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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 25
53. Jahrgang | Februar
Jugend musiziert
Konzertreisen, so weit das Auge reicht
Ein Rückblick auf das Jahr 2003: „Jugend musiziert“
unterwegs
Nach dem Wettbewerb ist vor dem Wettbewerb, und so feilen deutschlandweit
bereits wieder Zehntausende Musikerinnen und Musiker an ihren Vorspielprogrammen
für die Regionalwettbewerbe. Wer sich vor dem Wettbewerb die
neugierige Frage stellt, was erfolgreichen Preisträgern wohl
danach an musikalischen Highlights angeboten wird, dem soll hier
in Gestalt eines Rückblicks auf 2003 eine kleine Perspektive
aus dem umfangreichen Portfolio des Deutschen Musikrates geboten
werden. Überraschend zu hören, dass für alle anschließenden
musikalischen Aktivitäten neben dem gut geübten Repertoire
vor allem ein gültiger Reisepass Voraussetzung ist!
Denn „Jugend musiziert“ erschöpft sich nicht in
der Vobereitung und Durchführung eines dreistufigen Wettbewerbs.
„Jugend musiziert“ ist mehr: Erster und wesentlicher
Bestandteil des „Integrierten Förderprojektes Jugend
musiziert“ ist der Wettbewerb, mit dessen Hilfe man musikalische
Talente findet und sichtet. Darüber hinaus hat man weitere
Aktivitäten zur intensiven Förderung erfolgreicher Musikerinnen
und Musiker bei „Jugend musiziert“ entwickelt. Dazu
gehören das Bundesjugendorchester ebenso wie der Deutsche Kammermusikkurs.
Ein nicht unerheblicher Teil dieses Konzeptes besteht in der Vermittlung
von Konzerten, Workshops, Wettbewerben im In- und Ausland mit dem
Ziel, Bühnenerfahrung und Konzertpraxis zu ermöglichen.
Seit seiner Gründung verfolgt „Jugend musiziert“
diese Idee: Bereits im 2. Wettbewerbsjahr, 1964, flogen die ersten
Preisträgerinnen und Preisträger mit dem neu hinzugewonnen
Partner Lufthansa nach Michigan ins Interlochen Arts Camp. Seither
sind Tausende von Musikerinnen und Musikern in alle Welt gereist,
von Tokyo bis Ankara, von Kirgistan bis Jerusalem.
Die Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“
ist Teil eines weltweit gespannten Netzwerks von Musikvermittlern
und musikinteressierten Institutionen, die untereinander in intensivem
Austausch stehen. Für die mehr als 40 deutschen Schulen im
Ausland ist „Jugend musiziert“ die erste Kontaktadresse
auf der Suche nach herausragenden Nachwuchsmusikanten für ihre
Konzerte. Eine ähnliche Intensität der Kontaktpflege gilt
für die Goethe-Institute, speziell in Europa. Kaum ein Konzert,
das nicht auch finanziell und organisatorisch von der wichtigsten
Auslandsadresse Deutschlands im Kulturbereich unterstützt würde.
Im Jahr 2003 kamen auf Grund dieser eingespielten Beziehungen Konzertreisen
nach Helsinki, Luxemburg, Malta, Athen, Thessaloniki und Chania
zustande, mithin starteten neun Instrumentalisten auf Vermittlung
von „Jugend musiziert“ zu einer Konzertreise, von der
sie sehr vielfältige neue Erfahrungen mitbrachten: „Für
mich ist es ein großes Glück, auf Konzertreisen gehen
zu können. So lerne ich ganz nebenbei neue Menschen, Kulturen
und Länder kennen. Oft wohnen wir Musiker alle im selben Hotel.
Da ergeben sich internationale Kontakte ganz leicht. Und mehr als
einmal bin ich vom Veranstalter schon für weitere Konzerte
angesprochen worden,“ so der Cellist Jakob Spahn nach seiner
Rückkehr aus Luxemburg. Und Thomas Hohler, 1. Bundespreisträger
der Kategorie „Musical“, der mit Steffi Derner, einer
weiteren Musical-Preisträgerin und einem gemeinsamen Klavierbegleiter
reiste, ist voll des Lobes nach der Rückkehr von der ersten
Konzertreise seines Musikerlebens. „Alle meine Sorgen lösten
sich sofort nach meiner Ankunft in Luft auf. Wir wurden überall
liebevoll empfangen und mit unglaublichem Respekt behandelt. Und
unter uns Musikern setzte sehr schnell ein intensiver Austausch
über Studien- und Berufsmöglichkeiten ein. Steffi und
ich erweiterten den Konzertabend schließlich noch um ein paar
Duette, so sehr beflügelte uns die gemeinsame Reise.“
Zum europäischen Netzwerk gehören auch die Jugendmusik-Wettbewerbe
in anderen Ländern Europas. Allesamt sind sie jünger als
„Jugend musiziert“ und orientieren sich in ihrem Aufbau
und Förderprojekten ganz bewusst am Erfolgsmodell „Jugend
musiziert“. Sie sind in der „European Union of Music
Competitions for Youth“, kurz EMCY, zusammengeschlossen und
wurden so zu einer riesigen Konzertbühne für den gesamten
musikalischen Nachwuchs in Europa. Sicht- und hörbar wird die
Zusammenarbeit hierzulande, wenn im Rahmen des Bundeswettbewerbs
jedes Jahr das „Europäische Konzert“ stattfindet.
Hier konzertieren Preisträger anderer nationaler Jugendmusikwettbewerbe
und die Veranstaltung stellt gewissermaßen die Gegeneinladung
für die zahlreichen Konzertangebote von deutschen Preisträgern
im Ausland dar.
An „Jugend musiziert“-Preisträgerinnen und -preisträger
wurden 2003 Konzerteinladungen nach Italien, Luxemburg und Norwegen
ausgesprochen. Dort reüssierten ein Streichquartett aus Niedersachsen,
ein Akkordeon-Trio aus Bayern, ein Klavier-Duo aus Baden-Württemberg,
ein bayerisches Schlagzeug-Duo, schließlich erhielten zwei
Flötistinnen, eine Klarinettistin und ein Schlagzeuger eine
Einladung in das „Orchestre d`Harmonie der Europäischen
Union“.
Darüber hinaus stellen ein erster Bundespreis und die Mitgliedschaft
in der EMCY die Eintrittskarte dar, um als „Jugend musiziert“-Preisträger
auch an internationalen Wettbewerben mitzuwirken. So konzertierte
ein Klavier-Trio beim internationalen Rundfunk-Wettbewerb „Concertino
Praga“, zwei Geigerinnen qualifizierten sich für den
Violinen-Wettbewerb in Ljubliana und insgesamt fünf junge Musikerinnen
und Musiker nahmen am „Europäischen Musikpreis für
die Jugend“ teil, der im vergangenen Oktober in Linz/Österreich
ausgetragen worden war.
Ähnlich verhält es sich mit den Einladungen zu internationalen
Workshops. Wer sich bei „Jugend musiziert“ einen Landes-
oder Bundespreis erspielt, erhält über die Bundesgeschäftsstelle
nicht nur Einladungen zu diversen Meisterkursen, häufig ist
die Teilnahme für den Musiker, die Musikerin kostengünstiger
oder wird als Stipendium vergeben. Die inzwischen traditionsreiche
Reise nach Interlochen trat im Jahr 2003 eine Harfenistin aus Hamburg
an, am Marimba-Workshop in Groznjan nahmen sieben Bundespreisträger
der Kategorie Schlagzeug aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen,
Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein teil. Eine Oboistin
aus Brandenburg besuchte die internationale Jugendmusikwoche in
Ettelbruck.
Doch auch inländische Aktivitäten kann durchaus der Hauch
des Exotischen umwehen: 25 verschiedene Musik-Projekte listet die
Bundesgeschäftsstelle für das Jahr 2003 auf, die mit Bundespreisträgerinnen
und -preisträgern realisiert worden sind. Zu den innerdeutschen
Partnern gehören traditionsreiche Konzertreihen wie das „Marler
Debüt“ unter der bewährten Leitung von Bruce Wadsworth,
der insgesamt 15 Nachwuchs-Musikerinnen und -musikern ein attraktives
Konzertpodium bot. Auch die Kulturabteilung der Bayer AG in Leverkusen
gehört inzwischen zu den engen Partnern von „Jugend musiziert“.
Im Rahmen ihrer Konzertreihe mit dem Schwerpunkt Klaviermusik galt
je ein Abend in Leverkusen und Wuppertal dem pianistischen Nachwuchs
von „Jugend musiziert“.
Ganz offensichtlich fühlen sich auch Institutionen wie der
Bundesfinanzhof und der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft
bei „Jugend musiziert“ gut beraten, wenn es darum geht,
gemeinsam ein musikalisches Rahmenprogramm für die jeweilige
Festveranstaltung auszuarbeiten. „Bühnenerfahrung gegen
herausragende Qualität“ lautet hier das Motto der Zusammenarbeit.
Neben der Kontaktpflege mit einer Reihe weiterer Konzertveranstalter,
die Preisträger von „Jugend musiziert“ im Jahr
2003 integrierten – „Junge Künstler im Schloss
vor Husum“, Konzerte in Herrenberg, Angeliter Sommerkonzerte,
um eine kleine Auswahl zu nennen –, ist ein Anruf externer
Veranstalter in der Bundesgeschäftsstelle allemal lohnend,
denn beinahe jedem Besetzungswunsch kann mit einem ausgezeichneten
Solisten oder Ensemble entsprochen werden. Für den „Orgel-Interpretationskurs
für Preisträger nationaler oder internationaler Wettbewerbe“
in Bonn konnten alle 23 Finalisten der Orgel-Kategorie des 40. Bundeswettbewerbs
empfohlen werden. Ebenso schöpft auch die Kronberg Academy
regelmäßig aus dem Pool aller Bundespreisträger
und -preisträgerinnen, wenn es darum geht, hoch qualifizierte
Streicher für den internationalen Kurs in Kronberg einzuladen.
Im Zusammenhang mit Meisterkursen auf deutschem Boden kann man ein
ähnlich positives Bild zeichnen. Aus einer für beide Seiten
probeweisen Zusammenarbeit ist in manchen Fällen eine echte
Kooperation geworden, die sich bei der Auswahl ihrer Teilnehmer
durch die Bundesgeschäftsstelle „Jugend musiziert“
beraten lässt.
Jüngstes Beispiel ist der Wettbewerb im Rahmen des Klavierfestivals
in Bad Herrenalb. Ferner steht bei der „Summer Academy for
young artists“ in Marktoberdorf seit nunmehr drei Jahren für
Bundespreisträgerinnen und -preisträger gar ein Stipendium
zur Verfügung und der Workshop „Alte Musik“ in
Bergisch-Gladbach kooperiert seit mehr als drei Jahrzehnten erfolgreich.
In allen Fällen nimmt die Bundesgeschäftsstelle eine Vorauswahl
vor und versendet Informationsmaterialien des Kooperationspartners
an die in Frage kommenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Die endgültige Entscheidung für einen Stipendiaten aus
dem Pool überlässt man dem Veranstalter. Ein Prozedere,
das das Vertrauen auf beiden Seiten festigt.
Mit dem Wettbewerbsjahr 2003/2004 werden wieder neue Preisträgerinnen
und -preisträger durch die Welt reisen. Sie sind nicht nur
Botschafter ihrer Kunst, sondern auch Vorbilder, denn ihre Bereitschaft,
sich auf Neues einzulassen, nützt dem Gedanken Europa mehr
als alle Gesetze.