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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 37
53. Jahrgang | Februar
Jazz, Rock, Pop
Pomadiges Hardrock Theater ohne Spielfreude
Nickelback live am 5. Dezember 2003 im Zenith München
Nickelback ist eine der wenigen Rockbands, die von 2001 bis 2004
einen sensationellen und weltweiten Durchbruch mit Gold- und Platinauszeichnungen
schaffte. Die Kanadier wären musikepochal fast in einem Atemzug
mit Nirvana zu nennen, hätten sie nicht das Problem, dass ihr
Musikstil eben schon da ist. Gut zehn Jahre nach Nirvanas Kommerzfeldzug
geben Nickelback einen würdigen Vertreter und Nirvana-Nachfolger
des alternativ bis grunge-getauften Genres ab. Radiohits wie „Someday“
(2003) oder „How you remind me“ (2002) machten die bescheidenen
Rocker zu Superstars. Leider kann man ihnen diese Wandlung von der
talentierten, willigen Band auf dem Weg zum Durchbruch (2001 mit
dem Album „The state“) bis zu leicht behäbigen
wirkenden Superstars vor allem live ansehen. Doch der Reihe nach.
Eröffnet wird der Münchner Konzertabend von der einheimischen
Band „DeadLine“, die gerade ihr erstes Album veröffentlichten.
Nachdenklicher Gitarrenpop mit wenig Alleinstellungsmerkmalen teilt
das Publikum in eine nach wenigen Songs pfeifende und in eine nach
etwa 30 Minuten Zugabe verlangende Hälfte. Der Zeitplan löst
das Problem, denn nun erwartet man Nickelback. Nach fast zweistündiger
Zwangspause – technische Probleme verzögern den Beginn
– geht es los. Mit einem Knall, einem Blitz und einer Lautstärke
jenseits der menschlichen Hörverträglichkeit stehen Chad
Kroeger (Gesang, Gitarre), Mike Kroeger (Bass), Ryan Peake (Gitarre)
sowie Ryan Vikedal (Schlagzeug) auf der Bühne und starten mit
„Flat on the floor“ vom aktuellen Album „The long
road“. Die unfreiwillig angestaute Spannung scheint sich in
einem irrsinnigen Urschrei der Masse zu entladen. Die dadurch zunächst
verursachte Gänsehaut lässt dennoch schnell nach. Die
Show mag für Jungspunde gigantisch erscheinen, leider sind
Gigantomanie in Bezug auf Pyrotechnik, Lichteffekthascherei und
Lautstärke schon weit vor Nickelback ausgereizt worden. Dieser
Show folgend schmeißen sich Nickelback in teilweise arrogante
und klischeehafte Rockerposen, die vielleicht gar nicht so gemeint
sind, aber bei einzelnen Betrachtern so ankommen. So werden die
Zuschauer der vordersten Reihe in den Songpausen zwar mit Plektren,
Drumsticks und Wasserflaschen bombardiert, eine konzertbefristete
Emotion zwischen Band und Publikum will jedoch nicht gelingen und
schmälert die Konzertfreude erheblich.
Ob der Sound gut war, ist schwer beschreibbar. Man konnte die Songs
wohl erkennen, aber nur laut ist kein Qualitätsmerkmal. Nach
gerade mal enttäuschenden 85 Minuten und Songs wie „Breathe“,
„Someday“, „Do this anymore“, „Woke
up this Morning“, „Leader Of Men“, „Because
Of You“ (akustisch), „Hero“ (akustisch), „Should
have listend“, „Where do I hide“, „Too bad“,
„Figured You out“, „Feelin´ way too damn
good“, „Never Again“ und der unvermeintlichen
Zugabe „How you remind me“ ist das Spektakel vorbei.
Geblendet von Pyrofontänen, dem Schicksal der lebenden Fackel
entkommen und schwankend ob der unsäglichen Lautstärke
in Richtung Parkplatz torkelnd, verlässt man ein Konzert mit
wenig Überraschungen. Solide nach Hause gespielt, aber Spielfreude
könnte anders aussehen.