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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 8
53. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
E und U im Streit
Initiative der Berliner Akademie der Künste zur Förderung
anspruchsvoller Musik
In einem ausführlichen Statement wandte sich Udo Zimmermann,
Direktor der Abteilung Musik der Akademie der Künste in Berlin,
Ende Januar an die Öffentlichkeit. Die neue musikzeitung druckt
es in Auszügen nach.
Die Mitglieder der Abteilung Musik der Akademie der Künste
verfolgen mit Sorge Entwicklungen, die die Akzeptanz anspruchsvoller
Musik gefährden und eine prinzipielle Unterscheidung zwischen
der so genannten E- und U-Musik ablehnen. In Gremien wie der GEMA
und dem Deutschen Musikrat erheben sich auch seitens der Politik
Stimmen, die eine Gleichbehandlung nach den Gesetzen des Marktes
fordern, wie sie in den Medien schon lange forciert wird. Die U-Musik
soll noch stärker als bisher materiell unterstützt werden,
als wäre sie nicht ohnehin die bereits alles dominierende Kraft.
Es geht hier nicht um das Gegeneinanderausspielen von zwei verschiedenen
musikalischen Bereichen. Worauf wir nachdrücklich verweisen
wollen, ist die unter dem Fähnlein demokratischer Erfordernisse
sich derzeit auf vielen gesellschaftlichen Ebenen vollziehende Reduktion
des kulturellen Anspruchs auf das leicht Konsumierbare, das Gängige
und Klischeehafte, das millionenfach Bewährte und Kommerzielle.
Wenn von verantwortlichen Persönlichkeiten derzeit wieder und
in alarmierend neuer Qualität das Populäre auf den Schild
gehoben wird, andererseits aber ebenso dringend und mit großem
Aufwand Innovation, Eliten und Wertebewusstsein politisch eingefordert
werden, so stehen sich damit zwei nicht miteinander vereinbare Strategien
gegenüber. „Unterhaltung wird einzig mit „leicht“
und „Spaß“ gleichgesetzt. Inzwischen dürfte
sich aber die Erkenntnis verbreitet haben, dass von einer „Zerstreuungskultur“
keine neuen, schöpferischen Impulse für die Gesellschaft
zu erwarten sind. „U“ nach unserem Verständnis
schließt Seriosität und „E“, sprich: Ernsthaftigkeit,
ein. Kunst muss existentiell sein.
Wir denken, dass die so genannte „E-Musik“ den Kern
unserer westlichen Kultur, ihre differenzierte geistige Substanz,
ihre ethischen Werte wesentlich mit bewahrt. Es ist eine überlebensnotwendige
Funktion der Kunst als geistiges Gegengewicht zu den alltäglichen
Praktiken des globalen Materialismus, die alternative Bewegung in
allen subtilen und offenkundigen Varianten zu fordern und zu fördern.
Das Unbequeme ist es, was den Menschen weiterbringt und die E-Musik
wagte dieses Unbequeme zu allen Zeiten immer wieder. Ihr Anspruch
und ihre Komplexität gestatten es, bei Menschen, die sich ihr
öffnen, tiefe Spuren zu hinterlassen und sie wesentlich zu
prägen. Ihre Relevanz für die Gesellschaft ist nicht hoch
genug einzuschätzen. Wir wehren uns dagegen, in eine subkulturelle
Situation abgeschoben zu werden. Wir brauchen eine intensive Auseinandersetzung
mit der angesprochenen Problematik in der Öffentlichkeit.