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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 6
53. Jahrgang | Februar
Musikwirtschaft
Tim rennt und BMG wirft den ersten Stein
Thomas M. Stein verlässt BMG und Tim Renner trennt sich
von Universal
Nicht gerade mit einem Paukenschlag, dennoch mit einem heftigen
Raunen der Branche verabschiedeten sich der Präsident der BMG
Germany/Switzerland/Austria Holding (BMG GSA) Thomas M. Stein und
der Chef von Universal Deutschland Tim Renner zunächst einmal
aus der Musikbranche. Während Thomas M. Stein von BMG-Chairman
Rolf Schmidt-Holtz mit etwas zu viel Lob aus dem Haus komplimentiert
wurde (Schmidt-Holtz: „Ich möchte Thomas M. Stein persönlich
für die Zusammenarbeit und seinen Beitrag für BMG herzlich
danken... er war für die BMG eine Führungspersönlichkeit
in der europäischen Musiklandschaft… hatte große
wirtschaftliche Erfolge...“) und sich die Wege offiziell in
gegenseitigem Einvernehmen trennten, sind bei Tim Renners eigen
veranlasstem Abgang handfeste Meinungsverschiedenheiten über
die Politik des Unternehmens Universal und dessen Welt CEO und Chairman
Jorgen Larsen die offensichtlichen Gründe.
Thomas M. Stein.
Foto: nmz-Archiv
Thomas M. Stein, der Plattenboss zum Anfassen, sorgte im letzten
Jahr weniger mit spektakulären Musikentdeckungen für Aufsehen,
sondern eher durch seine Sesseltätigkeit auf der nationalen
Castingcouch der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“.
Sicherlich einer der unwichtigsten weiteren möglichen Trennungsgründe,
dennoch war in letzter Zeit zu vernehmen, dass manche bei der BMG
nicht sehr glücklich über Steins Außendarstellung
waren. Peinliche Phrasendrescherei und ausfallende Wortwahl gegenüber
halbwüchsigen Teenagern sorgten für schlechtes Image von
Stein und damit auch bei den aus der Show rekrutierten BMG-Künstlern.
Noch dazu schien den BMG-Vorstandsetagen dieses Konzept der Künstlersichtung
zu schwammig, durchsichtig und wenig zukunftsweisend. Ebenso dürfte
dem neuen Partner Sony diese Politik weniger gefallen haben und
präventiv hat man schon mal die finanziellen Muskeln spielen
lassen und in der Plattenkoalition den Kanzleranspruch unterstrichen.
Passend dazu lauten die aktuellen vorläufigen Ergebnisse des
Geschäftsjahres 2003 im Hause der BMG. Nach Informationen des
Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ konnte Thomas M. Stein
für seinen Zuständigkeitsbereich BMG GSA zwar ein Umsatzplus
von sieben Prozent erreichen (und damit einen Gesamtbetrag von etwa
einer Viertelmilliarde Euro), dennoch wurde damit nur ein Gewinn
von rund acht Millionen Euro erzielt. Diese Kleinrendite bezeichnete
man bei der BMG als Ergebnis einer „außerordentlich
schlechten Performance“. Nun musste Stein ebenso wie sein
amerikanischer Kollege Antonio Reid (Arista Chef) dieser Entwicklung
Tribut zollen und das Unternehmen verlassen. Ersetzt wird Thomas
M. Stein, der seit 1988 bei der BMG war, durch den Niederländer
Maarten Steinkamp, derzeit Präsident der BMG International
und Geschäftsführer der französischen BMG-Dependance.
Thomas M. Stein hingegen bleibt sozusagen dem Unternehmen treu und
soll nach unbestätigten Informationen bereits ein Angebot des
Kölner Privatsenders RTL vorliegen haben, um künftig neue
Sendeformate zu entwickeln.
Tim Renner.
Foto: nmz-Archiv
Bei Universal-Chef Tim Renner scheint die Trennung weitaus unharmonischer
über die Bühne zu gehen. Der Shooting Star der Branche
verlässt das Unternehmen Ende Januar, Universal CEO Jorgen
Larsen, mit dem der Abschied besprochen wurde, wird Renners Posten
besetzen. Dabei schien Renners Karriere kaum Grenzen zu kennen.
Vom Musiker in der Punkband „Quälende Geräusche“
über ein Praktikum bei Universal schaffte er es mit 36 Jahren
an die Spitze des größten deutschen Musikkonzerns. Vor
allem seine konstruktiven und umsetzbaren Visionen wie das Plattenlabel
„Motor Music“, das einheimische Künstler wie die
Echo-Preisträger „Sportfreunde Stiller“, „Virginia
Jetzt!“ oder „Etwas“ hervorbrachte, brachten ihm
große Anerkennung ein. Noch dazu konnte der Marktanteil von
Universal um drei Prozent gesteigert werden und damit hatte das
Unternehmen 2003 den größten Markanteil in der Geschichte
des Unternehmens. Dennoch erfordert die weiterhin miserable Lage
des deutschen Musikmarktes mehr Einschnitte, wie CEO Jorgen Larson
verlauten ließ. Laut einer Pressemitteilung von Universal
„könne Renner die internationalen Sparmaßnahmen
von Universal zwar nachvollziehen; bei ihrer Anwendung auf lokale
Künstler und die damit zusammenhängende Organisationsstruktur
habe es aber unterschiedliche Auffassungen gegeben“. Ferner
glaube Renner fest daran, „dass der Markt auch Repertoire
aus Szenen und Nischen braucht, um authentische Inhalte zu entwickeln.
Obwohl der Markt deutlich geschrumpft ist, haben wir im vergangenen
Jahr wieder an Umsatz mit deutschen Künstlern hinzugewonnen,
dem Markttrend getrotzt“. Zudem hält Renner außerdem
die Konstellation mit zwei Geschäftsführern für zu
kostenintensiv. „Wir können nicht auf der einen Seite
jede Position hinterfragen und uns andererseits auf dem teuersten
Posten eine Doppelspitze leisten.“ Dies sei ein weiterer Grund,
warum er seinen Posten zur Verfügung gestellt habe.
Getrieben von diesen Meinungsverschiedenheiten verlässt Renner
das Unternehmen nun, gleichzeitig wird aber Kritik laut, denn der
von ihm initiierte Umzug von Hamburg nach Berlin, sein Rationalisierungskonzept
und die stotternden Downloadplattformen „Phonoline“
beziehungsweise „Popfile“ brachten ihm zunehmend Kritik
ein.
Über Tim Renners Zukunft wurde bisher nichts bekannt, allerdings
ließ CEO Jorgen Larsen über Universals Zukunft mitteilen,
„dass er zusammen mit Vico Antippas und dem bestehenden, erfolgreichen
Management das Unternehmen durch diese empfindliche Phase führen
werde und man trotzdem weiterhin, gezielt auf Mainstream-Künstler
und TV-Plattformen, in lokales Repertoire aktiv investieren wolle“.