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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 47
53. Jahrgang | Februar
Dossier: Fort- und Weiterbildung
Fortbildung allein schafft keine Professionalisierung
Zur Qualitätssicherung bei der Elementaren Musikpädagogik
· Von Juliane Ribke
Wer würde nicht den Segen von Fortbildungen preisen? Hier
können sich Musikpädagoginnen und -pädagogen auf
den neuesten Stand ihres Fachs bringen, neue Impulse aufnehmen und
die inhaltliche sowie methodische Palette ihres Unterrichts erweitern.
Meist geht von Fortbildungen ein großer Motivationsschub aus
– man hat sich mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht,
interessante Persönlichkeiten als Dozenten/-innen kennen gelernt
und ist „voll“ mit Ideen, die man im Berufsalltag anzuwenden
brennt. Der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen kann die berufliche
Zufriedenheit erheblich steigern, da das dort Erfahrene als Kompetenzerweiterung
wahrgenommen wird und die Monotonie des möglicherweise festgefahrenen
Berufsalltags lockert. Und nicht zuletzt dienen sie dem Wohl der
Schülerinnen und Schüler, deren Bedürfnissen eine
Lehrkraft, die sich durch Fortbildungen „auf der Höhe
der Zeit“ befindet, besser gerecht werden kann.
Fortbildungen wenden sich also schwerpunktmäßig an ausgebildete,
bereits berufserfahrene Lehrkräfte und bieten zur Erweiterung,
Vertiefung oder Ergänzung der fachlichen Handlungsmöglichkeiten
Inhalte beispielsweise aus folgenden Themenbereichen an:
Auseinandersetzung mit Musiksparten, denen in der Ausbildung
wenig Beachtung geschenkt wurde,
neue Vermittlungs- und Unterrichtsformen,
neue Unterrichtsliteratur,
neue Schulwerke, meist von den Autorinnen oder Autoren selbst
vorgestellt,
Einführung in angrenzende musikpädagogische Wirkungsfelder
wie etwa Ensemble- oder Kammermusikunterricht.
Musik-/Instrumental-/Vokalunterricht ist ein lebendiges Geschehen,
dem sich Lehrkräfte, die in der Hochschulausbildung eine Grundprofessionalisierung
erfahren haben, immer wieder neu anpassen müssen. Der Hochschulunterricht
kann nicht alles leisten, nicht jede Richtung, in die sich ein musikpädagogisches
Betätigungsfeld entwickeln könnte, erfassen und zu einem
Lehr- und Lerngebiet ausbauen. Insofern sind Fortbildungen eine
notwendige Ergänzungsmaßnahme der musikpädagogischen
Ausbildung.
Anders stellt sich die Situation bei Weiterbildungen dar. Sie wenden
sich an Zielgruppen, deren Mitglieder – aus welchen Gründen
auch immer – ein neues berufliches Betätigungsfeld anstreben.
Die Teilnehmenden bilden sich also nicht in dem Fach fort, in dem
sie bereits professionalisiert sind, sondern suchen eine Neuorientierung
in einem Fach, das im besten Fall durch die Tatsache, dass es „auch
mit Musik“ zusammenhängt, mit ihrer bisherigen beruflichen
Tätigkeit verbunden ist. In Form von berufsbegleitenden Lehrgängen
finden sich derartige Kurse reichlich auf dem Markt – und
sie betreffen vorrangig das Fach Elementare Musikpädagogik.
Warum? Eine treffende Antwort ist schnell zu finden: Weil die Nachfrage
an Musikschulen und anderen Einrichtungen nach „Musikalischer
Früherziehung“ so stark ist, dass ein großer Bedarf
an Lehrkräften besteht.
Die Hochschulen können mit der Anzahl an Absolventen/-innen
des Studienfachs EMP, die sie ins Berufsleben entlassen, diesen
Bedarf nicht decken. Also müssen andere Maßnahmen ergriffen
werden, um dem Lehrermangel in einem für Musikschulen recht
lukrativen Bereich zu begegnen. Aber ich frage weiter – warum?
Warum meint man, Lehrkräfte für EMP in Kursen nachqualifizieren
zu können? Niemand würde auf die Idee kommen, bei einer
hohen Nachfrage nach Trompetenunterricht eine Geigerin eilig ins
Trompetenspiel einzuweisen oder einen Cellisten zum Querflötenlehrer
umzuschulen.
Lächerlich, überspitzt? Nein: Symptomatisch für
die Wahrnehmung der EMP als ein Fach, das man sich mit einem im
Vergleich zu einem grundständigen Studium relativ geringen
Aufwand aneignen kann. Und symptomatisch für unsere Gesellschaft,
die nicht für diejenigen, die sich ihren jüngsten Mitgliedern
zuwenden, die bestmögliche Ausbildung als gerade gut genug
ansieht.
Aber nicht umsonst hat sich die EMP zu einem Studienfach entwickelt,
das an zahlreichen deutschen musikalischen Ausbildungsstätten
ein eigenständiges künstlerisch-pädagogisches Fach
innerhalb von Diplomstudiengängen ist.
Es sieht einen sorgsamen, langfristig angelegten Aufbau der handwerklichen
und künstlerischen Kompetenzen in Bereichen wie Schlagwerkspiel,
Stimme und Bewegung vor und es ist – wie andere Studienzweige
auch – selbstverständlich ein Fach mit höchstem
musikalischem Qualitätsanspruch, den aber nur diejenigen wahrnehmen
und erfüllen können, die sich tiefgreifend damit auseinander
gesetzt haben.
Integrativer Bestandteil der Ausbildung ist auch die Persönlichkeitsentwicklung
der Studierenden, die sich in die Musizierpraktiken der EMP einarbeiten
müssen, und zwar in Zusammenhang mit der Erweckung und Erweiterung
ihres kreativen und interaktiven Potenzials. Dieses alles muss tief
verankert werden – und das braucht Zeit und kontinuierliche
Herausforderung und Begleitung.
Der „Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik an Ausbildungsinstituten
in Deutschland“ (AEMP) hat sich mit der Problematik der so
genannten berufsbegleitenden Lehrgänge intensiv befasst und
im Bewusstsein ihrer Unvermeidbarkeit folgendes Empfehlungspapier
mit Kriterien zur Qualitätssicherung verfasst:
In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass der Bedarf
an EMP-Lehrkräften stetig wächst, da die Bedeutung des
musisch-kreativen Tätigseins für die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit
zunehmend ins öffentliche Bewusstsein rückt. Das Arbeitsfeld
beschränkt sich nicht mehr auf Musikschulen, sondern dehnt
sich auch auf Ganztagsschulen, außerschulische Bildungsträger
und Freizeiteinrichtungen aus. Daraus ergibt sich ein erhöhter
Bedarf an qualifizierten Lehrkräften.
Durch eine steigende Zahl an berufsbegleitenden Weiterbildungen
wird versucht, dem Mangel an Lehrkräften, die ein Studium in
Elementarer Musikpädagogik absolviert haben, entgegenzuwirken.
Daraus hat sich ein unübersichtlicher, oft mehr kommerziell
als inhaltlich orientierter „Markt“ entwickelt.
Qualitätssicherung:
Dieser Situation trägt der AEMP mit folgenden Empfehlungen
Rechnung. Die Qualität von Weiterbildungsmaßnahmen in
Elementarer Musikpädagogik kann nur dann als gesichert gelten,
wenn
die Teilnehmenden über ein abgeschlossenes musikpädagogisches
Studium, mindestens aber über ein abgeschlossenes Musikstudium
oder ein abgeschlossenes pädagogisches Studium verfügen,
die Dozentinnen und Dozenten das Fach EMP auf Ausbildungsniveau
repräsentieren können,
die Dozentinnen und Dozenten methodisch-didaktisch befähigt
sind, die weit reichenden Inhalte des Lehrgebiets an Erwachsene
zu vermitteln,
die Inhalte des Lehrgangs befähigen, unabhängig von
Unterrichtsprogrammen zu unterrichten,
der Kurs nicht ausschließlich zum Product-Placement einzelner
Lehrwerke und entsprechender Lernmaterialien benutzt wird,
sich der zeitliche Umfang über mehrere Phasen im Zeitraum
von etwa zwei Jahren erstreckt und mindestens 200 Unterrichtsstunden
(zum Beispiel 5 Phasen à 40 Stunden) umfasst,
zusätzliche Praktika und theoretische Arbeiten zwischen
den Phasen in die Ausbildung integriert sind,
die Teilnehmenden ihre individuelle Eignung in einem Aufnahmeverfahren
(zum Beispiel Probephase) nachgewiesen haben,
Zertifikate nur nach erfolgreich bestandener pädagogisch-künstlerischer
und theoretischer Abschlussprüfung vergeben werden.
Nur Lehrgänge, die den oben genannten Ansprüchen genügen,
können als Weiterbildungen gelten. Sie sind dadurch deutlich
von Fortbildungen zu unterscheiden.
Eine Spezialisierung hinsichtlich der Arbeit mit verschiedenen
Altersgruppen (vom Säuglingsalter bis ins späte Erwachsenenalter)
sollte erst in aufbauenden Fortbildungen erfolgen.
Grundsätzlich ist eine enge Kooperation mit beziehungsweise
institutionelle Anbindung an Musikhochschulen/Universitäten
anzustreben, zu deren Aufgaben neben der Aus- auch die Weiterbildung
gehört.
Eine Weiterbildung ersetzt kein mit Diplom abgeschlossenes Zusatz-
oder Aufbaustudium an einer Musikhochschule/Universität. Eine
wirkliche Professionalisierung kann nur im Rahmen eines Diplomstudiums
im Hauptfach EMP erlangt werden.