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Ausgabe 2003/06
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nmz 2004/02 | Seite 20
53. Jahrgang | Februar
Bücher

Ökonomie, Gesellschaft, Kultur

Kurt Weill und sein US-amerikanisches Umfeld

Hermann Danuser/Hermann Gottschewski (Hg.): Amerikanismus – Americanism – Weill. Die Suche nach kultureller Identität in der Moderne, Edition Argus, Schliegen 2003, 336 S., Abb., Notenbeispiele, € 46,00, ISBN 3-931264-23-8

„Ich gebe keinen Pfifferling darauf, für die Nachwelt zu komponieren“, meinte Kurt Weill und verwies stattdessen auf ein publikumsorientiertes Arbeiten im Jetztzeitmodus. Doch gerade die Nachwelt erhob ihn in den Rang eines Klassikers, dessen sie jedoch nur schwerlich habhaft zu werden vermag. Trotz vielfältiger biographischer und monographischer Publikationen bleibt die Person Kurt Weills seltsam unbestimmt. Die ihm zugewiesene Identität schwankt zwischen deutschem Komponist im Exil, Deutschamerikaner, Juden und amerikanischem Staatsbürger deutscher Herkunft. Ähnlich ambivalent fallen die Urteile über sein in verschiedenen Ländern entstandenes Oeuvre aus. Während einige Kritiker seine ernst zu nehmenden Werke ausschließlich auf die Schaffensperiode in Deutschland begrenzen, verweisen andere auf Weills kreative Kulmination am Broadway. Gibt es also einen deutschen und amerikanischen Kurt Weill oder durchzieht sein Schaffen eine größere Kontinuität, als bis dato angenommen?
Angesichts solch divergierender Urteile und zeitgeschichtlich komplexer Vorgänge wie die republikanische Neuorientierung Deutschlands zwischen zwei Weltkriegen, der technischen Revolutionierung der Musikkultur und der dramatisch zunehmenden internationalen Verflechtung kulturellen Austausches muss der Blickwinkel auf eine transnationale Persönlichkeit wie Kurt Weill erweitert werden. Auf der Basis eines im März 2000 in Berlin veranstalteten Symposiums entstand im Laufe von drei Jahren eine Buchpublikation, die eine fruchtbare kulturhistorische Perspektive auf die Persönlichkeit Kurt Weills eröffnet. Sie verdeutlicht eindrucksvoll, wie der Komponist auf verschiedene Strömungen seiner Zeit reagierte und Tendenzen in seiner Musik forcierte, prägte und weiterentwickelte. Zur zentralen Chiffre avanciert das viel diskutierte Schlagwort des „Amerikanismus“. Die spezifisch deutsche Projektion von Vorstellungen über das „Andere“ bildet jedoch nur einen Teil der Medaille, die Weill nach 1933 auch von der anderen Seite zu sehen bekam. Der inhaltlich anders gelagerte Begriff „Americanism“ muss insofern auch aus der außerdeutschen, nämlich der amerikanischen Warte beleuchtet werden. Damit sind die drei Gravitationszentren verankert, um die sich die „Suche nach kultureller Identität in der Moderne“, so der Untertitel der Publikation, rankt: Amerikanismus, Americanism und Weill.

Den Herausgebern Hermann Danuser und Hermann Gottschewski sowie der Edition Argus gelingt eine verlegerische Glanzleistung, die Form und Inhalt zu einer bemerkenswerten Einheit bringen. Entsprechend der deutschen und amerikanischen Lebensphasen von Kurt Weill und deren gegenseitigen Durchdringung stehen amerikanische und deutsche Beiträge in der jeweiligen Landssprache nebeneinander.

Das Buch gliedert sich übersichtlich in die Bereiche „Perspektiven in Ökonomie, Gesellschaft und Kultur“ und „Popularisierung und Technisierung der Künste“, um schließlich die Ergebnisse für eine Neubewertung von Kurt Weills „Leben und Werk“ zu präzisieren. Eine derart breit angelegte Kontextualisierung verlangt eine interdisziplinäre Vorgehensweise. So kommen neben Musikexperten auch 18 Wissenschaftler mit den Forschungsschwerpunkten Geschichte, Literatur, Kultur und Medien zu Wort. Auf diese Weise lässt sich dem Schlagwort für umfassende sozioökonomische Modernisierungsprozesse aus einer Innen- und Außenansicht nachspüren – Perspektiven, die für Weills Wirken kennzeichnend sind.

Die interdisziplinäre Architektonik des Buches verfolgt gerade keine geschlossene Darstellung. Der Leser ist nicht gezwungen, die Kapitel nacheinander abzuarbeiten. Das Buch lädt zum Springen und Quereinsteigen ein. Zwar tauchen die gleichen Zitate in den jeweiligen Abhandlungen zum Teil mehrfach auf, sie werden aber für unterschiedliche Deutungen instrumentalisiert. Wie ein Mosaik entsteht das farbenprächtige Bild von interkultureller Befruchtung und produktiven Missverständnisse. Damit entspricht das Buch einmal mehr der Janusköpfigkeit seines zentralen Begriffpaares „Amerikanismus und Americanism“. 1929 formulierte Weill die für ihn zentrale Frage im Kunstschaffen: „Ist das, was wir machen, für eine Allgemeinheit nützlich?“. Das vorliegende Kompendium vermag den Blick für die multiple jüdisch-deutsch-amerikanische Identität des außergewöhnlichen Komponisten zu schärfen und besitzt insofern einen hohen Nutzen für die Allgemeinheit.

Frank Mehring

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