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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 11
53. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Zeitgenössisches an den Mann bringen
Kammermusik neu erleben – Der Verein „kammermusik
heute e.V.“
„Kammermusik neu erleben“, so das Motto des 2000 gegründeten
und in Hamburg ansässigen Vereins „kammermusik heute
e.V.“. Allerdings gibt es keine festen Mitgliederbeiträge,
sondern jedes Mitglied unterstützt nach seinen Interessen und
finanziellen Möglichkeiten – und zwar ganz gezielte Projekte,
Auftragskompositionen, Uraufführungen, einzelne Konzerte.
Doch was verbirgt sich hinter dem Anspruch, Kammermusik neu erleben
zu können? Kann man Beethovens Streichqartetten zukünftig
in einer Konzert-Event-Halle mit angeschlossenem Tiefseeaquarium
lauschen – in Anlehnung an entsprechende Pläne der Hamburger
Kultursenatorin Dana Horáková? Nein, keineswegs! Hier
sollen keine Events der Spaßkultur huldigen, und dennoch wird
Neues versprochen. Neu sind zum einen die gespielten Werke. In jedem
Konzert wird eine Uraufführung zu Gehör gebracht, ein
Auftragswerk des Vereins erarbeitet. Umrahmt werden diese neuen
Klänge von Werken bekannter, aber auch unbekannterer Komponisten
der Klassik und Romantik. Neu ist aber noch ein weiterer Aspekt:
Durch die Vergabe von Auftragskompositionen wird nicht nur die zeitgenössische
Literatur für Kammerensembles erweitert und aufgeführt,
das Publikum erhält zudem ausführliche Informationen zu
einzelnen Komponisten und ihren Werken. Es gibt Einführungen
durch den Komponisten, Interviews mit ihnen sind im Informationsblatt
„Impulse“ sowie im Internet (www.kammermusik-heute.
de) zu lesen, interessierte Hörer bekommen die Möglichkeit,
die Probenarbeit mitzuerleben, Raum für Gespräche mit
den Mitwirkenden nach den Konzerten ist gegeben. Das „Ensemble
in Residence“ des Vereins ist das „ensemble acht“,
Streicher und Bläser aus verschiedenen deutschen Orchestern.
Konzerte mit weiteren Ensembles sind geplant. Der Verein „kammermusik
heute e.V.“ ist ein seltenes Projekt, das sich nicht nur um
zeitgenössische Musik, sondern genauso intensiv darum bemüht,
diese Musik gerade auch denjenigen Hörern zu vermittlen, die
ansonsten eher dem klassisch-romantischen Konzertrepertoire zugeneigt
sind. Pläne für die Zukunft gibt es reichlich: Eine feste
Spielstätte wird seit einiger Zeit gesucht. Auch sind kleine
Festivals angedacht, um Komponisten besser featuren zu können.
Ob das in Hamburg möglich sein wird?
Denn die Organisatoren von „kammermusik heute e.V.“
sind unermüdliche Idealisten. Finanzielle Unterstützung
wurde ihnen von der Stadt Hamburg nie in größerem Maße
zuteil. Seit 2003 müssen sie ganz ohne öffentliche Förderung
auskommen – in Hamburg scheinen Qualität, Kreativität
und Vielfalt zurzeit für die Kulturpolitik von geringem Interesse
zu sein (was auch zahlreiche weitere – freie – Musikensembles
und Festivals zu spüren bekommen haben, wie etwa das international
bekannte Real Time Music Meeting www.real-time-music.de).
Wäre da nicht eine engagierte Mäzenin aus der Wirtschaft:
Brigitte Feldtmann, die unter anderem immer wieder auch den Verein
„kammermusik heute e.V.“ finanziell unterstützt
und so die Kompositionsaufträge sichert. Doch weitere Sponsoren
zu finden, ist extrem schwer. Aber der Verein ist flexibel und sucht
nach immer neuen Möglichkeiten. So sollen in Zukunft mit einem
festgelegten Programm gezielt Firmen (etwa derselben Nationenzugehörigkeit
wie der geförderte Komponist) angesprochen werden. Zu hoffen
bleibt, dass Sponsoring in Zukunft nicht nur bei reichweitenstarken
und eventträchtigen Veranstaltungen zu erwarten ist, sondern
dass im Zuge allgemeiner Finanznot die Bedeutung kultureller Vielfalt
und Bildung nicht vergessen wird.