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nmz-archiv
nmz 2004/02 | Seite 21
53. Jahrgang | Februar
Noten
Wertvolle Arbeitsinstrumente für Musiker
Notenausgaben und die zugehörigen Play-Along-CDs: eine Übersicht
Musik entfaltet ihre ganzen Möglichkeiten erst im Zusammenspiel
mit anderen. Der Mangel, dass die wenigsten Musikschüler von
Anfang an die Möglichkeit dazu haben, lässt sich durch
die zahlreichen Angebote nach dem Music-Minus-One-Konzept zumindest
teilweise ausgleichen. Hier sind die Möglichkeiten noch nicht
ausgereizt, wie der Verlag Dowani Intenational mit seiner „3
Tempi Play Along“-Reihe zeigt.
Auf der Basis von Urtext-Ausgaben in einem ansprechenden und gut
lesbaren Notenbild bietet er für eine Vielzahl von Instrumenten
nicht nur das gängige Solo-Repertoire, sondern auch entlegenere,
aber musikalisch und spieltechnisch interessante Werke an. Auf den
jeweils beiliegenden CDs ist jedes Werk in vier verschiedenen Fassungen
zu hören. Neben der Konzertfassung werden das Originaltempo
und zwei langsame Tempi zum Einstudieren angeboten, wobei beim langsamsten
Tempo die Solostimme leise im Hintergrund zu hören ist. Mit
Hilfe der Indexnummern in der Solostimme kann man problemlos an
sinnvoll ausgewählten Stellen im Stück in verschiedenen
Tempi einsteigen, ohne jeweils wieder einen ganzen Satz von vorne
beginnen zu müssen.
Unter den Neuerscheinungen finden sich zwei echte Bereicherungen
für das romantische Repertoire, das Konzert Nr. 4 für
Cello und Orchester in G-Dur op. 65 von Georg Goltermann (1824–1898)
und das Violinkonzert Nr. 9 in a-moll op. 104 von Charles Auguste
de Bériot (1802–1870). Die beiden Einspielungen des
Russischen Philharmonischen Orchesters unter Konstantin Krimets
mit Sergey Sudzilovsky (Cello) und Alexander Trostyansky (Violine)
überzeugen mit kultiviertem Streicherklang und differenziertem
romantischen Gestus, die Solostimmen sind musikalisch vorbildlich
und technisch einwandfrei gespielt. Dass aber mit derselben Musizierweise
und Klangauffassung auch Telemanns Bratschenkonzert G-Dur und J.
S. Bachs Sonate für Querflöte in h-Moll BWV 1030 eingespielt
wurden, stellt schlicht einen Anachronismus da. Mag man auch nicht
alle Errungenschaften historisierender Musizierpraxis gutheißen,
sie vollkommen zu ignorieren, heißt sich selbst ins Abseits
zu stellen.
Populäre zeitgenössische und historische Musik aus aller
Welt bereitet die Wiener Universal Edition mit ihrer Reihe World
Music für das Ensemblespiel auf. Nach Schottland, Israel, Kuba,
Brasilien, Irland und Russland wird die Reihe nun um einen Band
mit Musik aus Madagaskar erweitert, vorgestellt von dem Musiker
HAJAmadagsacar und dem Wiener Musikethnologen August Schmidhofer.
HAJAmadagascar, der selbst zahlreiche traditionelle Instrumente
spielt wie die Kastenzither Marovany und die Kabosy, eine madagassische
Gitarrenart, ist das Kunststück gelungen, die komplexe Struktur
der Musik so umzusetzen, dass sie auf einem mittleren technischen
Niveau gut spiel- und singbar wird, ohne ihren besonderen Charakter
zu verlieren. Neben Arrangements traditioneller Stücke steuert
HAJAmadagascar auch eigene Kompositionen bei. Es braucht Zeit und
einige Wiederholungen, bis man sich in das madagassische Rhythmus-Feeling
mit seinem häufigen Gegeneinander und Wechsel von ternären
und binären Rhythmen einfühlt, aber die beiligende CD
leistet dabei gute Hilfe. Neben der Play-Along-Fassung zum Üben
bietet sie jeweils auch eine lebendige Aufnahme der Stücke
mit Originalinstrumenten. Die Besetzung ist variabel und kann für
verschiedene Melodie- und Bassinstrumente sowie Gitarre, Klavier
und Perkussion leicht angepasst werden, für drei Stücke
liegen auch Texte vor. Instrumentarium und Musik werden in informativen,
wenn auch manchmal etwas ungelenken Texten erklärt. Fazit:
absolut empfehlenswert.
Die vom spieltechnischen Niveau her leichtere Reihe World Music
Junior aus demselben Verlag bietet mit ihrem neusten Band einen
Streifzug durch die Musik Nordamerikas. Bekannte Stücke wie
„Swanee River“, der „Pine Apple Rag“ und
„Swing Low, Sweet Chariot“ machen mit den Eigentümlichkeiten
von Rock’n’Roll, Gospel, Blues, Ragtime und Country
vertraut. Die geschmackvollen Arrangements von Joseph Diermeier
geben mit zahlreichen ausgeschriebenen Soli auch Anreize für
fortgeschrittene Spieler, die CDs sind allerdings etwas dröge
eingespielt. Neben dem Ensembleheft liegen Einzelstimmen für
Melodieinstrumente in C, Bb und Eb vor; für die Rhythmusgruppe
sind Gitarre/Banjo, Klavier, Bass und Perkussion vorgesehen. Auch
diese Bände sind mit informativen Texten ausgestattet und reizvoll
zu erarbeiten.
Ein wertvolles Arbeitsinstrument für Sänger hat Famiro-Records
aus Nürnberg entwickelt – die Idee ist so gut, dass man
sich fragt, warum niemand früher darauf gekommen ist. Nicht
gerade wenige angehende und professionelle Sänger eignen sich
neue Partien über das wiederholte Anhören einer Aufnahme
an – und nehmen dabei gravierende Risiken in Kauf: Unvermeidlich
„lernen“ sie mit dem Notentext zugleich die fixierte
Interpretation der Aufnahme und den Stimmklang der jeweiligen Sänger
mit. Die Reihe „Coach Me“ von Famiro will dem Abhilfe
schaffen mit einem Ansatz, der direkt aus der Praxis kommt. Die
meisten Korrepetitoren haben schon einmal für ihre Sänger
„mal eben“ die Gesangslinie einer schwierigen Arie auf
Kassette aufgezeichnet. Genau diese Hilfe und einiges mehr zum Erarbeiten
eines Stückes oder einer kompletten Rolle erhalten Sänger
in einer ausgearbeiteten Form und in dem Klangbild, wie es ihnen
von der Korrepetition her vertraut ist. Zu jeder CD gehört
ein Booklet mit dem vollständigen Text des Librettos in der
Originalsprache sowie mit wörtlichen Übersetzungen ins
Deutsche, Englische, Italienische, Französische und Spanische
sowie eine Übertragung in die internationale Lautschrift. Als
erstes ist der Originaltext zu hören, vorgetragen von einem
Muttersprachler. Darauf folgt die Lernfassung, gespielt auf dem
Klavier und sparsam ergänzt mit Stichnoten zur rhythmischen
und harmonischen Orientierung. Bei schwierigen Partien, etwa Koloraturen,
wird zusätzlich eine Lernfassung im reduzierten Tempo angeboten.
Hat man Text und Melodie einstudiert, kann man mit der darauf folgenden
vollständigen Begleitung üben.
Der Notentext ist mit musikalischem Puls und äußerst
exakt wiedergegeben; die Klavierbegleitung bietet eine gute Unterstützung
und ist sanglich, mit Gespür für sängerische Bedürfnisse,
eingespielt. Für die Vorbereitung dieser Aufnahmen vergleicht
die Künstlerische Leiterin des Projektes, die professionelle
Korrepetitorin und Klavierbegleiterin Denette Whitter, die jeweils
wichtigsten Einspielungen, um Anschluss an die gängige Aufführungspraxis
bieten zu können. Ohne eine Interpretationsweise festzulegen,
bieten die Aufnahmen so eine gute Arbeitsgrundlage für den
professionellen Gebrauch. Wünschenswert wäre aber, dass
die jeweils verwendeten Klavierauszüge angegeben werden. Für
Mozart-Opern etwa wird seit Jahren schon vermehrt auf Aufführungsmaterial
der neuen Bärenreiter-Ausgabe zurückgegriffen, die sich
schon allein textlich von den älteren Ausgaben des Peters-Verlages
unterscheidet. Inzwischen liegen Mozarts „Zauberflöte“
und „Figaro“, „Die Fledermaus“, Rossinis
„Barbier“ und Verdis „Rigoletto“ als vollständige
Partiensätze vor; Ariensammlungen verschiedener Komponisten
für alle Stimmlagen; die häufig zu Unterrichtszwecken
verwendeten „Arie Antiche“ sowie der „Messias“
und Bachs Weihnachtsoratorium. Fazit: Ein sehr gutes Arbeitsinstrument
für professionelle Sänger, Gesangsstudenten und ambitionierte
Laien, das sich sicher durchsetzen wird. Informationen unter www.famiro.de