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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 8
53. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Böse Composer, gute Komponisten?
Vorsicht: Composers Club – vom Leben nach der GEMA-Aufsichtsratswahl
Bei der Lektüre einiger aktueller Beiträge über
die neue Zusammensetzung des GEMA-Aufsichtsrats mag den einen oder
anderen Leser das mulmige Gefühl beschlichen haben, das Ende
der abendländischen Kultur – und zwar insbesondere der
E-Musik – stünde unmittelbar bevor.
W as ist passiert? Bei den Wahlen zum GEMA-Aufsichtsrat im vergangenen
Sommer hat sich die Versammlung der Komponisten mehrheitlich für
sechs Vertreter entschieden, von denen fünf Mitglied im „Composers
Club“ (CC), dem Verband der deutschen Auftragskomponisten,
sind. Eine weitere, wesentliche Änderung besteht darin, dass
die E-Musik erstmalig nur noch durch einen Komponisten vertreten
ist (sowie einen weiteren als Stellvertreter). Nur eines scheint
beim Alten geblieben: Alle sechs Vertreter der Komponistenkurie
im GEMA-Aufsichtsrat sind wie seit jeher – unabhängig
davon, ob nun im Composers Club oder nicht – Mitglied im Deutschen
Komponistenverband (DKV).
Obwohl der neue Aufsichtsrat ganz offensichtlich in keiner Weise
eine wie auch immer geartete Benachteiligung der E-Musik verfolgt,
sitzt der Schock bei einigen offenbar tief: E-Komponist Moritz Eggert
spricht in seinem Beitrag in der neuen musikzeitung von einem „Thronsturz
zu Ungunsten der E-Musik“ durch „die perfekt vorbereitete
Inszenierung der Wahl durch den Composers Club“. Karl Heinz
Wahren, E-Komponist, seines Zeichens DKV-Präsident und ehemaliger
(weil nicht wiedergewählter) GEMA-Aufsichtsrat warnt seine
Mitglieder in seinem aktuellen Leitartikel in der DKV-Verbandszeitschrift
„Informationen“ wie folgt: „Mit dem vom Composers
Club kollektiv vertretenen neoliberalen Marktfundamentalismus, der
alles ausschließlich produktorientiert aus dem Blickwinkel
der eigenen Gewinnmöglichkeiten sieht, werden von diesen Gentlemen
die immerhin noch teilweise funktionierenden solidarischen Strukturen
der GEMA völlig zerstört, vom totalen Fehlen eines künstlerisch-humanistischen
Denkens nicht zu reden.“
Starker Tobak. Unter den so Gescholtenen finden sich immerhin
so klangvolle Namen wie Klaus Doldinger, Enjott Schneider, Manfred
Schoof oder Martin Böttcher. Auch Dieter Schleip, Preisträger
des Deutschen Fernsehpreises 2003, ist „CC“-Mitglied.
Die gerade einmal 185 Mitglieder (Tendenz allerdings stark steigend)
leisten einen nicht unwesentlichen kulturellen Beitrag zum musikalischen
Erscheinungsbild unserer Film-, Funk- und Fernsehlandschaft. Die
meisten von ihnen sind übrigens schon seit langem ebenso Mitglied
im Deutschen Komponistenverband (einige sogar im Vorstand) und es
steht zu vermuten, dass sich der Composers Club Anfang der 90er-Jahre
gar nicht erst gegründet hätte, wenn sich der „große
Bruder“ DKV stärker auch um die Interessen der jungen,
kritischen Kollegen in den neuen, stark wachsenden Musiksparten
gekümmert hätte.
Seit seiner Gründung ist von verschiedenen Seiten immer wieder
versucht worden, den Composers Club mit teilweise absurden Behauptungen
und Verschwörungstheorien zu diskreditieren, ohne sich hierbei
ernsthaft mit dessen berechtigten Anliegen zu befassen. So haben
sich in dem knapp 400-seitigen Werk „Musik hat ihren Wert“
zum hundertjährigen Bestehen der GEMA zahlreiche Gegner des
CC zu Wort melden dürfen – eine Stellungnahme von Seiten
des Composers Club sucht man allerdings vergeblich. „Der CC
– ein Verein von Spitzbuben?“ – zu diesem Schluss
mag aufgrund der sehr einseitigen Darstellungen manch ein Leser
des Buches gelangt sein. Zum Festakt anlässlich des runden
GEMA-Jubiläums fand sich auch folgerichtig unter den 900 Geladenen
kein einziger offizieller Vertreter des Composers Club. Lange hat
es gedauert, bis der CC als ernst zu nehmender Gesprächs- und
Verhandlungspartner überhaupt wahrgenommen wurde.
Festzuhalten bleibt: Bei der Wahl zum GEMA-Aufsichtsrat am 24.
Juni 2003 ging alles mit rechten Dingen zu. Die Komponisten wählten
die sechs Kandidaten mit den meisten Stimmen ins Amt, und zwar schlicht
gemäß GEMA-Satzung und jener neuen Wahlordnung, die sie
noch im Vorjahr mit großer Mehrheit, also auch mit den Stimmen
der E-Komponisten, beschlossen hatten. Ganz einfach – und
übrigens ganz im Gegensatz zum bisher „gewohnheitsmäßig“
angewendeten (wenngleich nie von der Mitgliederversammlung beschlossenen)
Wahlverfahren der vergangenen Jahre, das von vornherein ein Verhältnis
von je drei U- und drei E-Komponisten unabhängig von der auf
sie entfallenden Stimmanzahl vorsah.
Den Ausgang der Wahlen ausschließlich auf das Stimmverhalten
der CC-Mitglieder zurückzuführen wäre eine starke
Übertreibung, denn diese waren in der Versammlung klar in der
Minderzahl. Das Wahlergebnis mag vielmehr Ausdruck dafür gewesen
sein, dass sich die überwiegende Mehrheit der Komponisten unabhängig
von ihrer Verbandszugehörigkeit eine personelle Veränderung
ihrer Interessenvertretung im Aufsichtsrat gewünscht hat. Dies
zu akzeptieren fällt offenbar nicht jedem leicht. Und so verdächtigt
manch einer auf der Suche nach möglichen Drahtziehern einmal
mehr die im Composers Club vertretenen Werbekomponisten, die, so
wird gemunkelt, den Wechsel im Aufsichtsrat herbeigeführt hätten,
um drohende Kürzungen ihrer vermeintlich phantastischen GEMA-Tantiemen
zu verhindern. Das ist jedoch schwer nachvollziehbar, hat doch ausgerechnet
der CC den aktuellen Beschluss der GEMA-Mitgliederversammlung mit
dem Inhalt einer so genannten „Deckelung“ der Verrechnungshöhe
für TV-Werbespots mit vorbereitet und mehrheitlich unterstützt.
Exorbitante GEMA-Ausschüttungen für ausgesprochene „Werbe-Hits“
sind seitdem nicht mehr möglich.
Im Übrigen ist von den amtierenden sechs Aufsichtsräten
kein einziger in erster Linie Werbekomponist. Wozu also die Aufregung?
Der Versuch, E-Musik und Composers Club als zwei gegnerische Lager
zu positionieren, ist durchsichtig und wenig hilfreich. Der CC als
natürlicher Feind der E-Musik? Wohl kaum. Ob die Gegner der
E-Musik nun wirklich so zahlreich sind, wie von einigen befürchtet,
sei dahingestellt. Der Composers Club zählt zumindest nicht
dazu und steht demnach als Feindbild nicht zur Verfügung.
Hier wünscht man sich vielmehr, dass sich die Gemeinschaft
der Komponisten endlich auf die Suche nach Lösungen tatsächlicher
Probleme machte. Eine möglichst umfassend legitimierte und
respektierte Komponistenvertretung im GEMA-Aufsichtsrat wäre
hierbei von großem Nutzen. Schon aus diesem Grund stünde
es allen Beteiligten gut an, das mehrheitliche Votum nun endlich
zu akzeptieren und den neuen Aufsichtsräten ihr Vertrauen zu
schenken. Ganz gleich, ob E oder U.
Christian Wilckens,
Vorstandsmitglied Composers Club