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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 22
53. Jahrgang | Februar
Hochschule
EuNet MERYC aus der Taufe gehoben
Europäisches Netzwerk für Musikpädagogik mit jungen
und sehr jungen Menschen
Im vergangenen November wurde in Kopenhagen ein neues musikpädagogisches
Netzwerk aus der Taufe gehoben. In ihm schließen sich Forschende
und Lehrende der Musikpädagogik zusammen, die Kinder von 0
bis 8 (10) Jahren, die jüngeren Kinder auch in Gegenwart von
Eltern unterrichten.
Das Netzwerk soll die Entwicklung der „Early Childhood Music
Education“ fördern, und zwar durch:
den Aufbau einer Zusammenarbeit zwischen Musikpädagogen/-innen
und Forschenden in Europa,
die gegenseitige Information über den jeweiligen Stand
des Faches in verschiedenen Ländern,
das Einrichten eines Forums zur Diskussion und Reflexion von
Themen rund um eine Musikpädagogik in der frühen Kindheit,
einen Beitrag zur Überschreitung nationaler, kultureller
und sprachlicher Barrieren unter den Teilnehmenden.
Diese Ziele sollen durch regelmäßige europäische
Konferenzen erreicht werden und einen Informationsaustausch unter
den Teilnehmenden in Form von Internetkonferenzen oder Online-Diskussionen
ermöglichen.
Anlass zur Gründung des Netzwerkes waren zwei Tatsachen:
Im Rahmen der ISME (International Organisation for Music education)
sind Europäische Sichtweisen stark untervertreten und die Frage
der Forschungs- methodik wird wenig berührt. Dies bezieht sich
vor allem auf die Vorstellung, wie man in komplexen Situationen,
die im Gruppenunterricht mit Musik und Bewegung gegeben sind, forschen
soll. Reine Empirie stößt ebenso an ihre Grenzen wie
die Erforschung von musikpädagogischen Sachverhalten mittels
Fragebögen. Im ersten Fall zwingt sich forschungsmethodisch
eine Reduktion der Sichtweise, das heißt: der Datenmengen,
auf, um genaue Resultate zu erzielen. So werden Untersuchungen darüber,
ob Kinder mit chinesischer Muttersprache etwas früher rein
singen als amerikanische Kinder, wenig Erkenntnisfortschritte für
den musikpädagogischen Alltag bringen können; auch Methodenvergleiche,
wie: „Können Kinder nach sechs Monaten Unterricht der
„Methode“ ,Orff’ mehr als Kinder nach sechs Monaten
,Kodaly’ oder ,Dalcroze’ ....“ (O-Ton einer amerikanischen
Studie) dürften eher zu der lapidaren Erkenntnis führen,
dass der Fortschritt wahrscheinlich vom Mikroverhalten der Lehrenden
bestimmt ist und nicht von den „Methoden“ – ,
ganz abgesehen davon, dass sich wohl Leute der erwähnten Richtungen
sehr schlecht verstanden fühlen würden, wenn man ihnen
eine „Methode“ im engeren Sinne unterstellen würde.
Im zweiten oben erwähnten Fall – Forschung durch Fragebogenerhebungen
– wird vorausgesetzt, dass die Probanden in der Lage sind,
sich selbst und je nach Art der Fragestellungen sogar einen gewissen
musikpädagogischen Sachverhalt reflektieren zu können.
Das ist bei Kindern nicht unbedingt der Fall, auch nicht so sehr
bei Eltern, die begeistert an einem Eltern-Kind-Musikkurs teilnehmen.
Diese doch eher amerikanisch dominierten Forschungsansätze
könnten sinnvollerweise durch europäische Wege ergänzt
werden: kombinierte Forschungen, hermeneutische Ansätze, phänomenologische
Ansätze, theoriengeleitete Forschung oder Grounded Research.
Dies ist der Grund, warum das Neue Netzwerk Forschende und pädagogisch
Praktizierende zu vereinen versucht. Bei der ersten Konferenz im
vergangenen November waren Teilnehmer aus neun europäischen
Ländern anwesend. Das Netzwerk strebt eine sukzessive Erweiterung
auf möglichst viele europäische Länder an. Hauptrednerin
war Juliane Ribke (Musikhochschule Hamburg). Sie rückte die
interdisziplinäre Vernetzung von musikpädagogischer Praxis
und Forschung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Gruppenfähigkeit
der Kinder, damit auch „Ensemblefähigkeit“ führte
im Referat von Manuela Widmer (Musikhochschule Mozarteum) zu einer
Sichtweise, welche Musikpädagogik mit soziologischer und psychologischer
Forschung verbindet. Weitere Referate wurden von Daniela Laufer
(„Der ästhetische Zugang auf die Welt“), Susan
Young („Early Childhood Music Education Research: Recognizing
strengths and responding to challenges“), Jay Deeble („Researching
with parents and young children“) und Charlotte Fröhlich
(„Grounded Theory“) gehalten.
Von besonderem Interesse aber waren die Vorstellungen der unterschiedlichen
Ansätze in den verschiedenen Ländern. Juliane Ribke arbeitete
die Geschichte der EMP und die jüngste Geschichte der Eltern-Kind-Gruppen
in Deutschland heraus. Monika Niermann (Universität Wien) legte
besonderes Gewicht auf die Arbeit mit den Eltern und Erwachsenen
im Eltern-Kind-Unterricht. Isabella Steffen (Zentrum für Musik,
Solothurn – CH) stellte ihren Ansatz vor und zeigte unter
anderem auf, wie sensibel der Umgang mit den ersten stimmlichen
Äußerungen eines Kindes zu geschehen hat. Als Besonderheit
sollte neben den vielen weiteren Beiträgen auch die Vorstellung
der musikpädagogischen Arbeit in einer internationalen Schule
von Istanbul erwähnt werden: Die Verbindung von Elternhaus,
Musik und Schülern wird dort auf fantasievollste Weise gestaltet.
Charlotte Fröhlich
Im Sommer (11.–16. Juli 2004) finden die internationalen
musikpädagogischen Konferenzen (ISME) in Europa (Tenerifa)
statt (www. isme.org). Voraus geht in Barcelona (5.–10.
Juli 2004) die Vorkonferenz der Berufsgruppe „Early Childhood
Music Education“.
Info: chfroehlich@magnet.ch