschiedliches und je charakteristisches
Gesicht; sie sind vielleicht hier traditioneller oder dort progressiver,
hier einseitiger und dort vielfältiger – manche Studiengänge
gibt es von vorneherein nur an bestimmten Häusern.
All das gilt es für zukünftige und gegenwärtige
Studierende genauso zu bedenken wie für Dozentinnen und Dozenten.
Für die einen geht es um eine gute Wahl, für die anderen
um eine ständige Kritik- und Reformbereitschaft.
Das Dossier der vorliegenden Ausgabe lässt Hochschul-Insider
– in der Hauptsache Studierende – zu Wort kommen und
möchte so einen Beitrag in dieser Richtung leisten.