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nmz-archiv
nmz 2003/12 | Seite 14
52. Jahrgang | Dez./Jan.
Musikvermittlung
Den Netzwerkgedanken stärken
„New Earports“, Konferenz für Musikvermittlung
in Helsingborg/Schweden
Kinder und Jugendliche dürfen nicht mehr als Publikum von
morgen gesehen, sondern müssen viel mehr heute ernst genommen
werden. Daher ist es notwendig, Kinderkonzerte zielgruppenorientiert
auf zu bereiten, auf die Gedankenwelt junger Menschen abzustimmen
und höchsten musikalischen Qualitätsansprüchen zu
unterlegen.
Den 200 Teilnehmer/-innen der Konferenz „New Earports“
im südschwedischen Helsingborg wurde intensiver Diskurs über
aktuelle Fragen und Entwicklungen im weiten Feld der Musikvermittlung,
insbesondere für junge Ohren, geboten. Neben hervorragenden
Kinder- und Jugendkonzerten, die musikalisch-inhaltlich die breite
Palette von nordeuropäischer Volksmusik über Weltmusik
zu lateinamerikanischen Rhythmen sowie zu klassischer Musik abdeckte,
konnten einige hochkarätige Referenten ihre Erfahrungen präsentieren.
Sylvia Dow, die Grande Dame der schottischen Kulturszene machte
eindrucksvoll auf Möglichkeiten der Vernetzung von Konzertveranstaltern,
Musikern und Schulen aufmerksam. Liora Bresler, Professorin am College
for Education der Universität Illinois/USA sprach über
Rezeptionsgewohnheiten der Konzertbesucher, Detlev Hahlweg, Vize-Präsident
der Jeunesses Musicales Deutschland, über Qualitätsansprüche
eines Kinderkonzerts, auf die in den folgenden kurzen Konzertrezensionen
exemplarisch eingegangen wird.
Son Dos aus Irland und Kuba
Son Dos ist die musikalische Begegnung Kubas mit Irland, die Verbindung
kubanischer Rhythmen mit englischer Eleganz zu neuen Stilen, eine
eigenständige, originelle Klangwelt. Zwei exzeptionell gute
Musikerinnen, die es verstehen ihre Leidenschaft, Energie und Lebensfreude
auf das Publikum zu übertragen und gleichsam „den Klang
der irischen Fidel in die Straßen Havannas“ zu bringen.
Neben einer faszinierenden und gefühlvollen Musiksprache verbunden
mit eindrucksvoller Bühnenpräsenz sprachen Daisy Jopling
und Milagros Piñera-Ibaceta ihr junges Publikum sehr direkt
an: ein emotionales Erlebnis und ein Einblick in die Vielfalt der
Weltmusik.
Die oftmals gehörte Aussage, junges Publikum finde keinen
Zugang zu Neuer Musik, widerlegten sechs belgische Künstler
eindrucksvoll. Visuell durch eine Tänzerin und einen Jongleur
unterstützt gelang es dem eaRis Ensemble, das einstündige
Konzert „Looking through Eardrums“ schlicht zu einem
Ereignis werden zu lassen.
Einfachste, menschliche Erfahrungen wurden mittels Musik, Tanz
und Jonglieren dargestellt – optisch faszinierende Momente,
denen die jugendlichen Zuhörer bis zum Schluss gespannt folgten.
eaRis hat unterschiedlichste Disziplinen zu einem Gesamtkunstwerk
zusammengeführt und feinste musikalische Nuancen herausgearbeitet.
Musik mit Geschmack
Neben der klassischen Tradition des Kinderkonzertes stellen immer
mehr Künstler/-innen experimentelle Zugänge zu neuer Musik
vor. Das erste Wiener Gemüseorchester, zehn Musiker, die in
den verschiedensten künstlerischen Berufen tätig sind,
spielen ausschließlich auf Gemüseinstrumenten, keine
Gitarren oder Schlagzeug, sondern Karotten und Gurken.
Kräfte der Anschauung, der Handlungsfreude und der Phantasie
werden in diesem Konzertsetting zum Einsatz gebracht. Ein besonders
innovativer Weg, Neue Musik zu kommunizieren. Es entsteht ein völlig
eigenständiger und neuer Klangstil, der mit herkömmlichen
Musikinstrumenten nicht zu erreichen ist. „Marinierte Klangvorstellungen
und konservierte Hörgewohnheiten wollen eine Erweiterung erfahren“,
um die Musiker zu zitieren. Eine besondere Nähe zum Publikum
entstand durch eine bereits während des Konzertes zubereitete
Gemüsesuppe, die als krönender Abschluss dem Publikum
serviert wurde. Ein Erlebnis nicht nur für die Ohren.
Leider ein kleiner Wermutstropfen in der Programmierung war das
Konzert des Helsingborg Symphony Orchestras. Die öffentliche
Wahrnehmung des Orchesters zu optimieren und vor allem die Kommunikation
zwischen Musikern und Zuhörer zu intensivieren, sind nur zwei
große Chancen gelungener Familienkonzerte. Folglich sollten
der persönliche Kontakt und das Erleben großer symphonischer
Musik in altersgerecht adaptierten Programmen zentrale Anliegen
von Symphonieorchestern sein. Leider konnte „Fruchtsalat“,
so der Titel des Konzertes, diesen Aspekten nur in Ansätzen
gerecht werden.
Die Schwierigkeiten einer dramaturgischen Gestaltung von Kinderkonzerten
wurden deutlich, nur durch stilles Sitzen und Zuhören werden
Kinder heute kaum noch zu künstlerischen Erlebnissen geführt.
Das gemeinsame Bestreben von Künstlern, Konzeptualisten und
Veranstaltern, Musikvermittlung als unverzichtbaren Bestandteil
ihrer Arbeit zu sehen, bedarf eines intensiven Gedankenaustausches.
Länderübergreifende Konzertprojekte sind unumgänglich
und können der positiven Weiterentwicklung unseres Konzertwesens
nur gut tun.
Vielleicht können die Erfahrungen dieses Kongresses zum Anlass
genommen werden, internationale Netzwerkgedanken in Sachen „Konzerte
für Kinder“ zu reaktivieren.