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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 34
53. Jahrgang | Februar
Oper & Konzert
Die Verantwortung des Musikers
Zum Tode von Rudolf Metzmacher
Es war im Jahr 1947. Die deutschen Städte lagen in Trümmern.
Not überall, jeder versuchte sich irgendwie durchzuschlagen.
Es gab aber auch Hoffnung, den Glauben an eine neue und bessere
Zukunft. In dieser Situation besuchte ein damals sehr berühmter
Cellist verschiedene Gymnasien in einigen Städten. Er bot an,
vor Schülern der oberen Klassen Johann Sebastian Bachs sechs
Solosuiten für Violoncello für ein geringes Entgelt (es
waren fünfzig Reichspfennige pro Kopf) zu spielen. Das Angebot
wurde von der Schuldirektion freudig angenommen, im stark beschädigten
Musiksaal der Schule versammelte sich die komplette Schülerschar,
nur wenige wussten, was bevorstand, weil sie selbst ein Instrument
lernten. Allzuviel hat sich da bis heute womöglich gar nicht
geändert?
Damals vermied man es gern, im Kollektiv persönliche Gefühle
und Empfindungen zu zeigen. Wer mit dem Geigenkasten zum Musikunterricht
eilte, riskierte Spott und Gelächter der Schulfreunde. Gleichwohl
verstand es Rudolf Metzmacher, um niemand anders handelte es sich
bei dem Künstler, auch die Gleichgültigsten allmählich
zum Zuhören zu verleiten. Rudolf Metzmachers Persönlichkeit,
seiner Ausstrahlung, seiner Autorität konnte man sich nur schwer
entziehen, und die „Musikalischen“ unter den „Primanern“
waren fasziniert von der technischen Perfektion des Cellisten, seinem
Stilempfinden und seiner Ausdruckskraft. Etwas später fand
man für sich auch den treffenden Begriff für Metzmachers
Musizieren: in seinem Spiel schwang stets das große Humanum
mit, das großer Musik innewohnt.
Rudolf Metzmacher, 1906 in Schwerin in eine „erzmusikalische“
Familie hineingeboren, erhielt den ersten Unterricht von den Eltern,
dann nahmen sich Julius Klengel am Leipziger Konservatorium und
anschließend Hans Muench in Holland seiner an. Bei Diran Alexanian
und Hugo Becker erhielt er den letzten Feinschliff zu einem charakteristischen
Personalstil. Als Erster Solo-Cellist kam er nach Stettin zum Städtischen
Orchester, 1930 folgte die Konzertmeister-Position bei den Münchner
Philharmonikern, 1934 beim Philharmonischen Staatsorchester Hamburg.
Lehrtätigkeiten führten Rudolf Metzmacher nach Frankfurt
am Main, Hannover und Lübeck. In Bayreuth gehörte er viele
Sommer zum Festspielorchester. Seine internationale Karriere als
Solist verband sich mit seiner Zugehörigkeit zum legendären
Stross-Streichquartett. Rudolf Metzmacher war einer der außergewöhnlichsten
Cellisten unserer Zeit, in seinem hochmusikalischen Spiel war immer
auch etwas von der hohen Verantwortung zu spüren, die der nachschöpferische
Musiker der Musik schuldet. Jetzt ist Rudolf Metzmacher im Alter
von siebenundneunzig Jahren in Hannover gestorben.